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Brief vom 12. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1121.


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St Clou den 12 May 1720 (N. 92).
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar abermahlen mitt einem gar starcken dribsdrill behafft bin, so will ich doch heütte auff Ewere liebe schreiben andtwortten; den obschon mein durchlauff starck ist, so ist es doch, gott lob, ohne schmertzen, wirdt mich also nicht ahn schreiben verhindern. Seyder daß wüste chicoréwaßer ist mein magen nicht wider zu recht kommen. Ich bin nicht so erhitzt, wie die frantzösche damen sein, habe nicht so viel rafraichissement von nöhten. Daß, hoffe ich, wirdt monsieur Teray eine lehre sein, mich nicht mehr auff frantzösch zu tractiren; es mat[1] mich zu sehr ab. Ich habe mein leben nichts von den remeden de précaution gehalten, nun weniger, alß nie. Madame d’Orleans hatt auch remede de précaution brauchen [müßen], so ihr gar übel [bekommen]; den nach ihrer aderlaß, so sie verwichenen donnerstag gethan, hatt sie daß fieber mitt starcken kopffschmertzen bekommen. Daß sicherste in meinem sin ist, waß zu brauchen, wen man kranck ist; aber wen man f[r]isch undt gesundt ist, wie ich war, alß man mir zur ader gelaßen undt das verfluchte chicoréewaßer drincken machen, hette man mich in ruhe laßen sollen. Ich habe es woll gedacht, aber hette ich mich dem docktor widersetzt, hetten alle leütte gegen mir geruffen undt mich geplagt, habe also woll nach ihrem undt nicht nach meinem sin thun müßen. Sie mögen nun sehen, wie sies wider gutt machen, waß verdorben! Aber ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 27 April, no 34, so ich vergangenen donnerstag entpfangen habe. Hertzliebe Louise, ich endere nie, man gebe mir den ursach dazu; also können alle die, so ich lieb habe, bey sich selbsten wißen, ob ich vor sie geendert [145] bin oder nicht. Ich bins nicht allein, so Ewere callenderger undt zahnstocker artig gefunden. Alle die, so es gesehen, haben es recht woll gearbeydt gefunden, undt wie ich Eüch schon vergangen donnerstag gesagt, so habe ich madame Dangeau daß silberne calendergen [geschenkt]. Sie hatte eine lust darnach wie eine schwangere fraw. Daß goltene calendergen undt daß silbern bücksgen mitt zahnstöcker habe ich noch im sack. Ich kan ohnmöglich loben, waß ich nicht artig finde; bin hirin nur gar zu natürlich. Aber wen gleich dieße sachen nicht so artig wehren, alß sie in der that sein, so würde ich doch gewiß Ewern gutten willen ahnsehen, liebe Louisse, undt es Eüch danck wißen, auff der meß ahn mich gedacht zu haben. Ich habe keine kundtschafft in Schweden; also wen Ihr mir, liebe Louisse, von den medaillen von neüen könig[2] bekommen könt, werdet Ihr mir einen großen gefallen thun, sie mir zu schicken. Daß ist gar gewiß, daß dießer könig allein undt ohne seine gemahlin regieren wirdt. Wie man sagt, so ist es ohnmöglich, daß dieser könig erben bekommen[3]; solle einen schuß in den lenden bekommen haben, so ihn undüchtig dazu macht, welches woll schadt ist. Printz Wilhelm undt landtgraff Max werden die casselische linien erhalten müßen. Es muß ein falsch geschrey, gott lob, sein, daß die printzes von Sultzbach ein böß kindtbett gehabt. Der kleine secretarius Grävenbruck würde es mir gesagt haben, wen es war wehre; er weiß kein wordt davon; ich habe es ihm auch nicht sagen wollen, daß ichs gehört. Wen der churfürst die arme Heydelberg[er] so plagen will, gemandt es mich ahn die kinder, so in der[4] lufft speyen, daß es ihnen selber wider auff die naß felt; den da kan dießer churfürst kein vortheil von haben, sondern nur selber verlust undt chagrin. Mein gott, wie kan man sich so von den wüsten pfaffen bethören laßen, wen man verstandt hatt, wie Ihr versichert, daß dießer herr hatt! Alle menschen fürchten die pfaffen, es seindt gar gefährliche leütte; drumb darf man dem churfüsten die rechte warheit nicht sagen, er wirdt mitt schaden weiß werden. Daß ist gar zu abgeschmackt, daß der churfürst sich informirt, welche[r] religion die armen seindt, umb ihnen nichts zu geben, wen sie reformirt. Man hatt mir woll allezeit gesagt, daß viel drincken daß hirn schwecht. Schwetzingen ist ein ahngenehmer [146] ort, den ich alß geliebt, wie auch Friderichsburg, so nicht mehr ist, aber doch noch Manheim. Ahn die zeitten zu gedencken, macht mir daß hertz schwer. Ich habe es heütte ohne daß schwer, den ich habe gestern abendts, ehe ich schlaffen gangen, den todt von einen von meinen gutten freündinen erfahren, die comtesse du Rour[5]; war ein ahngenehme fraw geweßen, war hofffreüllen bey meiner vorfahrrin, feu Madame[6], geweßen undt der duchesse de la Valliere gespillin. Sie ist ahm pottegram gestorben, welches sie schon seyder etliche jahren so ellendt gemacht, daß sie nicht auß dem bett hatt kommen können. Ich glaube, daß, wen Ihr, liebe Louisse, so braff, met verlöff, met verlöff (wie die fraw von Woltzogen alß pflegt zu sagen), scheißen köntet, alß ich, würdet Ihr Eüch gewiß beßer befinden. Es setzen sich offt humoren vom miltz in die seytten. Mir geschichts so offt, deßwegen gibt man mir alle 6 wochen schir den grünen safft, meine seytte zu lehren[7]. Morgen wirdt man mir den safft wider geben. Ich glaube, ich werde übermorgen so matt sein, daß ich keinen fuß werde vor den andern stellen können. Da kompt monsieur Lefevre herrein. Er hofft, daß in der zukünftigen woche alle seine sachen zu endt gehen werden. Ich wünsche von hertzen, heütte zu vernehmen, daß Ihr wider woll seydt, liebe Louisse! Man hatt mir versichert, man lebe lang mitt der gülten ader[8]. Ich bin von Ewerer meinung, daß ein groß alter eine beschwehrliche sache ist; aber alles muß woll gehen, wie gott will. Nach großer geselschafft frage ich ebensowenig, alß Ihr, liebe Louisse! Hiemitt ist Ewer letztes schreiben vollig beantwortet. Ich komme jetzt auff waß mir noch überig ist vom 23 April, no 33. Mich deücht, die graffliche personnen haben [das], daß sie reißen, mehr alß andere leütte. Ob die liebe zwar nicht groß bey dem graff von Weillburg, so kan es doch woll eine gutte ehe geben; den ich habe gar offt in acht genohmen, daß nichts schlimere ehen gibt, alß die sich auß lieb nehmen; die lieb [147] vergeht undt der haß kompt ahn den platz. Wen aber ein man eine fraw nimbt, so raisonable undt tugendtsam ist, setzt sich ahnstatt daß verlieben eine solide estime undt vertrawen; daß kan so lang wehren, alß daß leben. Ich glaube, Ewer bruder Carl ist mehr in ein carttenspiel verliebt, alß in einige dame. Wie er hir war, erwieße er eine große passion vor spiellen. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben auch vollig beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig, [als] Eüch zu versichern, liebe Louise, daß ich Eüch, so lange ich leben, von hertzen lieb behalte.
P. S.
Seyder wir von taffel kommen, habe ich Eüer liebes schreiben vom 30 April, no 35, entpfangen, werde es vor die andere post, so mir gott leben undt gesundtheit verleyet, beantworten. Die freüllen von Zöettern seindt hir, haben mir hir heyliegenden brieff vor Eüch geben. Nach der kirch seindt mir viel verhindernuß [gekommen]; alle meine encklen seindt herkommen, haben mitt mir zu mittag geßen. Nun kommen hundert leütte herein, unter ander[n] baron Bielcke[9], envoyes von Schweden, so mir ein schreiben von der königin in Schweden gebracht. Da mnß ich auff andtwortten; daß ist eben nicht so possirlich.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 144–147
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1121.html
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