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Brief vom 11. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1096.


[044]
Paris den 11 Februari 1720 (N. 63).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe schon ahn mein dochter [045] geschrieben, kan Eüch also nun entreteniren, biß ich mich ahnziehen muß, umb in die kirch zu gehen. Dießen nachmittag werde ich nicht schreiben; den die versamblung von der gantzen hochzeit muß bey mir geschehen als großmutter undt die erste große dame bey hoff. Hernach werde ich mitt meinen kindern undt kindtskindern in kutsch undt sie zum könig au Thuillerie führen, wo die überleßung undt unterschreibung vom heürahtscontract undt hernach die versprechung vorgehen wirdt, so gewiß der cardinal de Rohan verichten wirdt, sowoll alß morgen der heüraht in deß königs meß. Biß donnerstag, so mir gott leben undt gesundtheit verleyet, werde ich Eüch verzehlen, wie alles abgangen, nun aber nur auff Ewer liebes schreiben andtwortten, so ich verwichenen donnerstag entpfangen vom 27 Januari, no 8. Es ist mir lieb, zu sehen, daß meine brieff, ob sie zwar zwey undt zwey undt gar langsam ahnkommen, doch endlich zu recht kommen undt nicht verlohren werden. Daß halte [weder] ich, noch niemandts hir vor ein kostlich geschenck, ein porte-lettre undt a-la-mode-schachtelgen; auch die geringsten geben einander dergleichen hir. Ich hatte Eüch ja daß gantz jahr durch kein schachtelgen geschickt. Daß habe ja versprochen, alle jahr zu thun, undt werde es auch thun, so lang wir leben werden, liebe Louisse! Frewet mich, daß Eüch daß biribi undt porte-lettre gefahlen hatt. Es konte noch kein biribi zu Franckfort [sein]; den dieße art schächtelger seindt erst dieß jahr inventirt. Man heist es biribi, weillen wie in dießem spiel kleine gemähls sein. Wen Eüer geburdtstag in kein ahnsehen bey andern ist, so ist er es doch bey mir, weillen ich Eüch so nahe bin undt Eüch lieb habe, liebe Louise! Der personen leben, so man lieb hatt, ist allezeit zu waß nutz, insonderheit wen man so wenig interessirt ist, alß ich, gott lob, bin undt mehr von freündtschafft helt, alß von interesse. Also habt Ihr mir nur zu viel vor die bagatellen gedanckt, womitt ich Eüch ahngebunden habe. Die figuren bedeütten nichts, seindt nur eine imitation von dem biribi, davon es den nahmen tregt. Bißher bin ich noch, gott sey danck, in gar volkommener gesundtheit. So lang mir kein chagrin zuschlegt, wirdt meine gesundtheit sich woll erhalten. Der chagrin in dießer boßen Parisser lufft ist mir allein schädtlich. Ich bin in sorgen doch vor meinen sohn, den könig undt unßerm duc de Chartre; den die ansteckende kranckheytten regieren stärcker, alß nie, zu Paris; 10 [046] kinder von denen, so mitt dem könig im balet dantzten, haben etliche die kinderblattern, andere die rödtlen[1]. Man weiß die kranckheitten hir im landt so wenig zu gouverniren, daß mir angst undt bang dabey werden solte, wen einer von dießen 3en sie bekommen solte. Unßere abtißin hatt große mühe, sich von ihren rödlen wider zu erhollen. Hir im landt hatt man keine precaution vor nichts; wen den ein unglück geschicht, seindt sie gantz [047] verwundert. Man solte mich außlachen, wen ich wachholder rauchern ließe. Paris ist nicht mehr [so] voll, alß es geweßen; daß theüere leben, so nun überal ist, hatt viel weg getrieben. Heütte ist alles golt undt silber verbotten, Louisdor undt thaller gelten nichts mehr, lautter billiet de banque undt pièces de 20 s[ols] gelten nur. Ich leyde nicht, daß man mir von millionen undt actien undt primen undt souscriptionen spricht. Ich kan nichts drin begreiffen undt ist mir zu langweillig. Ich kene keinen seelen-menschen in gantz Franckreich, so absolutte desinteressirt ist, alß mein sohn undt madame de Chasteautier[2]. Die alle andere, niemandts außgenohmen, seindt es recht spötlich, insonderheit die fürsten undt fürstinen vom geblüdt; die haben sich in der banque mitt dem commis herumbgeschlagen undt sonst, allerhandt schimpfflich sachen. Gelt regirt die welt, daß ist war; aber ich glaub nicht, daß ein ort in der welt ist, wo daß gelt die leütte mehr regirt, alß eben hir. Wen ich mitt I. L. dem alten landtgraffen von Darmstadt bekandt were, würde ich keine difficultetten machen, I. L. in billiet zu schreiben, wie ahn I. L. den landtgraff von Cassel, meinen vetter. Aber außer daß wir geschwisterkindt sein, so kene ich ihn von kindtheit auff, kan also freyer mitt ihm sein, alß mitt andern. Ihr werdet mir also einen rechten gefahlen thun, liebe Louise, I. L. dem landtgraffen durch seinen raht die rechte ursachen zu wißen zu thun, warumb ich nicht geantwortet habe. Es ist doch gar ein alter teütscher brauch, viel gevattern zu haben; ich habe auch gar viel patten gehabt, vom hauß Braunschweig den alten hertzog August undt hertzog Jorg Wilhelm, den alten landtgraff undt landtgraffin von Darmstatt, mein oncle, der landtgraff von Heßen, churfürstin von Brandenburg[3] undt ihre fraw schwester, printzes Cathrin, der churfürst von Maintz undt noch andere mehr, deren ich mich nicht mehr erinern kan. Also secht Ihr woll, liebe Louise, daß es ein gar alter brauch ist, viel gevattern zu haben. Man hatt in den zeittungen falsche gevattern undt andere, so es in der that sein, nicht drein; alß zum exemple man setzt dem könig hir undt den von Englandt alß gevattern; die seindts nicht, undt die printz[essin] von Wallis undt ich, die es in der that sein, nenen sie nicht. Mir [048] were es kein danck geweßen, wen Ihr mir vor meinen glückwünschungen thé, caffé undt chocolade geben hettet; ich nehme keines von allen 3en. Daß were übel gewest, wen Ihr Eüch einen geburdtstag mitt affairen geblagt [hättet]; den man sagt, daß, wie man den geburts- undt neüjahrstag zubringt, bringt man daß gantze jahr zu; ist beßer, daß Ihr Eüch deßwegen mitt gutter geselschafft amussirt habt. Ich glaube, ich habe Eüch schon gesagt, wie ich den armen Schulenburg gekandt habe[4]; habe ihn also recht beklagt. Er war schön von gesicht, aber die taille war nicht gar loblich, zu dick. Nun komme ich auff Ewer liebes schreiben von 23, no 7. Von der post werde ich nichts mehr sagen, weillen Ihr meine schreiben … Aber da kompt man mir sagen, daß es zeit ist, eine pausse zu machen undt mich ahnzuthun. Dießen nachmittag hoffe ich noch ein par wordt zu sagen können. Mein brieff wirdt doch nicht klein heütte sein, weillen da schon 9 gutte seytten sein. Ihr wist nun, wie trawerig der fürstin von Ussingen reiß abgangen, also sage ich nichts mehr davon. Aber es ist spatt, ich muß wider willen auffhören.
Sontag umb ein viertel auff 11 nachts.
Ich hatte gehofft, dießen nachmittag wider zum schreiben zu gelangen, aber es ist ohnmöglich gefallen wegen der ceremonie, so wir heütte hir gehabt haben[5], wie ich Eüch schon gesagt, liebe [049] Louisse! Adieu! Ein ander mahl ein mehrers, nun aber versichere ich nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 44–49
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1096.html
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