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Brief vom 30. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1109.


[100]
Paris den 30 Mertz 1720 (N. 80).
Hertzallerliebe Louisse, ich will heütte ein wenig ahnfangen, Eüch zu entreteniren; den sontags kan ich gar schwehrlich dazu gelangen, insonderheit morgen, da es Ostertag ist undt wir morgendts in die pfahrkirch müßen undt nachmittags in die vesper undt salut, welches mir wenig zeit zu schreiben überlaßen wirdt. Ich war vergangenen donnerstag geblieben ahn Ewer liebes schreiben vom 16 dießes montz, no 22, wo Ihr sagt, liebe Louise, daß es Eüch ahngenehm solte sein, meine stim zu hören; aber ich fürchte, sie würde Eüch erschrecken, liebe Louise! Den ich habe eine so rauhe stim, daß man offt, wen ich meine, ahm freündtlichsten zu sein, glaubt, daß ich zörne. Ich spreche ordinarie, alß wen ich eine[n] rauen halß hette. Jetzunder befinde ich mich, gott lob, sehr woll. Daß ist eine schlime gewohnheit, so Churpfaltz nimbt, viel zu versprechen, wenig zu halten. Aber daß seindt pfaffenpoßen, so allezeit, wer sich von ihnen regieren lest, hundert fehler thun machen. Aber da schickt mir le diable au contretemps neüen ambaras. Gott weiß, wen ich wieder zum schreiben werde gelangen können.
Sambstag umb halb 7 abendts.
Seyder ich auffgehört, zu schreiben, liebe Louisse, hab ich viel sachen gethan. Erstlich bin ich die arme marquise d’Alluye gleich nach dem eßen besuchen gangen. Sie ist ein wenig beßer, hatt aber eine schlimme kranckheit, nehmblich 85 jahr; sie ist aber gar nicht kindisch, kan noch recht lustig sein, ist eine rechte gutte fraw; were mir leydt, wen sie sterben solte. Von dar bin ich in kutsch mitt meinen 2 damen, Lenor undt madame Börstel, zu madame la princesse, wo ich eine gutte stundt geblieben. Ihr enckelin, die printzes de Conti, ist hin kommen. Wir beyde haben unßer bestes gethan, madame la princesse ein wenig auffzumontern; den sie kan sich nicht über madame la duchesse todt trösten. In einem fall hatt sie recht, den es war von allen ihren kindern undt kindtskindern die sie ahm li[e]bsten hatte undt welche ihr den grosten respect erwieße; alle andere leben übel mitt ihr; aber ihre threnen werden sie doch nicht wider bringen undt sie macht sich nur matt undt kranck mitt. Von madame la princesse bin ich wieder übers [101] waßer au Pont Royal undt zu unßer großen princesse de Conti. Die hatt daß continuirliche fieber mitt gar großen haubtschmertzen. Wie ich herein kommen, habe ich all meine enckeln außer den duc de Chartre[s] hir gefunden; die haben mich lang amussirt. Also werde ich dießen abendt nicht viel schreiben können, noch morgen auch, wie ich Eüch schon gesagt habe. Da kompt Alvarès herrein undt bringt mir ein schreiben von unßer lieben printzes von Wallis, so gar frisch ist.
Ostertag, den 31 Merts, umb 9 uhr morgendts.
Ich habe noch 3/4 stundt hir in meiner cammer zu sein, ehe ich mich ahnkleydte, will Eüch also, liebe Louise, noch ein wenig entreteniren. Ich bin ahn Ewern lieben brieff, wo Ihr sagt, daß Churpfaltz gutte wortte gibt, aber kein gelt. Man hatt mir in vertrawen gesagt, Churpfaltz hätte man persuadirt, daß Ihr die Reformirten gegen ihm auffgehetzt habt; aber ich glaube, die arme leütte hatten nicht von nohten, auffgehetzt zu werden, wahren ohne daß betrübt genung, daß man ihnen ihre Heyllige-geist-kirch genohmen[1], ohne nöhtig zu haben, daß man sie deßwegen auffstifft. Aber daß [102] seindt lautter pfaffische poßen. Pfaffen seindt die ungerechtste leütte von der welt in allen religionen, alle geitzig, interessirt undt ambitieux. Gott wolle dem churfürsten über dießer ungerechtigkeit die augen offnen! Ich glaube nicht, daß Ihr einige kauffman zu Ewern banco-brieffen finden werdet. Den wer wolte Churpfaltz banco-brieffen trawen, die so unrichtig bezahlt werden? Klaglieder Jeremias schickten sich in der carwoche, da singt man sie mitt einen[2] widerlichen gesang à Ténèbre[s]. Nichts ist gemeiner jetzt hir, alß dieb undt mörder. Gestern hatt man noch in einem zichbrunen dans la rüe de Quinquampois[3] 4 todten körper gefunden undt vor etlichen tagen seindt 20 todten corper in den fischgarn zu St Clou gefunden worden, so leütte sein müßen, so man ins waßer geworffen, welches schir alle nacht geschicht. Aber nun [muß] ich abermahl eine pausse machen, umb in die pfarkirch mitt meinem sohn zu fahren; daß wirdt von 11 biß 1 uhr wehren.
Ostertag, den 31 Mertz, umb halb 7 abendts.
Da kommen wir auß dem closter, wo ich wesperpredig undt salut gehört, habe also, gott lob, heütte [nicht] mehr zu betten, werde Eüch also noch eine par stundt entreteniren. Ich war ahn die mor[d]thaten geblieben, so in der rüe de Quincampois vorgangen. Das ist, gott lob, zum endt. Man hatt außruffen undt affichiren laßen, daß niemandts mehr hin solle, noch sich dort versamblen, ohne taußendt thaller amande bezahlen undt noch dazu ins gefängnuß gehen. Ich bin so fro, daß dieße sach zum endt ist, umb nichts mehr davon zu hören. Ich wolte, liebe Louise, daß Ihr reich genung wehret, umb die dieb zu förchten, liebe Louise! In Englandt stiehlt man, aber man mordt nicht, wie hir. Alle tag hört man neüe historien von den banqzetteln. Ich finde es recht verdrießlich, daß man kein golt mehr sicht[4]; den es ist 48 jahr, daß ich alß golt im sack getragen habe, undt nun nur silberne stückger, wie unßere halbe batzen sein; die seindt doch 30 sol werdt, werden aber alle mont abnehmen. Es ist gewiß, daß monsieur Laws[5] abscheülich gehast ist. Mein sohn hatt mir heütte etwaß in der kutsch gesagt, so mich so touchirt hatt, daß mir die threnen drüber in den augen kommen sein. Er hatt gesagt: Le peuple a dit quelque chose qui [103] m’a tont à fait touches le coeur, j’y suis sensible. Ich fragte, waß sie den gesagt hetten; so sagte er, daß, wie man den comte de Horn gerahtert[6] hette, hetten sie gesagt: Quand on fait quelque chose personellement contre nostre regent, il pardonne tout et ne le … mais quand on fait quelque chose contre nous, il n’entend point raillerie et nous rend justice, comme vous voyes par ce comte de Horn. Daß hatt mein sohn so penetrirt, daß mir, wie schon gesagt, die threnen drüber in den augen kommen sein. Daß monsieur Laws keine boße intention hatt, erscheindt woll darauß, daß er viel gutter kauff[t] undt all sein groß gelt in landtsgütter steckt; muß also woll im landt bleiben. Daß er selber von seiner arbeydt profitiren [will], ist doch billig. Daß er gelt nach Englandt, Hollandt undt Hamburg solle geschickt haben, kan ich nicht glauben. Er macht die zu starck abstraffen, so es thun; were er selber in der fautte, würde man ihn ahnklagen. Mein sohn verstehet die finance-sachen auff ein endt. Ich glaube, daß ich Eüch schon gesagt, wie daß ich gar woll gerahten mitt dem papst undt Alberonie, daß es lautter schelmerey ist undt er ist wider auff freyen fuß gestelt[7]. Hir wirdt man keine falsche Louis sehen; den man sicht nirgendts keine, haben keinen cours mehr. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vom 16, no 22, durch[aus] beantwordet. Ich komme auff daß, so ich dießen abendt entpfangen vom 19, no 23. Von der post will ich nichts sagen; sie ist unleydtlich, immer meine brieffe eine post auffzuhalten undt hernach zwey undt zwey zu lieffern, alß wen sie es einem zum poßen theten. Es ist doch noch viel, daß die brieffe nicht verlohren gehen. Es ist vorgestern noch ein limonadier gefunden worden, so ermordt war, weillen er 100/m thaller en billiet bey sich getragen hatte. Alle tag hört man dergleichen. Die leütte in Franckreich seindt woll die interessir[te]ste leütte von der welt, wagen alles auff galgen undt radt, wen nur waß zu gewinen ist; man dint hir mehr dem gott Mamon, alß unßerm herrgott. Man thut woll, die betrieger abzustraffen. Man hette den betriger in Saxsen nicht köpffen sollen, sondern hencken; den man singt in Pourceaugniac: La poligamie est un cas, est un cas pendable[8]. [104] Den brieff von der fürstin von Usingen habe ich ahn madame Dangeau geschickt. Ich bitte Eüch, danckt der fürstin von Ussingen, ahn mich zu gedencken! Madame Dangeau ist weder interessirt, noch von bößem humor, also kein wunder, daß sie sich leicht mitt ihrer schwester vergleichen können. Die seindt nicht zu beklagen, so so seelig sterben, wie der fürst von Murbach. Ich weiß gar viel geistlichen, so gar vergnügt in ihrem standt sein undt nicht weldtlich sein wolten. Daß kan ich nicht begreiffen; den so zuwider es mir auch ist, ein weib zu sein, so bin ichs doch noch lieber, alß ein geistlicher. Dießer standt were mir recht unleydtlich. Die Heydelberger solten doch woll gewont sein, ihren churfürsten mitt seiner famillen zu Manheim zu wißen; den wir wahren ja gantze sommer dortten. Aber waß mir abgeschmackt vorkommen, ist, daß man sagt, der churfürst wolle die Neckerbrück abbrechen undt zu Ladenburg bawen laßen. Daß kan sein, wie ein Jud einmahl zu Heydelberg sagte: Verheytter[9] hab ichs nicht erlebt. Hiemitt seindt Ewere zwey letzte liebe schreiben vollig beantwortet, bleibt mir nichts mehr überig, zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 100–104
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1109.html
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