Seitenbanner

Brief vom 25. Januar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1090.


[021]
Paris den 25 Januari 1720, umb halb 7 abendts (N. 58).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe Eüch heütte morgen nicht geschrieben; den ich habe einen courier von Lotteringen abzufertigen gehabt, habe 16 bogen ahn mein dochter geantwordtet auff [022] einen [brief] von meiner dochter von 21 bogen. Daß, kont Ihr woll gedencken, hatt mich den gantzen morgen auffgehalten. Hernach bin ich in kirch, von dar zu madame d’Orleans, die gestern eine starcke migraine gehabt; hernach bin ich ahn taffel. Gleich nach dem eßen bin ich hir im vorhoff zu einer damen von meinen gutten freündinen, so kranck; sie hatt außer ihren husten undt schwachheit eine kranckheit, so nicht couriren kan, nehmlich nahe bey 90 jahren; aber sie hatt den verstandt noch, wie sie vor 40 jahren gehabt hatt. Hernach bin ich in kutsch gestiegen undt zur großhertzogin[1], die weit von hir a la place Royal[e] logirt. Ich habe sie in gutter gesundtheit gefunden undt recht [lustig], hatt mich lachen machen. Ich bin bey I. L. eine gutte stundt geblieben. Wie ich herkam, fandt ich madame d’Orleans hir in meiner cammer mitt ihren zwey jüngsten döchtern, sie ist eine stün[d]gen hir geblieben. Da hatt man mir Ewer paquet undt liebes schreiben vom 13 Januari, no 4, gebracht; werde die 4 schraubtahler ahn monsieur Le Fevre bezahlen. Ich habe noch keiner[2] gesehen, habe der zeit nicht gehabt; dancke Eüch vor die mühe, so Ihr genohmen, mir zu schicken, werde mir gutte freündt mitt machen[3]. Nach madame d’Orleans ist der kleine printz Durlach herreinkommen undt mein sohn. Daß hatt mich auch wider interompirt undt ein halb stündtgen auffgehalten. Nun hatt es schon 8 geschlagen, habe Eüch nur noch anderthalb stündtgen diesen abendt zu entreteniren. Ah, da kompt wider eine interruption; der graff Höm, deß graff Botmars[4] neveu, kompt auß Lotteringen undt bringt mir einen großen machtigen brieff von meiner dochter; ich werde ihn aber gewiß nicht leßen, biß ich auff wenigst auff Ewer letztes wehrtes schreiben, so ich dießen abendt entpfangen, [werde geantwortet haben]. Ich weiß nicht, ob ich Eüch nicht vergangenen sontag geschriben, daß ich in einem tag 3 von Ewern lieben schreiben vom 2, 6, 9, no 1, no 2, no 3, [empfangen]. Daß no 4 von 13 werde ich nun beantworten. Ich kan nicht begreiffen, wie es zugehen kan, daß ich inerhalb 6 tagen 5 schreiben von Eüch entpfangen; aber es ist heßer zu viel, alß zu wenig. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, wen Ihr ein andermahl [023] einen placken dinten auff Ewer papir last fallen, so schreibt keinen andern brieff! den ich frag keinen haar darnach undt es ist mir leyder, wen ich weiß, daß Ihr, liebe Louise, Eüch die mühe geben habt, einen andern brieff zu schreiben, alß wen ich 10 placken oder saüe in Eürem briff finden solte. Dießes letzte schreiben ist gar richtig kommen. Ich weiß nicht, wie daß man die brieff so zwey undt zwey auff einmahl gibt; aber waß wir auch davon sagen mögen, [hilft nichts, ich will] also von waß anderst sprechen. Madame du Maine hatt ihren herrn zwar gantz entschuldiget[5] undt bekent, daß sie die gantze conspiration unter seinem nahmen ahn[ge]fangen, dass er kein wordt davon gewust hette. Alle die andern conspiranten, so in der Bastillen geseßen, sagen deßgleichen, muß also woll war sein, ob es zwar schwer zu glauben[6]. Dießer herr aber, umb solches zu confirmiren, will seine gemahlin weder wißen[7] noch sehen. Sie ist verzweyffelt, daß mein sohn ihre conspiration im raht hatt leßen laßen[8]. Aber konte daß dolle thier glauben, daß mein sohn auff sich würde umb ihrethalben nehmen, alß wen er die conspiration inventirt hette, undt sie in alles vor unschuldig erklären? Daß weib ängstet mich noch, sie ist gar zu amportirt nach etwaß rares. Alberoni hatt ahn mein sohn geschrieben, ihn umb verzeyung gebetten undt declarirt, daß alle libellen undt waß man unter seinen nahmen in Spanien gegen meinen sohn geschrieben, were ihm von Paris geschickt worden. Er offrirt, alles zu entdecken undt meinem sohn mittel zu geben, gantz Spanien einzubekommen; den er wüste all le fort et le foible von dem königreich[9]. Seindt daß nicht feine [024] bürscher? Ihr macht mich lachen, die bekehrung vom duc undt der duchesse du Maine zu wünschen, liebe Louisse! Ich sehe daraaß, daß Ihr die welt noch nicht recht kendt, noch die politicken ambitieussen; die glauben weder gott, noch teüffel. Der duc du Maine hatt mir durch einen [von] meinen gutten freünden viel reprochen[10] laßen machen, wie ich so viel boßes von ihm hette glauben können, daß er solches nicht ahn mir verdint hette. Ich habe geantwortet, daß in der gantzen conspiration sein nahm alß chef gestanden, daß ich nicht errahten, daß seine gemahlin so gehertzt geweßen, alles ohne sein wißen ahnzufangen undt fortzufahren, were also woll zu entschuldigen, ihn beschuldigt zu haben. Ey, mein gott! wo findt man beichtsvätter, liebe Louise, so leütte ohne glauben bekehren können? Man findt genung, so sich in politiquen affairen mischen wollen, aber umb mehr zu brouilliren, alß alles gutt zu machen. Wo seindt die gewißenhafften leutte hir im landt? Man muß früh auffstehen, sie zu finden. Es seindt keine stadtsursachen, so mein sohn so clement machen; er ist von natur der sanffte[ste] undt beste mensch, den gott geschaffen hatt. Ach, liebe Louise, ahn mir ist wenig gelegen, ich bin ja zu nichts nutz. Ich weiß woll, daß gritlich sein zu nichts nicht hilfft; aber wen man so naturlich ist, alß ich bin, kan mans nicht laßen. Aber waß will man [machen]? Es muß alß etwaß sein, so unß zu unßerm endt führt. Nach St Clou kan ich in langer zeit nicht; alles stirbt dort ahn den kinderblattern weg wie eine pest. Unßer armer abbé d’Antrague[11] hatt sich wie ein sott[12] zu Lisle fangen laßen[13]. Seine chaise war vor der thur, dorffte sich nur nein setzen undt weg[fahren]. Sein cammerdinner pressirte ihn drauff, aber er wolte erst mitt gebranten nageln seine augbrauen schwärtzen undt auff milch wartten, seine handt zu waschen, sagte ahn alle, so ihn fragten: Que faitte vous[14] icy? andtworttet er: Je me suis fait Huguenot. Daß war schön in Flandern zu sagen, wo man gantz papistisch ist; so hatt er sich fangen laßen. Mein sohn hatt befohlen, daß man ihn woll tractiren solle undt alles geben, waß er begehrt biß auff pupen, da er gern mitt spilt wie ein kindt[15]. Der man hatt doch verstandt; ich kan [025] nicht begreiffen, wie man zugleich verstandt haben kan undt so gar kindisch sein. Kein heylliger wirdt nie auß ihm werden, er ist gar zu verliebt von manßleütten; wen er daß nachläst, werde ich ihn vor einen bekehrten halten, in welchen religion er auch sein mag, aber ehe nicht[16]. Ich glaube nun nicht mehr, daß Ihr ihn Ewer leben zu sehen bekompt. Es ist 10 geschlagen, ich muß nach bett; den ich habe morgen gar viel zu schreiben, muß wider frühe auffstehen. Gutte nacht! Ich behalte Eüch von hertzen lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Januar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 21–25
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1090.html
Änderungsstand:
Tintenfass