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Brief vom 14. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1078.


[348]
Paris den 14 December 1719.
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 28 November no 94, mitt den 3 schraubthallern zu [349] recht [empfangen], finde die bikelhäring gar artig. Man ist greülich verpicht drauff hir, habe gleich eines davon müßen weg geben. Ich hoffe, daß Ihr mir, wen die andern 6 werden kommen sein, b[e]richten werdet, waß sie kosten. Ja, liebe Louisse, ich tragen[1], wen ich in manteau bin, schwartze taffeten schürtzger; aber in grand habit trag ich keine. Mich deücht, sie seindt gar gemachlich, weillen sie zwey säck mehr geben. Man hatt nie keine schandt, seinen nahen verwanten zu dinnen; aber hir ist, den schürtz ahnzuthun, der dame datour scharge[2], die dame d’honneur hatt ander[e] fonctionen. Ich thet gegen mir selber, liebe Louisse, wen ich Eüch nicht ortendtlich auff Ewe[re] liebe schreiben andworten solte, indem ich es Eüch so hoch versprochen, exact zu sein; habe auch seyderdem nicht dran gefehlt. Ich piquire [mich], sehr exact in meinen parollen zu sein. Ich bin noch weit darvon, alle tugendten zu besitzen; den ich bin ein mensch undt alle menschen haben ihre schwachheitten undt fehler, habe also die meinige, wie ein anders, leyder. Die fürstin von Nassau Siegen thut woll, sich ahn einen frantzöschen officir zu hencken; der wirdt ohne scrupel bey ihr bleiben, so lang alß sie einen heller wirdt im beüttel haben. Vor mehr andtworte ich nicht[3]. Ich höre nie von amants reden, so ihre maistressen quittiren, wie Dornberg gethan, ohne ahn madame la duchesse de la Mailleraye[4] zu gedencken, so alß zu sagen pflegte: Que l’amour seroit jolie, s’il n’avait pas ces quitterie[s][5]! Hiemitt ist Ewer liebes schreiben just halb beantwort. Ich muß nun meine pausse machen. Ich bin heütte spät außgestanden[6]; den ich bin kranck wie ein hundt. Ob ich zwar nicht außgehe undt allezeit in einer gutten warmen kammer bleib, gar nicht zu nach[t] eßen[7], so habe ich doch einen solchen abscheülichen husten, daß ich in allem dieße nach[t] zu unterschiedtliche[n] mahlen 2 stundt geschlaffen, bin wie gebrügelt in den lenden; den ich huste ohne auffhoren, thue nichts, alß husten, speyen, butzen; daß ist ein verdrießlich leben. Aber da rufft man mich, umb mich ahnzuziehen; mochte doch gern noch dießes bladt außschreiben. [350]
Paris, nachmittags umb halb 3, 14 December.
Es ist schon eine gutte halbe stundt, daß ich von taffel bin, aber eine große nohtwendig[keit] hatt mich in mein cabinet, oder, wen ich mitt verloff, mitt verloff sagen soll, in mein garderobe gehen [machen]. Daß, hoffe ich, wirdt mir dieße nacht eine ruicher[8] nacht geben, alß die, so ich dieße nacht gehabt habe; den ich habe kein[e] 2 stundt geschlaffen, continuirlich gehust. Ich hatte gehofft, gegen morgen ein wenig zu schlaffen gewest[9], bin also 2 stundt lenger im bett geblieben, undt wie ich nicht ohne schlaffen im bett dawern kan, so bin ich doch umb 3/4 auff 7 auffgestanden. Es schläffert mich nun, daß ich kaum die augen auffhalten kan; hoffe doch, auff Ewer liebes schreiben vom 28 heütte vollig zu andtwortten, will nur, weillen ich noch allein bin, ein wenig betten gehen.
Umb halb 4 nachmittags.
Mein gebett ist, gott lob, verricht; nun wirdt mich, wils gott, nichts mehr auffhalten, auff Ewer liebes schreiben ferner zu andtwortten. Ich war geblieben ahn den herrn von Darnberg[10]. Ich finde ihn glücklich, wie man in sprichwordt sagt, seine spel so woll auß dem spiel gezogen zu haben undt mitt einen … seine mutter besamfftiget; findet[11], daß es ein großer vortheil ist. Waß die fürstin von Siegen nun pra[c]ticirt, hatt sie gar gewiß zu Paris gelehrnt; also billig, daß ein Frantzoß davon profitirt. Die coquetten seindt nicht die langweilligsten; den sie wollen alß ahn alle menschen gefallen; daß macht sie artlich. War[12] dieße fürstin ihre freüllen übel tractirt hatt undt doch sonsten gutt ist, mag es woll sein, daß einer von ihren liebhabern vielleicht verliebt von einer ihren freülien geworden; sie können doch woll raisonabel undt tugendtsam sein; den wen coquetten jalous werden, werden sie furieux. Wie ich sehe, Louise, so halt Ihr eben so wenig vom spiel, alß ich. Ihm bett könte ich ohnmöglich schreiben; es ist auch gar gefahrlich, licht im bett zu [haben]; so ist daß schloß zu Mönchen[13] in brandt gangen. Ein hofffreüllen laß im bett, schlieff ein, daß licht fiel umb auff die gardinen; die gingen in brandt, daß freüllen erwachte, sprang auß [351] dem bett, durffte nicht ruffen auß forcht, daß man mercken mögte, daß sie daß hauß in brandt gesteckt hette; in dem ging daß gantze schloß in brandt. Drumb, liebe Louisse, wolte ich Eüch nicht rahten, viel im bett zu schreiben. Durch welche avanture seindt Eüch die Juden schuldig worden? Daß kan ich nicht begreiffen. Mich deücht, Ewer beyde niepcen seindt offt kranck. Ich bin persuadirt, daß die londische lufft[14] ungesundt ist; weillen aber Ewere niepcen ahn der englischen lufft gewohnt sein, so fürchte ich, daß unßere pure teütsche lufft sich nicht so woll vor ihnen schicken würde, alß zu wünschen were. Aber wen sie einen kleinen tribut werden bezahlt haben, wirdts ihnen hernach woll bekommen. Ey, liebe Louise, Ihr denckt nicht dran. Warumb solte ich graff Degenfelt undt seine gemahlin nicht zu St Clou ins hauß nehmen? Daß ist ja gantz nach der ordenung. Aber in[15] Palais-Royal kans nicht ahngehen; den da ist kein platz. Ob zwar Ewere niepce, die graffin Degenfelt, nach Franckforth mitt ihrem herrn kompt undt Eüch erfrewen werden, so kan doch dieße freüde nicht so perfect sein, daß nicht noch waß zu wünschen were, also nicht von den ohnmöglichen freüden; hoffe undt wünsche, daß Ihr den trost zukünftig jahr haben werdet. In Teütschlandt habe ich nicht gewust, daß man unß Pfältzer krametsvogel [heißt][16], habe es erst hir von Teütschen erfahren; weiß nicht mehr, wer mirs gesagt hatt. Ich hatte gemeindt, heütte noch ein liebes schreiben von Eüch zu bekommen, aber es ist keines kommen. Daß nimbt mich eben kein groß wunder, den alle posten kommen nun viel spätter, alß ordinarie. Es ist, wo sie auch herkommen mögen; also setzt es mich in gar keinen sorgen, gott lob! Ich muß meine schraubthaller nur besehen, wen ich allein bin; den mach ich sie vor jemandts auff, findt ich eine hauffe hände, so bitten: Ah, Madame, donnes m’en un! Da segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ein dutzendt nicht zu viel. Ich habe heütte 2 brieff bekommen, so beyde 3 tag spätter kommen, alß ordinarie, eines von unßer printzes von Wallis, daß ander von meiner dochter. So baldt ich dießes paquet werde unterschrieben haben, werde ich es leßen. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen, liebe Louisse, undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 348–351
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1078.html
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