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Brief vom 4. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1094.


[039]
Paris, sontag, den 4 Februari 1720 (N. 61).
Hertzallerliebe Louise, ich kan nicht begreiffen, waß lust man nimbt, meine schreiben alß 2 undt 2 zu geben, wie ich noch auß Ewerem lieben schreiben vom 20 Januari, no 6, ersehen. Wo mir möglich ist, werde ich es heütte beantwortten. Aber hir [in] Paris kan man nicht von einer stundt zur andern sicher sein, waß man thun will; den es kompt einem immer waß anderst vor, welches woll ein widerliches leben ist, aber nicht zu endern stehet, derowegen auch nichts davon zu sagen ist. [Man muß] nur zufrieden sein, wen die brieffe ahnkommen undt nicht verlohren werden. Ich ging letzmahl expresse auß dem opera, damitt mein brieff ahn Eüch größer werden mogte; den ich weiß, liebe Louisse, daß Ihr gern lange brieffe von mir habt. Ihr werdet auß meine letzte ersehen haben, daß ich wieder gantz gesundt, gott lob, bin undt keinen husten mehr habe, alß meine alte pituit[1], die mir nie in der Pariser lufft [fehlt]. Aber daß kompt nur so ein augenblick morgendts undt abendts, den gantzen tag undt nacht [bin ich] frey davon, rechne also solches vor nichts mehr. Waß böß ist, findt sich alß geschwinde wieder ein hier; das gutte ist allein rar. Die Parisser lufft ist denen, so drin gebohren sein, nicht ungesundt, aber allen frembten, von welcher nation sie auch sein mögen, schadtlich, insonderheit unß Teütschen; ich habe es mein leben nicht gewohnen können. Der arme junge graff von der Lippe Bückenburg hatt auch braff den tribut bezahlt, [ist] nun wider woll, sicht doch noch gar spitz drein undt ist bleich. Es ist war, daß Paris undt Heydelberg in gleichen geradt sein[2], auch denselben assandant[3], nehmblich die jungfraw. Allein ich glaube, daß meines sohns letzt verstorbener docktor, so ein Teütscher undt gelehrter man war, den unterschiedt von dießen zwey örtern gefunden. Er hieß herr Humberg[4]. Er sagte, daß er einmahl in gedancken ging, warumb die Heydelberger [040] lufft so gesundt were undt die Parisser lufft so gar ungesundt, kam eben ahn ein ort, wo man die stein auffhube, daß pflaster undt endern[5] undt neüe pflasterstein einzusetzen. Er sahe, daß, wo man die steine heraußzog, war ein pechschwartzer koht drunter. Er nahm von selbigen koht, so ein schuhe hoch unter dem stein war, that es in ein papir, trug es nach hauß undt distilirts undt fandt, daß es lautter nietter[6] undt salpetter war, judicirte daher, daß, wan die subtillitet hir[von] von der stärcke der sonnen in die lufft gezogen [werde], müste es eine böße undt scharpffe lufft machen undt verursachen. Solches nietter komme von von so viel taußendt menschen, so auff den gaßen pißen[7]. Dießes raisonement vom herrn Humberg habe ich gar aparentlich gefunden. Ich werde jetzt gleich ahn Churpfaltz[8] schreiben. Ihr habt eben dran gemandt. Ich muß I. L. mein compliment über der keyßerin todt machen, werde nicht manquiren, vor Eüch in dießem brieff zu sprechen. Hette ich Ewer liebes schreiben nicht wieder überleßen, würde ich es gantz vergeßen [haben]; den seyder Churpfaltz sich so von den pfaffen regieren lest undt seine gutte pfaltzische unterthanen so plagt, hatt er bey mir gantz außgekocht[9] undt finde dießen herrn gar nicht, wie Ihr undt noch andere mir ihn beschriben hattet. Hirbey schicke ich Eüch, liebe Louisse, waß ich vor Eüch ahn Churpfaltz alleweill geschriben habe. Hirauß werdet Ihr sehen, daß es ahn meiner recommandation nicht liegen wirdt, daß Ihr nicht bezahlt werdet. Meine füße halte ich gar warm mitt drey par strümpff, undt die in der mitten seindt von castor[10]; sie seindt offt zu warm undt brenen mich wie ein fewer. Schir alle nachte regnet es hir; alles ist erschrecklich feücht, alle menschen klagen über flüße. Die kranckheitten regieren hir mehr, alß nie, insonderheit die kinderblattern undt röttlen. Ich fuhr gestern zu madame la princesse, so noch ihren rhumatisme ahm kopff hatt; ist doch gar lustig darhey. Ich führte mademoiselle de Clermont mitt mir in die commedie, so eine ittall[i]ensche war. In etlichen monat wirdt man I. L. nicht ahnsehen, daß sie die blattern gehabt; den ihre trais[11] seindt gar nicht geendert. Ich habe monsieur Le Fevre gestern gesehen. Der ist [041] sehr ambarassirt, hatt einen englischen freündt hir, so le chevallier Watter heist; dießem hatte ich seinen pasport verlengern machen, aber seyder dem hatt man ihm den pasport wider genohmen undt declarirt, daß er fort muß. Den mein sohn [sagt], daß er erfahren, daß dießer nicht allein schlimme discoursen gegen Franckreich führt, sondern auch, daß er 16 millionen hette nach Englandt gehen machen undt noch mehr millionen hinschicken wolte. Mein sohn, alß er mir dießes gesagt, hatt dazu gesetzt: Monsieur Le Fevre kan ihn [in] nichts nöhtig haben, alß in der schonbergischen sach. Drumb solte ich monsieur Le Fevre versichern, daß mein sohn ihm in alles favorable sein wolte, er also nichts ahm chevalier Watter verliehren [werde]. Monsieur Le Fevre habe ich alleweill hollen laßen, umb ihm dießes zu sagen. Ich thue mein leben nichts, worin verstandt erscheinen kan. Ich habe mir selber justice gethan, undt weillen ich wenig undt gar geringe opinion selber von meinem verstandt habe, die parthie genohmen, mich in nichts hohes, noch waß die regierung ahngeht, zu mischen; die frantzösche lufft, ambitieux zu werden, alles zu regieren wollen undt ambitieux zu werden, hatt mich, gott seye danck, noch nicht ahngesteckt, liebe Louise! Last es Eüch nicht betrüben, noch zu hertzen gehen, wen ich verdruß [habe! Es muß] so sein; weill ich ein mensch undt in der welt bin undt in ein landt, wo die leütte boßhafft undt falsch sein, da kan auffrichtigern gemühter nicht anderst folgen. Mitt der zeit ergibt man alles unßerm herrgott undt nimbt sein parthey. Aber die surprissen da kan man sich sogleich nicht ein finden. Suson[12] ist wider gesundt. Sie hatt einen stieffsohn, so 12 millionen in den actionen vom Missisipie gewuhnen[13] hatt; ihr stieffdochter ist also sehr reich, aber sie nicht. Viel leütte können die pomade divine wegen ihres gutten geruch nicht vertragen, gibt ihnen fapeurs[14], so sehr gemein hir im landt sein. Der abbé Dentrague[15] ist gantz entschuldigt, hatt nicht übel gerett, aber wie ich Eüch letzt bericht, sich durch seine kinderpoßen fangen laßen, alß wen er es mitt fleiß gethan hette[16]. Verstandt hatt er, er ist aber sehr imprudent. Ich hoffe, daß, nun die keyßerin todt, Churpfaltz sich gegen [042] seinen reformirten unterthanen adouciren wirdt; den sie war zu pfäffisch undt gegen die Reformirten. Gott gebe es! Der fürst von Murbach ist woll gar gewiß gestorben[17]; den ich habe ein schreiben von seinem successoren bekommen, so mir part davon gibt. Ich bin recht fro, liebe Louisse, daß Eüch die königin in Preüssen[18] so viel amitié erweist. Die gutten mahler kommen greüllich ab. In Ittallien selber seindt keine gutte mahler mehr. Daß contrefait, so man ahn mein[en] sohn vom printzen von Modene geschickt, ist … gemahlt. Aber ich muß meine pausse machen, mich ahnziehen; den ich muß zum könig.
Sontag, den 4 Februari, umb 9 abendts.
Ich[19] dießen augenblick komme ich auß dem opera. Es ist mir ohnmöglich geweßen, eher wieder zum schreiben zu gelangen, alß nun. Sobaldt ich ahngethan geweßen, bin ich zum könig, welchen ich, gott seye danck, in gutter gesundtheit gefunden. Er hatt mich zu seinem balet recht artlich eingeladen, so biß mitwog umb 5 abendts gedantzt soll werden. Wo mir gott biß donnerstag leben undt gesundtheit verleyet, werde ichs Eüch berichten, wie es abgegangen. Heütte haben wir einmahl eine gutte zeittung erfahren, nehmblich daß der spanische frieden gemacht ist. Der courir ist gestern abendts spat kommen, so dieße gutte zeittung gebracht hatt[20]. Ich hatte gehofft, noch auff eines von Eweren schreiben zu andtwortten, allein es ist mir ohnmoglich; den ich muß noch ahn mein dochter schreiben, kan Eüch nichts mehrers vor dißmahl [043] sagen in großer eyll, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, liebe Louisse!
Copie von waß ich ahn Churpfaltz geschrieben den 4 Februari 1720.
P. S.
Darff ich woll die freyheit nehmen, E. L. gehorsambst zu bitt[en], sich der armen raugraffin zu erbarmen? Die cammer zu Heydelberg ist ihr noch 20/m gülden schuldig, so eine gering objet vor einem großen churfürsten ist, wie E. L. sein, aber ein großer verlust vor eine arme reichsgräffin ist, so ja nur daß zu leben hatt, waß sie auß der Pfaltz zieht. E. L. seindt zu genereux, umb ihr daß ihrige nicht zu folgen laßen; sie ist ja die eintzige, so noch von allen den raugraffen überig ist. Ich würde E. L. sehr verobligirt sein, wen Sie die charitet vor sie haben wolten, ernstlich zu befehlen, daß sie bezahlt mögte werden.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 39–43
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1094.html
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