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Brief vom 3. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1093.


[033]
Paris den 3 Februari 1720 (N. 69).
Hertzallerliebe Louisse, es macht mich recht ungedultig, wen ich vernehme, daß man überall meine brieffe 2 undt zwey auff einmahl gibt Der printzes von Wallis, der königin in Preussen undt meiner dochter gibt mans auch so; nur die 2 königinen von Sicillien undt die verwitibte von Spanien gibt man meine brieffe einfach. Monsieur Harling bekompt sie auch doppelt. Aber waß will man thun? Es stehet nicht zu endern; ist noch viel, wen sie nicht gar [034] verlohren werden. Noch der zeit bin ich, gott seye danck, in ein[e]r gar volkommener gesundtheit; aber die husten regiren wider so starck zu Paris, mögten mich auch woll wider finden; will mich aber nicht vor der zeit bang sein laßen, will hoffen, daß Ewer gutt gebett mich davor behütten wirdt, liebe Louise! Wir seindt von einem geblüdt, wo nicht sehr zu fürchten ist, daß wir abergläubisch solten werden; den man könte es nicht weniger sein, alß I. G. s. der churfürst zu Pfaltz, unßer herr vatter, es ware. Wen man lang gesundt ist, muß man woll wider kranck werden. Hir seindt nun alle juwellen verbotten, perlen undt demanten[1]. Seyder Monsieur s. todt habe ich nichts, alß falsche perlen, getragen; sie gleichen aber denen, so ich vorher hatte, so perfect, daß alle menschen meinen, daß es dieselben sein. Ich war einmahl bey der königin in Englandt[2] zu St Germain, im husten sprangen mir die perlen vom hals; die königin wurff sich auff dem boden, die perlen zu suchen; ich hube die auff, sagte: Ah, madame, que V. M. ne prene pas cette peine! Je suis tres magnifique, je laisse mes perle[s] a vos gens. Die königin sahe mich ahn undt sagte: Dieu me le pardonne! A ce discour je crains qu’elle[s] ne soyent fausse[s]. Ich andtwortete: Madame, vous l’aves dit. Die königin hatte es nie gemerckt, noch niemandts. Man hört mehr, alß nie, von den verfluchten actionen undt primen[3] reden, bins erschrecklich müde undt finde verdrießlich, daß man kein golt mehr sicht, lautter zettel[4]. [035] Die historien enden nicht. Es ist war, daß mylord Stair[5] undt monsieur Laws[6] die beste freünde geweßen, sich aber nun wie den teüffel haßen; Laws hatt doch dem Stair 3 millionen gewinen [036] machen. Mein sohn ist persuadirt, daß Laws sisteme gutt ist undt dawern kan. Davon kan ich nicht judiciren; den ich verstehe es eben so wenig, alß wen man mir hebräische spräche. Es ist war, daß Laws undt seine kinder catholisch worden, aber die fraw helt noch fest[7]; sie ist zu beklagen. Die fraw were all hübsch, wen sie nicht einen weinflecken im halben gesicht hette, so sie sehr verstehlt[8]; sie hatt viel verstandt. Der combat von Alberoni ist war mitt dem[9] miquelets[10]; er hatt hertz, hatt sich dapffer gewehrt undt braff mitt pistollen geschoßen, auch daß felt erhalten. Der duc du Maine will sich nicht von sein[e]r gemahlin scheyden, aber er will sie nicht mehr sehen, welches madame la princesse sehr betrübt. Aber ich finde, daß er groß recht hatt; den solte er sich mitt sein[e]r gemahlin wider vereinigen, wirdt er nicht vor so unschuldig passiren können, alß er sich davor außgeben will. Ist er aber unschuldig, ist der tour schlegt, so ihm seine gemahlin gethan, alles in seinem nahmen, ohne sein wißen; daß ist nicht zu verzeyen undt desto weniger, daß es ihm ein gantzes jahr lang seine freyheit gekost hatt. Wen mein sohn nicht so gar gutt undt barmhertzig were, alß er ist, würde die sach all lengst ahm tag sein; aber alle leütte jammern ihn gleich, kan niemandts nichts zu leydt thun. Ich glaub nicht, daß ein beßerer mensch in der welt gebohren worden, alß eben mein sohn. Man kan mitt warheit sagen, daß sein großer fehler ist, gar zu gutt zu sein. Der modenische envoye hatt daß pottagram starck gehabt, aber er ist nicht gestorben, ist in frischer gesundtheit. Madame de Modene[11] wirdt, glaube ich, zu endt der andern wochen weg; ich wolte, daß sie schon weg were[12]. Sie hatt mehr alß 67 kleyder machen laß[en], es solle auff 80 kommen[13]; sie ist allezeit extreme in alles. Unter unß gerett, so fürchte ich, daß sie sich selber erschrecklich unglücklich machen wirdt. Aber ich [037] muß meine pausse machen undt mich ahnziehen. Dießen abendt werde ich Eüch wider entreteniren undt dießen brieff außschreiben, aber nun mich nur ahnziehen. Adieu, liebe Louisse!
Sontag umb 6 uhr abendts.
In dießem augenblick komme ich auß den Carmenlitten-closter undt kirch. Ich will Eüch lieber entreten[iren], liebe Louise, alß ins opera. Wist mirs keinen danck! den ich frage kein haar darnach, wie ich Eüch schon vor 8 tagen gesagt habe. Aber last unß auff Ewer liebes schreiben kommen, woran ich geblieben, heütte morgen geblieben war, nehmblich ahn den portugaisischen Juden, der sich vor einen abt außgeben undt falsche müntz gemacht hatt! Man solte dießem Juden wegen seiner invention gnade geben undt verzeyen; den die invention ist recht artig, sich einen puckel von den instrumenten zu machen; daß finde ich recht artlich. Ich habe heütte einen rabiner in mein[e]r cammer gehabt, wie ich geßen. Den habe ich gefragt, ob er dießen Portugaissen kendt; er sagt nein, den sie hilten die Portugaissen vor keine rechte Juden, ob sie sich zwar davor außgeben, undt hetten gar keine gemeinschafft mitt einander. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, wen Ihr noch waß von dem beschwerer[14] erfahrt, so last michs doch wißen! Ich glaube, man wirdt endtlich erfahren, daß die graffin undt ihr secretarius lautter landtleüffer undt filouen[15] seindt. Ich glaube, ich will errahten, waß daß vor eine dame ist, so sich vor eine von meinen geweßenen freüllen außgibt. Es ist ein mensch cammermagt bey meinen freüllen gewest, wie ich deren noch hatte; die ist, mitt verlöff, met verlöff, schwanger geworden. Man hatt sie, umb keinen esclat zu machen, gantz heimblich fortgeschickt. Diß mensch, so in der that eine demoisselle, aber gar arm war, nachdem sie hübsch niederkommen, ist sie zur königin in Poln, die gemeint, sie seye gar waß besonderes. Bey der königin in Poln hatt sie sich woll geheüraht undt ist hernach überall herumbgezogen. Die muß es sein, eine nahe verwantin von dem marquis de Rangonie[16], so hir gestorben. Von selbigen nahmen wirdt [eine] bey unßer printzes von Modene hoffmeisterin sein, wirdt nicht wenig zu thun haben. [038] Aber stille hirvon! last unß von waß anderst reden! Vor etlichen jahren were madame de Vantadour[17] auch schir vergifft [worden]. Ein apotecker hatt ihren leütten ahnstatt sel vegetal arseniq geben; ihr haußhoffmeister kam zu allem glück darzu undt kente den unterschiedt, sonst were die sach geschehen. Es wundert mich, daß man in Teütschlandt auch solche exempel hatt; den mich deücht, man ist in Teütschlandt viel sorgfaltiger in den apotecken, alß hir im landt. Aber wen ein Unglück geschehen solle, muß sich alles dazu schicken. Man braucht nicht die wegwahrtwurtzel in meinem grünen safft, sondern daß kraut[18]. Daß chicoré-waßer war nicht vergifft, womitt man feu Madame, meine vorfahrin[19], hatt umbgebracht, sondern die schahl, undt daß war gar woll bedacht; den in unßern tassen oder schallen darff niemandts drincken. Alle, die in der cammer waren, druncken das waßer, aber nicht in der schahl; die verlohr sich gleich, fundt sich erst 4 tag hernach wider. Man sahe woll, daß sie durchs feüer gegangen war, den sie war gantz schwartz. In Englandt sollen die schlagflüße sollen eben so gemein in Englandt sein, alß hir. Monsieur Fagon[20] gab dem villen dapack[21] schuldt, so man hir nimbt. Zu meiner zeit war kein Boltzing zu Heydelberg, auffs wenigst habe ich keinen von den nahmen gekandt. Wen die lahmung kompt bey dem schlag, ist daß leben salvirt. Seydt kein narr so, daß Ihr die schlimme mode folgt, den schlag zu bekommen, liebe Louisse! Ich habe kein lust, zu weinen, undt daß würde mich gar gewiß bitterlich zu weinen machen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben, so ich heütte morgen ahngefangen, völlig beantwortet. Ehe ich ins Carmelitten-closter bin, habe ich Ewer liebes schreiben vom 13 Februari[22], no 13, entpfangen; daß werde ich aber vor donnerstag sparen, wo mir gott alßden leben undt gesundtheit verleyet. Glückseelige nacht! Ich werde nur ein par wordt ahn mein dochter schreiben, nachdem ich Eüch versich[ert], daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louise, undt den zu bett.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 33–38
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1093.html
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