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Brief vom 21. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1106.


[086]
Paris den 21 Mertz 1720 (N. 77).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe ich[1] vergangenen sontag bericht, wie daß ich zwey Ewerer lieben schreiben auff einmahl entpfangen habe, alß nehmblich daß von 2 undt 5ten dießes monts, no 18 undt no 19, wehrde meine antwort bey dem frischten ahnfangen. Ich weiß nicht, warumb Eüch die post fehlt; den ich schreibe alle posten. Vielleicht finden sie er[2] artlich, alß zwey undt zwey paquetten auff [087] einmahl zu geben. Ich sehe aber nicht, worinen dieße gentillesse bestehet. Die zeittungen haben war gesagt, unßer duc de Chartre[s] ist wider frisch undt gesundt, ist sehr gewacksen undt jetzt größer, alß ich, welches er vor seiner kranckheit nicht war; kam gestern wieder von Seve[3], wo er 12 tag lang die frische lufft genohmen[4]. Man sichts ihm nicht mehr ahn, daß er so kranck geweßen. Ich gestehe, dießer bub ist mir sehr ahm hertzen gewacksen, habe ihn lieber, alß alle seine schwestern; aber meinen sohn habe ich noch unvergleichlich lieber. Mein enckel fehlt nicht von verstandt, allein er hatt eine solche facilitet, daß ihn auch die allereinfältigsten leütte verführen können, wen sie ihm nur sagen, daß, waß sie ihm propossiren, die mode unter den jungen leütten ist, undt sie ihn außlachen werden, wen er nicht thut wie sie. So gutt mein sohn auch ist undt jederman guts undt gnaden thut, so ist er doch sehr gehast; den die Frantzoßen seindt so abscheülich interessirt, daß, wen sie keine millionen gewinen, meinen sie, man zige es ihnen ab, undt haßen deßwegen ohne auffhören. Es ist, glaube ich, keine undanckbare[re] nation in der welt, alß die Frantzoßen[5]. Frantzoßen verachten, wen man zu sanfft mitt ihnen verfährt; sie recht in zaum zu halten, müßen sie forcht undt hoffnung haben; den wen sie nichts zu [hoffen] haben, suchen sie, anderwerdts waß weytter zu bekommen, insonderheit wen sie nichts zu förchten haben. Aber wen man ihnen forcht einjagt undt dabey hoffnung gibt, so dienen sie recht woll. Hir weiß man noch nicht, daß mein vetter in Schweden könig geworden. Aber wie weiß man es nicht eher durch Cassel, alß über Dresden? Daß macht mich ahn dießer zeittung zweyfflen. Gott gebe, daß ich mich betriege! Aber da kompt Chausseray[e]. Ich muß ein wenig mitt ihr plauttern. Dießen nachmittag werde ich ferner auff Ewer liebes schreiben andtwortten, nun aber meine pausse machen.
Donnerstag, den 21 Mertz, umb 7 abendts.
Waß man le diable au contretemps heist, der hatt mich heütte [088] woll abscheülich lenternirt[6], habe nicht eher, alß nun, wider zum schreiben gelangen können. Gleich nach dem eßen bin ich entschlaffen, hernach habe ich viel brieff bekommen, die habe ich geleßen, unter andern eines von Eüch, liebe Louisse, von 9, no 20. Es seindt mir auch alle augenblick interuptionen kommen, biß auff den envoyes von Holstein, monsieur Dumont; der hatte mich gebetten, ihm einen brieff zu geben vor den baron von Goertz, umb ihn einen saxsischen edelman zu recomandiren, einen baron von Reichenbach; den brieff habe ich schreiben müßen. Ich fürcht, ich werde morgen, da es mein großer schreibtag ist, vissitten thun müßen; den es geht ein geschrey, alß wen die junge duchesse[7] gestorben sein solle, welches kein wunder were; den sie ist gar übel, hatt heütte morgen alle ihr sacrementen entpfangen, undt ist so[8] gestorben, muß ich morgen zu alle ihre mütter, die rechte mutter, schwiegermutter undt großmutter, wie auch alle geschweyen[9] undt schwester; daß ist eine fatiquante sach. Ich glaube es noch nicht; den wen es war wehre, hette es mir gewiß madame la princesse sagen laßen[10]. Ich komme nun auff Ewer liebes schreiben vom 9, welches daß frischte ist, welches, wo mirs möglich ist, ich noch heütte hoffe zu beantwortten. Ich habe woll gedacht, alß ich auß Ewerm lieben brieff vom no 19 gesehen, daß Eüch eine post von mir gefehlt hatt, daß man Eüch wieder zwey auff einmahl von den meinen geben würde. Daß ist unleydtlich; aber waß will man thun? Es stehet nicht zu endern. Ah, da kompt mein sohn [und] seine [089] gemahlin. Gott weiß, wen ich einmahl auff Ewere liebe schreiben werde antwortten.
Umb 9 abendts.
Mein sohn undt seine gemahlin haben mir ihren sohn hergeführt, ihnen zu helffen, diß junge[11] bürschgen zu predigen. Daß hatt mich bißher auffgehalten undt nun muß ich enden, den ich muß nach bett; den morgen muß ich früh auffstehen, umb ahn die princes von Wallis zu schreiben; den den gantzen nachmittags[12] muß ich die betrübten besuchen undt daß leydt klagen[13]. Es ist also zeit zu, zu enden. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 86–89
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1106.html
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