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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
Paris den 15 Februari 1720 (N. 64).
Hertzliebe Louise, mein gott, wie habe ich heütte einen
fatiganten tag! Heütte morgen hab ich von halb 8 biß umb halb
4 viel brieff geschriben, ahn hertzog von Lotteringen, ahn mein
dochter wegen affairen, die gar verdrießlich sein. Ich hatt durch
einen courir geschrieben, den sie mir geschickt hatten. Dieß ist
nicht so baldt wider abgefertigt worden, so ist ein neüer courier
ahnkommen mitt [einer] handt voller paprassen
[1] undt lautter verdrießliche
sachen; die will ich aber erst nach dem opera leßen. Aber damitt
ich wider auff meinen recit komme, so habe ich heütte morgen noch
ahn Churpfaltz geschrieben undt auff zwey brieff von monsieur
Harling geantwortet. Hernach habe ich mich ahngezogen, bin zum
könig gefahren
[2], hernach wider her, in kirch, hernach ahn taffel.
Nach dem eßen ist ein courir kommen vom hertzog von Lotteringen;
der hatt mir große paprassen gebracht. Hernach bin ich in kutsch
undt zur hertzogin. Da komme ich her; aber da rufft man mich,
umb ins neü opera zu gehen; ich habe es versprochen
[3].
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Donnerstag umb 10 uhr abendts.
Mein gott, wie habe ich ein langweillig opera gesehen! Es
hatt bey 4 stunden gewehrt. Nun muß [ich] schlaffen gehen; daß
opera hatt mich gantz eingeschläffert, daß ich schir nicht mehr
weiß, waß ich sage. Ein ander mahl hoffe ich beßere gelegenheit
zu finden, Euch einen großen brieff zu schreiben; aber vor dießmahl
muß ich schließen. Gutte nacht, hertzallerliebe Louisse! Ich bin
recht gritlich, habe 5 oder 6 verdrießliche sachen im kopff, eines
ist immer ärger, alß daß ander. Es mögt ein[e]r zum narr[e]n
werden, zu sehen, daß keine raison mehr in der weldt zu finden undt
die weldt wie vertrehet ist undt gantz verkehrt. Adieu, liebe Louisse!
Ich muß wider willen auff[hören], nur noch sagen, daß Ihr mein
bößes exempel gefolgt undt Ewern letzten brieff nicht chiffrirt hatt;
solte no 9 haben. Ich mag lustig oder gritlich sein, so behalte ich
Eüch von hertzen lieb.