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Brief vom 1. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1092.


[030]
Paris den 1 Februari 1720 (N. 60).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte wider etwaß von Eüch bekommen werde, aber bekomme ich waß, werde ich heütte nicht drauff andtwortten, sondern es vor biß sontag sparen. Ich fange bey dem frischten [an], so vom 16 Januari, no 5. Man sagt, daß in gantz Teütschlandt ein so tiffer schnee gefahlen ist, das die postillions nicht fort können. In geschehenen sachen kan man sein pa[r]thie nehmen, aber wo viel zu fürchten ist, muß man geplagt sein, biß man sicht, wo es nauß will. In den 4 wochen, [031] so ich den husten gehabt, habe ich gar wenig geßen undt geschlaffen; drumb bin ich so mager worden, liebe Louise! Aber daß ist nicht zu endern. Selber sterben ist nicht daß gröste unglück, aber viel leyden in der welt, daß halte ich vor recht unglück. Es ist woll unmöglich, den seinigen hir im landt etwaß nutz zu sein; man ist ihnen nur beschwehrlich. Man sagt im frantzoschen sprichwort: On peut guerir du mal, mais non pas de la peur. So geht es mir auch. Es geht, wie ich sehe, alß wie der apostel Paullus klagt. Wen einem gott der allmächtige beystehet, halte ich es vor kein zeichen, daß es gott mißfahlen, waß man gethan. Wen man sorgt, ohne sich in gottes willen zu ergeben, daß halte ich vor schlim; allein sich in den willen gottes ergeben undt nur in ängsten zu sein, wen waß zu fürchten ist, daß glaube ich nicht, daß es gott mißfahlen [wird], weillen er selber unß dießes zuschickt alß unßer herr undt meister über alles. Also glaube ich, daß man es vor eine züchtigung ahnnehmen muß, so zwar betrübt, aber nicht verzweyffelt[1], durch die hoffnung, so man auff seine barmhertzig[keit] hatt, daß er sich unßer erbarmen wirdt alß ein güttiger vatter umb seines eingebornen sohns willen, auff dem wir allein all unßere hoffnung setzen müßen alß auff unßern einigen erlößer undt seeligmacher. So verstehe ich es, liebe Louise! Meine gesundtheit ist nun gar perfect, gott lob! aber ich bin nicht lustiger, alß ich war. Monsieur Le Fevre habe ich Ewer schreiben geschickt. Ich werde nie müde, meinen freünden zu dinnen, wo ich kan. Mein advocat, monsieur Le Roy[2], ist gar ein gutter, ehrlicher man, der gern waß thut, so mir gefehlt; daß wirdt er nie müde; es ist gar ein gelehrter man. Mich deücht, monsieur Le Fevre ist gar woll mitt ihm zufrieden. Er hatte letztmahl hoffnung, daß alles ein gutt endt nehmen wirdt, wie er mir vor ein par tagen sagte, da er hir in meinem cabinet bey mir war. Er sagte, daß, der ahm meisten auff den proces verpicht war, fengt ahn, von accommodement zu sprechen. Ihr habt woll groß recht, zu wünschen, liebe Louisse, daß Ihr den[3] schonburgischen affairen einmahl loß werden mögt. In solgen affairen kan [es] nie kein spaß geben, sondern nur viel mühe undt sorgen. Wie woltet Ihr Ewere schreiben artiger [machen]? Ihr schreibt woll, [032] liebe Louise, schönne handt, deütlich, ungezwungen. Waß solle man mehr ahn einem brieff begehren? Undt daß kan man keine albere, noch abgeschmackte brieff heißen. Die keyßerin[4] ist gar gewiß den 19 gestorben von vergangenen mont; den Churpfaltz secretarius von dem envoye, herrn Franck, hatt es mir heütte morgen gesagt, den er ahn meiner toillette kommen. Es ist, wie Ihr segt[5], gar gewiß[6]. Den herrn von Benterritter[7] sehe ich jetz[t] nicht halb mehr so offt, alß vor dießem; warumb, kan ich nicht wißen. Aber gott bewahre mich vor größer unglück! Ihr seydt woll glücklich, gesundte lufft zu Franckfort zu haben; den hir regieren die blattern undt röttlen ärger, alß nie. 6 kinder, so mitt dem könig in seinem balet dantzen solten[8], haben die kinderblattern oder röttlen; daß macht mich bitter angst vor unßern jungen könig. Unßer abtißen von Chelle hatt sich gar woll auß ihren rottlen gezogen, ist wider frisch undt gesundt[9]. Ich beklage die arme leütte zu Dresden; den [033] nichts ist abscheülicher, alß hungersnoht. Ich habe es anno 1693 hir gesehen, es graust mir noch, wen ich dran gedencke; habe leütte schwartz von hunger gesehen undt in den kirchen sterben sehen. Ich will abendts nicht dran gedencken, es thut mir noch wehe. Die pest ist doch nicht nach dieser abscheüliche[n] hungersnoht kommen. Es kan nicht war sein, daß eine von meinen freüllen zu Dresten; ich weiß, wo sie alle hin kommen sein, entweder gestorben, oder geheüraht. Aber alle menschen wißen woll, wo sie sein;[10] es muß also eine betriegerin sein, so sich vor eine von [meinen] freüllen außgibt. Keine hatt keinen Teütschen geheüraht, es seye dan, daß sich die Lopes de Villanowa, so sich zu Maintz geheüraht; ich haben[11] den nahmen vergeßen[12]. Sie ist eine witwe gewortten, kam daß letzte jahr, da der könig zu Marly war. Ich tractirte sie woll, ließ … wie sie mir aber propossirte, pressenten zu thun, da wusch ich ihr braff den kopff undt erinerte sie, wie wir von einander geschieden wehre[n], daß sie noch gott dancken [solle], daß ich sie woll hette sehen [wollen], bettlen aber wer viel zu viel[13]. Da entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 20 Januari, no 6. Es wirdt spat, ich muß schließen. Ich schicke madame Dangeau ihrer fraw schwester brieff. Ich kan nicht zweyffelen, daß der fürst von Murbach todt; den der neüe, so ich hir gesehen undt kenne, hatt mir geschriben. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 30–33
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1092.html
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