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Brief vom 5. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1119.


[135]
St Clou den 5 May 1720 (N. 90).
Hertzallerliebe Louise, meine aderläß ist mir all zimblich woll bekommen, aber l’eau de chicorée nicht zu woll; es hatt mir magenwehe undt einen gar starcken durchlauf geben, den seyder gestern abendts bin ich 8 mahl gar starck gangen. Aber daß wirdt schon wider vergehen. Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 20 April, no 32. Ich habe so ein schlimmes gedachtnuß, liebe Louise, daß ich nicht weiß, ob ich gebetten habe, die graffin von Sarbrücken zu dancken, so obligent von mir gesprochen zu haben. Ich hoffe, daß es Eüch ein wenig verenderung geben wirdt, so viel Ewers gleichen ahn graff[en] undt gräffin[nen] vom reich zu sprechen. Ewere zwey landtkartten, so Ihr mir, liebe Louise, ges[ch]ickt undt wovor ich Eüch nochmahlen von hertzen dancke, konten nicht apropoer kommen, alß sie kommen sein; haben mich den gantzen tag nach meiner aderläß amussirt. Die waßerfluht ist etwaß abscheuliches, jammert einem recht. Deß königs in Schweden[1] geschwindes endt macht moraliseren auff die eyttelkeit dießes lebens, wie baldt alles, waß wir ahm grösten halten, in einem augenblick verschwindt. Es ist mir recht lieb, daß mein vetter[2] könig geworden. Ich habe es Eüch schon gesagt, liebe Louise, undt wie sein herr vatter, der landtgraff, mir part von seines sohns erhöhung geben. Wie ich von der sach habe reden hören, werden woll keine [136] erben kommen. Der neüe könig in Schweden solle einmahl einen gar gefährlichen Schuß in den lenden bekommen haben, so gar schlim ist, umb erben zu haben. In allen meßen seindt dieben[3]. Ich wuste woll, daß die Juden im schachern betriegerisch undt gefahrlich, aber vor rechte diebe meinte ich nicht, daß sie gehalten würden, verdinnen die brügelsuppen woll, wen sie ertapt werden im stehlen. Es geht mir, wie Eüch, liebe Louise! Ich bin gantz persuadirt, daß die welt schlimmer ist, alß sie geweßen. Es mag auch woll sein, daß wir die welt nicht so woll gekandt haben, alß nun. Aber nun muß ich auch meine pausse machen, werde dießen nachmittag zeit genung zu schreiben haben vor undt nach der kirch; den wegen meinen dribsdrill werde ich heütte nicht außfahren. Es endert sehr, wen man die peruque[4] nimbt oder abzieht. Es seindt viel leütte, welchen die eygene haar gar übel stehen; mein sohn ist von denen.
Sontag, den 5 May, umb 3/4 auff 6 abendts.
Ich bin so abgematt geweßen von meinen 5 promenaden, so ich heütte morgen gethan, daß, so baldt ich von taffel bin kommen, bin ich entschlaffen. Meine 3 enckellinen seindt hir eßen kommen undt ich bin doch entschlaffen, ob die kinder zwar geloffen undt gerast haben, bin erst wacker [geworden], wie man in die kirch geleütt. Wie ich wieder auß der kirch bin kommen undt hab schreiben [wollen], habe ich viel brieff bekommen, die ich habe leßen müßen, eines von der printzes von Wallis von 20 bogen, eines von der printzes von Modene von 4 seytten, von der königin von Sicillien von 24 bogen, eines von Eüch, liebe Louisse, vom 23 April, no 33, aber daß werde ich erst biß donn[e]rstag beantwortten, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Wie ich alles außgeleßen undt gemeint, ich würde schreiben können, so ist auff einmahl mein sohn ahngestochen kommen. Mitt dem habe ich ein stündtgen mitt ihm geblaude[r]t, habe ihm auch die kartten gewießen, so Ihr mir [geschickt], mitt welchen er sich sehr amussirt hatt. Nun ist er zu nacht eßen gangen, da werde ich vollendts auff Ewer erstes liebes schreiben andtwortten. Mein gott, wie jamert mich unßere printzes von Wallis! Ihr herr sohn ist wider gar kranck. [137] Ich fürcht, es wirdt endtlich übel ablauffen. Gott bewahre unß davor undt laße der[5] liebe printzessin kein solch Unglück erleben! Es graust mir recht davor, nur dran zu gedencken; will von waß anderst reden, umb mich dieße abscheüliche idee auß dem kopff zu bringen. Ich war heütte morgen geblieben ahn die leütte. denen die eygene haar so übel stehen, alß baron Goertz undt mein sohn. Der könig pflegte alß zu sagen: Vostre fils n’est pas lait, quand il a une peruque; mais quand il porte ces[6] cheveux, c’est le plus villain homme que je cognoisse. Wo mir recht ist, so hab ich den casselischen baron Goertz einmahl hir gesehen. Ich habe gestern den kleinen secretarius Grevenbruck commission geben, ahn den cammerpressidenten zu Heydelberg zu schreiben undt ihn von meinetwegen zu solicittiren, daß er Eüch bezahlen mag. Grevenbruck sagt, daß der cammerpresident der faullste man von der welt ist undt nie nichts außmacht. Ihm ist man noch alles schuldig; so lang er zu Paris ist, hatt man ihm nichts geschickt; daß ist doch auch abscheülich. Wie ich sehe, so ist es in allem ein schlechter ahnstalt zu Heydelberg. Aber wo ist Churpfaltz verstandt hinkommen, den ich von Eüch undt von allen denen, so ihn gekandt haben, wie er noch printz Carl war, [habe rühmen hören]? Den ich glaube, daß er sich von seinen bedinten bestellen[7] lest. Der kleine secretarius weiß kein wordt davon, daß die printzes von Sultzbach[8] wider ein böß kindtbett gehabt hatt. Aber man hatt groß unrecht, sie reitten zu laßen, wen sie schwanger ist, insonderheit da I. L. schon 2 mahl böße kindtbetter gehabt haben. Nichts ist verdrießlicher, alß wen le diable au contretemps sein spiel hatt undt alle augenblick verhindernüßen schickt. Ihr, wen Ihr Ewere schriefft vor heßlich halt, waß sagt Ihr dan von der meine, liebe Louisse, die gar gewiß der Ewerigen gar nicht beykompt? Da kompt mein sohn wider herrein, muß also schließen, liebe Louisse, undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß wie ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 135–137
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1119.html
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