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Brief vom 23. Juni 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1133.


[183]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 23 Juni 1720 (N. 3).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben von taffel kommen, habe ich Ewer liebes schreiben vom 11, no 46, zu recht entpfangen. Hette es lenger außgeblieben, hette ich es heütte nicht beantwortten können; bin froh, daß Ewer[e] reiße nach Geißenheim nicht verhindert, daß Ihr meine brieffe zu recht entpfangt, liebe Louise! Ich dancke Eüch, gott den allmachtigen vor mein sohn gebett zu haben; er hatt es hoch von nöhten. Gott weiß, waß auß dießem allem noch werden wirdt. Ich verstehe, noch begreiffe es nicht undt bins so müde, daß ich recht ungedultig werde, wen man davon spricht; drumb will ich nichts mehr von der banque undt allen den verdrießlichen sachen sprechen. Laws konte keine nation in der welt finden, so eher durch den interesse in verzweifflung konte gesetzt werden, alß eben die Frantzoßen; den es seindt keine geitzige[re] leütte in der welt undt welche mehr auff daß ziegen undt gewinen verpicht sein, alß die Frantzoßen. Ich glaube nicht, unter unß gerett, daß Laws mitt dem leben davon kommen wirdt, er spendire den millionen. Ich habe mich nie über meines sohns regence erfreüen können; ich habe woll gedacht, daß man ihm in allen stucken troubliren undt plagen undt zugegen sein würde. [184] Dieß also nimbt mich kein wunder, aber es ist mir bang dabey undt betrübt mich. Ey, liebe Louise, waß nutzt mir die liebe vom volck[1], wen mein sohn gehast undt verfolgt wirdt? Ich wolte lieber, daß sie nicht gedächten, daß ich in der welt bin, alß daß sie mich lieb haben undt meinem armen sohn, der sich zu todt arbeydt, alles gutt zu machen, [haßen und verfolgen]. Mein sohn ist gantz persuadirt, daß Laws sisteme gutt undt nützlich were, wen man ihn gewehren ließe; aber man plagt Laws undt ist ihm zuwider auß haß von meinen sohn, thut alles, waß möglich ist, alles umbzustoßen. Wer ist der general Leuterom[2]? Ist [es] nicht der einäugigte mensch, so bey dem landtgraffen von Cassel, meinem vettern, ist? Wen nichts, alß böße leütte, auß der Pfaltz gehen, wirdt es kein schadt sein. Ich wolte, daß man alle böße leütte hir auch persuadiren könte, in ein ander landt zu ziehen, so würde mein sohn baldt in ruhen seine regence außführ[e]n können. Man kan von Ewerm dorff daß frantzösche sprichwordt sagen: La marié[e] est trop belle, daß man sich beklagt, daß es zu volckreich ist. Mich deücht, die pfaltzische regierung ist jetzt gar ein doll leben; man konte sagen: Herr, verzey[h] ihnen! Sie wißen nicht, waß sie thun[3]. Der churfürst thete beßer, Eüch Ewere gütter einzurauhmen undt Euch mitt schalten undt wartten[4] laßen, wie Ihrs verstehet, alß Eüch durch die heydelbergische cammer zu zahlen laßen. Ich glaube, man bestiehlt den armen churfürsten gottsjämmerlich. Freylich ist es beßer, langsam bezahlt zu werden, alß gar nicht. Es were mir lieb, liebe Louise, wen ich Eüch hette zu waß nutz sein können; wolte gott, ich könte Eüch dinnen, wie ich gern wünschte! Wendt hatt mir ein brieff von Montargie[5] gewießen, wie die Pfältzer dort durchgereist sein. Suson hatt mich schon lengst gebetten, Eüch ihretwegen demütigst zu dancken, daß Ihr sie beklagt habt, wie sie so gar kranck geweßen. Ihr man, Leclair, wehre auch schir gestorben, seyndt nun beyde wider gesundt undt hir. Die Perlips, so zu Geißenheim ist, ist daß die, so favorittin von der königin in Spanien geweßen oder ihres sohns fraw? Sie, mag sie woll sein, waß sie auch will, wen sie Eüch nur gutte geselschafft helt undt in Ewere einsambkeit woll divertirt, so ist alles gutt. Ich weiß [185] gantz undt gar nichts neües undt Ewer liebes schreiben ist von wordt zu wordt beantwortet undt da kompt mein sohn herrein, muß also vor dießmahl schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich wolte, daß ich fliegen könte, so würdet Ihr mich baldt zu Geißenheim bey Eüch sehen, wo ich Eüch versichern würde, liebe Louisse, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Juni 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 183–185
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1133.html
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