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Brief vom 16. Juni 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1131.


[173]
St Clou den 16 Juni 1720 (N. 1).
Hertzallerliebe Louise, heütte werde ich auff zwey von Ewern lieben schreiben andtwortten, so ich noch überig habe; kompt mir aber ein neües dießen nachmittag, werde ich es auff die andere post versparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Ich hoffe, bey[de] dießen morgen zu beantwortten; den es ist erst ein viertel auff 8; will nur noch vorher sagen, daß ich gestern zu Paris geweßen, wo ich alles in gutter gesundtheit gefunden, außer madame d’Orleans, so ihre starcke mygraine gehabt. Morgendts fuhr ich gleich zu den Carmelitten, von dar zum könig, welcher ahn taffel war, gott seye danck, in gar perfecter gesundtheit; hernach fuhr ich ins Palais-Royal, besuchte madame d’Orleans, ging hernach nauff in mein cammer, wo mein sohn kam mitt allen seinen kindern. Er ging wider in seine cammer, aber alle seine kinder aßen mitt mir, ihr hoffmeisterin undt alle meine damen; hernach ging ich wider in mein cabinet, blautterte mitt mein sohn, so monsieur le chancellier hollen laßen. Madame la princesse kamen mitt mademoiselle [174] de Clermont, hernach madame la duchesse undt monsieur de Troye[s[[1], madame de Colignie[2], Monsoro[3], madame de Trenel[4] undt Maub[o]urg, la fille du marechal de Beson[5]. Dießes alles ist geblieben, biß ich ich mitt aller der jungen bursch in die ittalliensche comedie bin, welche mehr frantzösch, alß ittallienisch war. Nach der commedie kam mein sohn mir adieu sagen undt ich fuhr wider her; gleich nach bett, nachdem ich mein abendtgebett ver[r]icht, war vor 10 zu bett, habe also gar woll nach 6 wider auffstehen können; habe mich ein wenig amussirt, ehe ich ahngefangen, zu schreiben. Nun komme ich auff Ewern lieben brieff vom 21 May, no 41. Von meiner aderläß undt artzeneyen will ich nichts mehr sagen, daß ist vorbey. Ich bin nun, gott seye danck, wieder gar woll. So baldt wirdt man mich nicht wider ertappen undt ich werde mich übel befinden müßen, umb waß zu brauchen. So seindt die Frantzoßen, sie wollen ihr leben nicht unrecht [haben]. Freyllich hatt man mir auch gesagt, daß ich eine tödtliche kranckheit würde gehabt haben, ich habe es aber nicht geglaubt undt gar woll gesehen, wo mein übel herkäme. Es muß jemandts den monsieur Teray geplagt haben, mir zu brauchen[6]; den ich muß ihm daß zeugnuß geben, er helt nicht sonderlich viel von artzeneyen, undt ich, ehe ich mich plagen laße, thue, waß sie wollen. Ich gehe alß meinen weg forth, mag nicht klagen; so lang ich mich schlepen kan, thue ich wie ordinarie. Die metwürst haben mich wider zu kräfften gebracht undt ein wenig rohe schincken, daß hatt mir wider apetit geben. Monsieur Harling metwürst sein unvergleichlich beßer, alß baron Görtz seine; man kan sie nicht beßer eßen. Ich will mir heütte davon geben laßen; mein magen hatt sich sehr ahn den braunsweigischen speyßen gewohnt in den 4 jahr[e]n, daß ich zu Hannover bey ma tante s. geweßen. Freyllich, liebe Louise, thut Ihr mir einen großen gefallen, lange brieff zu schreiben. Die älste graffin von Zoettern mögte woll in jene welt ziehen, sie hatt ein starck fieber undt einen abscheülich[en] kropff. Die jüngste ist die [175] feinste, die fehlt nicht von verstandt undt deücht mir all raisonabel zu sein; wo die älste aber nicht stirbt, fürchte ich sehr, daß sie narisch wirdt werden, den sie sicht gantz darnach auß. Wen ihr die fantesie ahnkompt, solle sie ihre arme schwester schlagen, so viel raisonabler ist, alß sie. Dieße elste macht zu viel complimenten, welches in meinem sin eine langweillige sache ist. Die jüngste ist ertraglicher. Complimentiren ist mein sach gantz undt gar nicht. Es ist, gott lob, die mode nicht hir, man helt es vor ca[m]pagnar[d][7] undt provincial. Es ist billig, daß die Schonburgische daß ihrige fordern. Daß ist alles, waß ich hirauff sagen kan. Ich habe schon letztmahl gesagt, daß Ihr gar nicht übel frantzösch geschrieben habt. Hette ich fehler in Ewern brieff gefunden, würde ichs Eüch geschrieben haben, liebe Louise! Es war aber woll undt sensement[8] geschrieben, da kan niemandts waß ahn zu tadlen finden. Frantzösch ist leichter woll zu schreiben, alß unßer Teütsch. Ich höre undt leße nicht gern processachen; den ich kan nichts drin begreiffen undt finde es sehr langweillig. Mitt Ewerer coupertischen sache[9] habe ich gar keine ungelegenheit. Monsieur Le Fevre[10] hatt viel verstandt; ich rede gern mitt ihm undt wolte gern Ewern niepcen dinnen, wens möglich sein könte; ahn mir solle es nicht liegen, daß es ein gutt endt gewint. Aber die dollen händel mitt der banque werden ihnen, welches mir recht leydt ist, waß verliehren machen. Dieße sache ist mir gar nicht beschwehrlich geweßen. Graff Degenfelt kan nicht mitt seiner gemahlin auß Englandt, biß alle seine sachen undt theylungen können richtig gemach[t] werden. Monsieur Le Fevre sache hir ist nicht zum endt auß obgemelten ursachen von der banque. Monsieur Le Fevre ist frisch, gesundt undt lustig, ich plauder[e] gern mitt ihm. Es ist seine schuldt nicht, daß so viel verenderungen hir vorgangen, so gehindert haben, daß seine sachen nicht zum endt gangen sein. Der könig in Englandt hatt den 12 aufbrechen sollen, umb wider nach [176] Hannover zu reißen; mag nun woll dorten sein[11]. Man thet mir einen schlechten poßen, wen man mich nur auff suppen zu gast bitten solte; ich eße mein leben keine, alß welche man hir nicht machen kan, alß gerstensup, weinsup, biersup undt habermehlsup. Ich wolte, daß jemandtes von meinen kochen la carpe a l’estaffée[12] zurichten könte wie Ewere geweßene hoffmeistèrin, mademoiselle de St Pol, unß sie offt hatt eßen machen; kein eintziger koch in Franckreich kan es so gutt machen. Die vereinigung vom königlichen hauß in Englandt meritirt woll freüdenszeichen. Ich wolte, daß man auch etliche machen konte über die freüde, so man haben solte, daß Churpfaltz kein pfaffen-freündt undt -bruder mehr wehre; daß solte woll freüdenszeichen merittiren. Es macht mich offt gantz ungedultig, wen ich seine pfafferey höre, so einem großen herrn, wie er ist, gar nicht zukommen. Aber alle die neüburgische kinder, printzen undt printzessinen, seindt gar niederig erzogen worden. Die gutte königin in Spanien, so zu Bajonne ist, schreibt allezeit, alß wen sie eine cammermagt were. Dieß habe ich I. M. nicht gesagt, wie Ihr woll gedencken könt, liebe Louise, aber woll, daß I. M. gar zu demütig schreiben. Da kompt monsieur Le Fevre eben herrein, seine sachen seindt noch nicht außgemacht auß obgemelten ursachen. Ich komme wider auff Churpfaltz. Es gehört keine große penetration dazu, seine unterthanen alß ein vatter nach sein[e]r schuldigkeit zu tractiren undt nicht, alß wen sie feindt wehren. Die sich gantz von den Jessuwitteren regieren laßen, daß reussirt nicht, wie wir ahn Churpfaltz, den churprintzen von Saxsen undt hertzog Max sehen. Daß solle gewiß waß artigs sein, daß man des kirchenrahts versamblung in ein Judenhauß bestelt hatt. Ich sehe aber nicht, worin dieße gentillesse bestehet; es muß ein voller[13] bruder es inventirt haben. Von der fürstin von Ussingen werde ich heütte nichts sagen, habe vergangen donnerstag gesagt, waß ich hirauff zu sagen habe. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben [177] von no 41 vollig beantwortet. Ich komme auff daß von 1 dießes monts, no 44, welches ich noch hoffe zu beantwortten. Wen es zu Franckforth daßselbe wetter ist, wie hir, so werdet Ihr seytter vergangenen mittwog imer regen gehabt haben; es vergeht nicht anderthalb stundt, daß es nicht regnet. Man hatt keine starcke donnerwetter hir, wie bey unß; wens nur einen ein wenig hartten schlag thut, meinen sie, daß alles verlohren ist. Zu meiner zeit hatt die Bernsteinen daß wetter nicht gefürcht; Lenor furchte es in unßerer jugendt undt nun stelt sie sich ahn, alß wen ihr bang davor were. Daß werff ich ihr offt [vor], aber sie sagt, die angst were ihr ahnkommen, weillen sie unglück gesehen undt daß leütte vor ihre augen seindt erschlagen geworden vom donner. Die cammerweiber, denen so bang gewordten, seindt weder gar jung, noch alt; eine ist über 30, die ander aber hatt noch keine 30 jahr. Meines bruders gemahlin konte von hertzen lachen; were ich geweßen, so sie auff dem heimblich gemach ahngetroffen, würde sie nicht erschrocken sein; den sie war gewohnt, daß ich mitt ihr ging auffs heimlich gemach; sie saß auff dem heimblich gemach undt ich auff meinem kackstuhl, so darneben stundt, zu Heydelberg undt zu Friderichsburg auch, aber nicht zu Schwetzingen. Ich habe ahn Lenor gesagt, daß Ihr ihren neveu mitt fraw undt kindern gesehen. Dießen heist sie nur den dantzer, sagt, ehe er geheüraht geweßen, hette er alles in der welt verdantzt, waß er gehabt hette, aber seyder er geheüraht, dantze er nicht mehr; er kan nun seine liebe kinder dantzen lehren. Daß hieß der könig s. un sot pere, wen ein vatter seine kinder vor die leütte caressirt. Deß königs in Englands uneinigkeit mitt seinen kindern hatt geraß genung in der welt gemacht, daß es gar kein secret war, sondern gantz weltküntig; aber, wie Ihr gar recht sagt, der könig in Englandt hatt seine eygene maniren. Unter unß gerett, lieb Louise, ich trawe noch kein haar auff den bestandt von dießer vereinigung. Der könig in Englandt hatt daß von kindtheit auff, er ist tockmeüßich wie der teüffel. Mylord Petterbourong[14] ist ein wunderlicher heylliger; vor 8 tagen war er hir, ist nun wider in Ittall[i]en. Aber da rufft man mich, den es ist zeit, mich ahnzuziehen. Dießen nachmittag werde [178] ich dießen brieff außschreiben, nun aber mich ahnziehen, in kirch betten gehen, hernach eßen.
Sontag, den 16 Juny, umb 6 abendts.
Es ist mir ohnmöglich geweßen, nach dem eßen wider gleich zu schreiben; den meines sohns 3 döchterger seindt herkommen, mitt mir zu mittag zu eßen. Gleich nach dem eßen habe ich viel brieff bekommen, einen gar großen von meiner dochter undt einen gar kleinen von der königin von Spanien, einen gar großen von der königin von Sardaignen von 23 seytten undt einen mittelmaßigen von Eüch, liebe Louisse, vom 7 dießes monts, no 45. Ich hatte die helffte nicht außgeleßen, da hatt man in die kirch geleütt, wo ich hingemust. Nach der kirch bin ich in den gartten gefahren, umb ahn mademoiselle de Mon[t]pensier die cascade zu weißen, die sie noch nie gesehen hatte. Der regen hatt unß wider auß dem gartten gejagt. Da komme ich undt will Eüch entreteniren. Ich habe nur noch 4 seytten undt eine halbe zu antwortten; den, wie ich schon heütte morgen [gesagt], so werde ich Eweren brieff, so ich heütte entpfangen, er[st] die andere post beantwortten, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Nun komme ich wider, wo ich geblieben war. Mich wundert, daß mir die printzes von Wallis der hertzogin von Zel todt nicht geschrieben; daß macht mich glauben, daß es nicht war ist[15]. Ich wolte, daß sie vor 50 jahr[e]n gestorben were; so hette sie viel übels undt unglück verhütt. Sie war nicht sonderlich von humor, sondern wie schir alle frantzösche weiber von der welt sein, die allezeit capricieux undt ambitieux sein undt alles regieren wollen undt ihnen unterthanig machen[16]. Wolte gott, sie were bey ihrem schlegten adel in Poictou[17] geblieben! Ich sage schlechten adel, weillen sie sichs einmahl vor eine ehre gehalten, ein premier valet de chambre von meinem herrn s. zu heürahten[18]. Bey der dauphine[19] war es ahnfangs kinderspil, aber die Maintenon hatt sie drinen erhalten wollen, umb alles zu confondiren, weillen man sie nicht vor königin erklären wolte. Freyllich hatte die dauphine verstandt undt eben deßwegen [179] thäte sie alles, waß daß alte weib wolte, umb sich bey dem könig woll einzuschreichen[20]. Hette daß arme mensch noch ein par jahr leben können, hette sie sich auß ihrer schlafferey[21] außgerißen undt hette der alten nicht mehr von nöhten gehabt; den sie hatte deß königs hertz gantz gewunen. Die alte hatt den duc du Maine gewuhnen, mitt ihm meint sie noch zu regieren, auch wie sie gesehen, das diß stück ihn[22] gefehlt durch den arest vom duc du Maine, ist sie vor leydt gestorben undt von dem chagrin nicht wider auffkommen. Ich werde meine brieff doch immerhin nach Franckfort adressiren, ob Ihr, liebe Louisse, zwar zu Geißenheim seydt; den sonsten möchte mein brieff verlohren gehen. Die zeittungen habe ich heütte auch zu recht entpfangen, wovor ich dancke. Warumb soltet Ihr, liebe Louise, meine schreiben nicht so richtig zu Geißenheim entpfangen, da ich doch Ewere liebe schreiben eben so geschwindt entpfange, alß wen Ihr noch zu Franckfort wehret? Mein sohn ist dießen abendt herkommen, umb sich ein augenblick außzuruhen undt ahtem zu schöpffen; wirdt hir schlaffen. Da kompt er eben herrein, kan Eüch also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Juni 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 173–179
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1131.html
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Tintenfass