Seitenbanner

Brief vom 19. Mai 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1123.


[148]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou, den h. Pfingstag, 19 May 1720 (N. 94).
Hertzallerliebe Louise, seyder ich auß der capel komen, wo ich zum h. abendtmahl gangen bin, habe ich 3 brieff [geschrieben]. Dießes ist der 4te, den ich wieder ahnfange, undt ich habe heütte noch 4 oder gar 5 zu schreiben undt muß doch in die vesper undt ein wenig spatzir[e]n fahren; den es ist daß schönste wetter von der weldt undt ich finde, daß die lufft mich wieder ein wenig zu kräfften helffen [wird], den ich bin noch sehr matt. Wie ich heütte morgen ahn dießem letztem wordt von matt war, hatt man mich ahn taffel geruffen. In selbigen augenblick seindt meines sohns 3 dochterger herkommen, die haben mitt mir zu mittag geßen. Gleich nach dem eßen habe ich mich ein halb stündtgen außgeruht, bin hernach in die kirch; daß hatt biß halb 5 gewehrdt. Hernach, wie wir auß der kirch, ist mein sohn kommen, bin mitt ihm spatziren [149] gefahren. Er wirdt hir schlaffen. Wir kommen eben von der promenade, es ist schon 7 geschlagen. Ich habe, alß ich eben in kirch gangen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 7 May, no 37, entpfagen. [Ich werde jetzt auf dieses antworten], weillen es frischer ist, alß daß, so ich ahn[ge]fangen hatte. Es ist offt ein solch geraß in meiner cammer, daß es kein wunder ist, wen ich waß überzwergs schreibe undt übel schiffere[1]; waß aber possirlich ist, so habe ich mein schiffer 88 gar woll in mein callender gesetzt, kan nicht begreifen, wie ichs so überzwerg in Ewern brieff geschrieben[2]. Es ist aber nicht die erste sotisse, so ich gethan, wirdt auch woll nicht die letzte sein, oder ich müste baldt sterben. Man kan sich noch nicht im gehen erhitzen, daß wetter ist zu kühl dazu. So seindt meine groste sprüng vorbey undt in meinen jahren geht man nicht zu starck, insonderheit ich, die die beyde füße so offt vertretten undt verstaugt[3] habe. Es ist mir eine rechte mortification, daß ich nicht mehr gehen kan; den es seindt hir die schönsten promenaden von der welt undt daß wetter kan nicht schönner sein, nicht zu warm, nicht zu kalt, kein windt, suma eine sanffte lust[4]. Es ist war, daß es schon recht kaldt geweßen durch einen rawen, kalten windt; aber nun ist die zeit zu weit komen, umb daß es wider kalt könte werden. Ich habe gantz Heydelberg in kupfferstück, auch den Wolffbrunen. So baldt ichs sehe, freüdt es mich, aber kurtz drauff kommen mir die threnen in den augen. In der gallerie ist Heydelberg hir auch gemahlt, aber nur daß schloß undt der gartten; besehe offt, wo ich offt gekegelt undt zu nacht geßen; daß macht mir manchen seüfftzer laßen, will nicht davon reden, es ist zu trawerig. Der alte sacksische general hatte es vielleicht vom alten herrn von Schomburg; den unßere liebe s. churfürstin pflegte alß den herrn von Schomburg zu cittiren, daß er zu sagen pflegt: Es ist alles, wie man es macht. Zu meiner zeit that man Mayen-baum in die camin undt blumen, aber gemahls vor die caminen zu haben, ist hir nichts neües; ich habe es mehr gesehen hir. Ich glaube, daß graff von Degenfelt woll glaubt, daß, waß sein ist, Ewer ist, undt waß Ewer ist, sein ist; den Ihr halt sie ja wie Ewere kinder, undt weillen Ihr nicht geheüraht seydt undt keine kinder habt, ist [150] es ja eben, alß wens Ewere kinder wehren. Ich haße mademoiselle de Mon[t]pensier[5] nicht, aber es[6] arme kindt ist so unahngenehm, das man sich ohnmöglich dran gewehnen kan. Gar heßlich ist sie nicht, aber alle ihre maniren seindt nicht naturlich, gezwungen undt gedrungen, lißpelt undt helt sich so gezwungen strack, alß wen man ihr ein stock in den rücken gesteckt hett. Waß sie sagt, waß sie thut, alles ist chocant[7]; sie jamert mich doch, den daß arme kindt meints nicht böß, kan sich recht betrüben, daß man ihr artiges schwestergen lieber hatt, alß sie. Ahngenehm kan mademoiselle de Mon[t]pensier nie werden, es ist ohnmöglich[8]. Madame de Thiange[s] war eine gar thume humel[9]. Hir ist die desbeauche von mansleütten so abscheülich, daß man die lieb vor weiber vor nichts helt insonderheit. Graff Königsmarck undt seine metres wahren beyde ledig. Wolte gott, sein jüngster bruder hette auch nur eine ledige metres gehabt! Buscat[10] hatt noch hoffnung, hinter der schlimen that zu kommen von denen, so seinen cammerdinner so zerstümpelt hatten[11]. Wie mir I. L. die printzes von Wallis ihre banque beschreibt, ist es eben, wie es hir a la rüe Quinquampuois[12] geweßen. Ich kan kein wordt davon verstehen; es ist, alß wen man mir grichiß[13] spräch. Es ist woll eine schandt, daß Churpfaltz Eüch daß Ewerige so zurückhelt. Ich mogte wißen, in welcher gegendt zu Manheim der churfürst ein schloß bawen will; ich bitte, liebe Louisse, erfa[h]rts doch! Ich glaube, ich würde eher eine geratte mauer hinauff steygen, alß rechtssachen lehren[14]. Graff Degenfelt hatt woll recht, gern in jetzigen zeit undt wetter auff dem landt zu sein. Ich kan nicht begreiffen, wie man nun in statten dawern kan. Ewer homme d’affaire hatt woll recht, lust zu haben, sich ruhe zu schaffen. Daß begreiffe ich perfect woll, aber vor Eüch were es schlim; den wen man ahn leütte gewohnt ist, ist es verdrießlich, neüe gesichter wider zu gewohnen undt auffs neü zu unterrichten. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Ich muß noch ahn mein dochter schreiben. Ich muß schließen undt [151] vor dießmahl nichts mehr sagen, hertzliebe Louise, alß daß ich Eüch all mein leben von hertz[en] lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Mai 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 148–151
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1123.html
Änderungsstand:
Tintenfass