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Brief vom 27. Juni 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1134.


[185]
St Clou den 27 Juni 1720 (N. 4).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangenen sontag habe ich nichts von Eüch [empfangen]; wir [wer]den sehen, ob dießen nachmittag waß kommen wirdt; kompt waß, werde ich es gleich beantworten. Wir werden sehen, waß drauß werden wirdt, nun ist es erst zehen uhr. Mein hirnkasten ist nicht woll auffgesetzt, habe mühe, mich zu calmiren undt die angst zu benehmen, ob mein sohn zwar gantz getrost ist undt gutte hoffnung hatt, daß alle seine affairen von der banque ein gutt endt gewinen werden. Gott gebe es! Aber ich gestehe, ich kan nicht so persuadirt davon sein, wie er ist. Waß ander leütte davon sagen, macht mich bang, daß man ihn betriegt. Ich thue, waß mir möglich ist, umb mir meine grillen auß dem kopff zu bringen. Vergangen montag fuhr ich zu Chausseray[e], nachdem wir in der kirch geweßen wahren, nehmblich umb 4. Ich spatzirte in ihr höltzgen undt ging beßer, alß ich in langer zeit gethan; den ich bin nun, gott lob, gantz frisch undt gesundt, so lang es wehren wirdt; aber mitt alten weibern, wie ich bin, dawert es ordinarie nicht gar lang. Wie ich wider umb halb 8 nach hauß kam, hatte ich eine große … Ich wuste, daß mein sohn mitt sein[e]r metres undt all seiner lustigen geselschafft drunten nicht weit von madame d’Orléans apartement zu nacht aß. Wie ich in den hoff kam, sahe ich seine gemahlin ahm fenster. Ich dachte: Waß wirdt auß dießem handel werden? Sie sagte mir gleich, ihr herr wehre ahn taffel undt daß ohne zweyffel er[1] mitt seiner gutten freünden gar lang dawern würde. Daß sagte sie mir mitt einer hönischen, lachenden minen, so mich noch banger machte; aber es lieff doch woll ab. Sie fuhr, wie es 9 geschlagen, wider weg undt man hatt mir gesagt, daß mein sohn eine viertelstundt [186] hernach weg ist. Es muß doch crabusch[2] unter ihnen gemacht haben; den ich fandt die duchesse d’Orléans gestern in vollen threnen. Ich fragte, waß ihr wehre; sie sagte, sie hette die migraine undt daß gebe vapeurs, so weinen machten. Wie ich sahe, daß sie mir ein secret von ihrer betrübtnuß machte, fragte ich weitter nichts undt thate, alß wen ich die vapeurs glaubt. Aber nun muß ich mich ahnziehen. Dießen nachmittag werde ich Eüch ferner entreteniren, liebe Louise!
Mein courir ist von Paris kommen, hatt mir die teütsche gedruckte zeittung gebracht, aber [ich habe] kein schreiben von Eüch entpfangen; also, liebe Louise, wirdt mein brieff heütte gar kurtz werden. Aber da sehe ich mein calesche in den hoff fahren. Ich will ein wenig in den gartten spatziren fahren, nach der promenade werde ich Eüch wider entreteniren, liebe Louise, nun aber meine pausse machen.
Es wirdt baldt 7 schlagen. Es ist eine gutte viertelstundt undt ein wenig mehr, daß ich von der[3] spatziren-fahren kommen bin; jetz[t] komme auß der tribune[4], wo ich mein abendtgebett verricht. Nun will ich Eüch noch ein wenig entreteniren, liebe Louise! Waß solle ich Eüch aber weitter sagen? Wir haben jetzt gar nichts neües hir, ich hette schir gesagt gott lob! Den ordinari, wen waß neües kompt, ist es nichts nutz undt man hirauff woll mitt warheit sagen kan, wie daß teütsche sprichwortt sagt: Alle tag waß neües undt selten waß guts. Ich muß Eüch doch noch etwaß possirliches sagen. 3 ducs hir, die doch so gar hoch hinauß [wollen], undt die 3, so von guttem hauß sein undt von beßern heüßern, alß die andere, haben in meinen sin etwaß abscheüliches gethan, der duc Dantin[5], so deß Montespan sohn undt also meines sohns gemahlin undt madame la duchesse bruder ist, der duc marechal d’Estré[6] undt der duc de la Force. Der erste hatt alle stoffen auffgekaufft undt[7] sie thewerer, alß die kauff[leute], zu verkauffen; der 2 hatt allen caffe undt chocolate eingezogen, umb sie auch thewer zu verkauffen; der 3te hatt es ahm allerschlimbsten [187] gemacht, den er hatt alle unschlichlichter auffgekaufft, undt[8] sie thewer zu verkauffen, undt hatt rechte l’enchere[9] auff die unschlichlichter gebracht[10]. Wie er die stieg herundter ging undt auß dem opera gehen wolte, gingen junge muthwillige bursch auff die stieg, sagten: Da ist ein dicker sack, der ander: Ce n’est point de l’argent, ce ne sont que des chandelles. Alle aber fingen ahn, zu singen daß letzte chorus von opera von Phaeton:
Alles, alles respandre la lumière!
Puisse un heureux destin
Vous conduire a la fin
De vostre brilliante cariere!
Alles respandre la lumiere![11]
Ihr könt leicht gedencken, waß diß vor ein gelächter verursaget. Ich kan sagen, wie Crispin im Baron de la Crasse[12]: Je vous laisse sur la bonne bouche. Ich finde dieße avanture recht artlich. Der duc de la Force hatt dießen affront woll verdint. Ich wünsche, liebe Louisse, daß es Eüch ein wenig möge lachen machen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb, so lang ich leben werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juni 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 185–187
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1134.html
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