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Brief vom 31. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1083.


[365]
Paris den 31 December 1719 (N. 51).
Hertzallerliebe Louise, ich komme jetzt auß der capel, wo ich zum h. abendtmahl gangen; jetzt will ich auff Ewer liebes schreiben andtworten von 16, no 100. Mich deücht, die Franckforter post geht nun beßer, alß sie gangen ist. Aber ich weiß nicht, wie es kompt, daß man Eüch 2 von Ewern schreiben, von meinen, wolt ich sagen, auff einmahl gibt; daß fangen sie nun ahn, den wie Ihr auß meinen letzten werdet ersehen haben, so hab ich auch zwey von den Ewerigen auff einmahl entpfangen. Paris schlegt mir weniger woll zu, alß nie. Ich bin seyder 3 wochen so mager geworden undt abgenohmen, daß es zu verwundern ist. Mein leibstück, daß ich vor 3 wochen getragen, ist mir vier finger breydt zu weitt geworden; daß ist aber kein wunder, den ich habe auff alle weiß außgestanden, seyder ich wider hir bin. Aber daß sein[1] keine [366] discoursen vor die post; aber die rechte gründtliche wahrheit zu sagen, so bin ich so gritlich wie eine wandtlauß undt habe es rechte ursach. Ein theil will ich Eüch doch woll sagen. Man hart[2] mein sohn persuadirt, den duc undt die duchesse du Maine wieder herkommen zu laßen undt auff freyen fuß zu stellen. Daß ängstet mich recht; den er lest sie loß, nachdem die duchesse du Maine ihm geschrieben undt alles gestanden; kan also nicht gar ruich[3] sein, wie Ihr, liebe Louise, leicht errahten könnt. Last unß von waß anderst reden! Die lufft ist schlimmer, alß nie, zu Paris. Alle augenblick hört man von leütte, so sterben; ein[e]r von meinen aumonier, der mir noch den tag vorher gedint undt über 40 jahr bey mir ist, ist auff einen stutz gestorben, hieß l’abbé Berthet. Einer von meinen haußhoffmeistern, der sein gutter freündt war, wolte ihn besuchen; wie er in sein[e] cammer drit[4], findt er ihn todt auff dem stroh liegen. Er ist gantz erschrocken kommen, mir es sagen, bleich wie der todt; aber er forderte doch gleich seine charge, sie zu verkauffen. Daß hette mich schir lachen gemacht. Madame du Maine ihr elster sohn hatt die kinderblattern auch; man hort von nichts, alß kinderblattern, rohte ruhr undt stickflüße. Aber da rufft man mich zur taffel. Nach dem eßen werde ich zu den Carmelitten betten gehen. Gott weiß, wen ich wider werde zum schreiben gelangen können.
Sontag abendts.
Ich habe woll gedacht, daß ich mühe haben würde, wider zum schreiben zu gelangen. Ich bin umb 6 wider auß dem Carmelittencloster kommen, hab mich hergesetzt, umb zu schreiben, bin aber so offt interompirt [worden], daß es nun schon 9 geschlagen. Der teüffel schickt mir die qual, umb mich ungedultig zu machen, weillen ich heutte zum h. abendtmahl bin gangen. Man hatt mir, seyder ich wieder auß dem closter kommen, habe ich ein paquet von Eüch entpfangen von 19 December, 102. Es muß mir also noch ein paquet fehlen; den Ewer letztes war von no 100. Bedenckt Eüch ein wenig, ob Ihr Eüch nicht wider verschrieben habt! Ich dancke Eüch sehr vor die callendergen. Ich finde sie gar artig, werde sie fleißig im sack dragen. Aber nun muß ich ahn mein dochter schreiben, werde also mehr, alß eine stundt, spätter nach bett gehen, [367] alß ordinarie. Ich hoffe, auffs neüe jahr weniger gehudelt zu werden. Gott gebe [es] undt daß ich Eüch biß donnerstag einen langen brieff schreiben möge! Adieu, hertzallerliebe Louisse! Ich muß wider willen schließe[n]. Ich weiß nicht, wie ich daß neüe jahr ahnfangen werde; aber daß alte ende ich mitt recht verdrießlich undt gridtlich. Gutte nacht, hertzallerliebe Louise! Gott gebe Eüch morgen ein glückseeliges neües jahr! undt ich werde Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 365–367
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1083.html
Änderungsstand:
Tintenfass