Seitenbanner

Brief vom 30. Juni 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1135.


[187]
St Clou den 30 Juni 1720 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, es seindt 2 posten, daß ich keine schreiben von Eüch entpfangen habe. Aber da kompt mir eines, worauß ich sehe, daß Ihr wider zu Franckforth seydt; es ist vom 18, no 47, also keines verlohren gangen, gott lob! Mich deücht, [188] mein brieff vom 1ten ist gar lang unterwegen geweßen. Man hatt Eüch einen gutten raht geben, eher zu Franckfort zu schreiben, alß zu Geißenheim; den daß war viel sicherer. Daß muß daß starcke rechenwetter verursacht haben, daß die wege so höß sein. Ich fürchte, daß die schönne aparentz vom gutten undt reichen jahr durch den viellen regen gantz zu grunde gehen wirdt; daß jammert mich recht. Bin fro, daß Ihr meine 3 schreiben zu recht entpfangen habt, liebe Louise, undt Eüch also keines fehlt. Ich glaube, daß Churpfaltz abscheülich betrogen undt bestollen wirdt; den zu glauben, daß man in der cammer zu Heydelberg kein gelt genung hatt, Eüch zu zahlen, da die sumen doch so gering sein, daß kan man mir nicht weiß machen, noch persuadiren. Man sagt im sprichwordt: Gedult überwindt buttermilch. Es ist mir allezeit von hertzen lieb, liebe Louise, wen ich Eüch zu etwaß nutz sein kan, daß Ihr auff wenigst meinen gutten willen sehen mögt undt wie ich wünschen mögte, Eüch zu persuadiren … Daß ich wünschen mögte, Eüch zu dinnen können, daß kan ich Eüch mitt warheit undt ohne complimenten sagen. Mein ruhig-sein geht ab undt zu, nachdem ich guts oder böß höre. Mein sohn solle dießen abendt kommen mitt seiner wenig loblichen geselschafft hir zu nacht eßen. Gott gebe, daß er gutte zeittung bringen mag! Aber ich zweyffle dran, wen ich daß gemeine geschrey glauben solle. Es macht einem daß leben so müde, allezeit klagen zu hören. Alles, waß ich hir höre undt sehe, macht mich daß gelt haßen wie den teüffel. Bißher geht noch nichts nach meinem vergnügen; dancke Eüch doch sehr, liebe Louise, vor Ewerm gutten wunsch. Ach nein, liebe Louise, ich habe mich in nichts in allen denen handlen gemischt undt werde mich mein leben in nichts mischen, so ich so wenig verstehe, alß alle dieße händel. Vorgestern war es ein rechter schönner undt gar warmer tag; aber abendt kam ein donnerwetter mitt so großen schloßen wie große kluker[1], hatt viel fenster zu Paris eingeschlagen. Hir haben wir aber nur regen, donner undt blitzen gehabt; aber daß wetter ist so kalt geworden, daß wir alle von kleydern haben endern müßen, undt regendt ohne auffhören seyderdem. Seyder Sanct Medardus hatt es alle tag geregnet, viel oder wenig, hatt nur gar zu woll eingetroffen, waß man davon im sprichwordt sagt: Der [189] donner thut offt dolle streich. Daß hatt viel leütte, so ahn hexsen glauben, glauben mach[en], daß hexenmeister in den wolcken steken, welches ich aber gar nicht glaube[2]; aber ich höre gar gern die merger[3], so man davon verzehlt. Ich habe mehr exempel gehört von dergleichen stürm, so vieh vertrengt hatt. Die medaillen haben keine eyll, liebe Louise, incommodirt Eüch nicht mitt! Man muß ein wenig gedult haben; wen daß gelt wirdt abgeschlagen werden, wirdt daß gelt wider hervor kommen, muß man hoffen, daß ich auch waß bekommen werde; morgen aber wirdt es der 3te mont sein, daß ich nichts, alß billiet de banque, bekommen habe. Ich glaube nicht, daß Ewer vetter noch in Schweden ist; den sie haben sich in Englandt auffgehalten. Man wirdt ohne zweyffel neü medaillen auff der crönung gemacht haben; den daß ist der brauch, man hatt nie keine crönung ohne medaillen gesehen. Die billiets de banque seindt mir recht zuwider. Aber last unß von waß anderst reden! Dießes macht einen gar zu ungedultig. Monsieur Le Fevre hatt die helfft müßen verliehren auff Coubert, ohne es zu hindern können. Er ist noch zu Paris. Ey, liebe Louise, warumb wolt Ihr schon ahn sterben gedencke[n]? Ich bin ja bey 10 jahren alter, alß Ihr, undt bin noch frisch undt gesundt. Kopff-schüttelen kont eher geschehen; den Lenor schüttelt abscheülich; sie könte es woll laßen, wen sie wolte, sie hatt sichs aber so ahngewehnt, daß es ein ellendt. Ich beschrey sie doch alle tag drüber, sie helt ein wenig innen, aber fengt baldt wieder ahn. Ewer niepce, die gräffin von Degenfelt, ist jetzt in keinem standt, zu reißen können; den sie ist schwanger undt solle bitter übel außsehen. Monsieur von Harling hatt mir deß königs von Preussen reiße geschrieben, wie er incognito durch Hannover ist undt bey dem großvogt von Bullaw[4] zu mittag geßen hatt. Ich habe gehört, daß meines vettern, printz Max von Cassel, wundt gar nichts gefährliches sey, solle nur von einem stein sein, so ein stück-kugel zerbrochen. Ich weiß dießen vettern recht danck, keine inclination zum heürahten zu haben; daß macht mich ihn lieb haben, ohne ihn zu kenen. Aber seine zwey herrn brüder, alß printz Wilhelm undt printz Georgen, so hir geweßen, habe ich recht lieb, finde sie wackere undt ahngenehme [190] herrn undt gar nicht lasterhafft. Ich glaube, daß unßere teütsche fürsten nie zugeben werden, daß deß czaars sohn oder enckel (umb recht zu sagen) eine ertzhertzogin nehmen solle; daß were zu gefahrlich vor gantz Teütschlandt. Nun habe ich willens, zu zörnen, liebe Louise! Waß wolt Ihr sagen mitt Ewerm zu lang auffhalten? Wist Ihr den nicht, liebe Louise, daß mir Ewere lange brieffe lieb undt ahngenehm sein? Sie seindt auch nicht so lang, alß Ihr woll meint; den Ihr segt ja woll, liebe Louisse, daß ich von wordt zu wordt auff Ewer liebes schreiben andtworte undt daß ich schon auff Ewe[r]n 18 bogen bin. Ich muß lachen über die bekehrung von der fürstin von Nassau Siegen. Die leütte, so man so predigen schickt, heist man mission[n]aire[s]. Es seindt deren jetzt in Lotteringen, predigen 4 mahl deß tags undt der hertzog von Lotteringen gehn 2 mahls deß tags in den predigen. Ich fürchte, daß mitt ihrer dornencron dieße arme fürstin noch närischer, alß ihr herr, geworden ist. Ihr werdt sehen, daß dieselbe kette, so sie umb den alß gehabt, da wirdt man sie mitt ahnbinden müßen. Von denen, so sich die offendtliche discipline[5] haben auff der gaßen geben laßen, daß würde man hir im landt nicht leyden undt vor eine inmodestie halten, wie es auch in der that ist. So albere sachen kan ich nicht leyden. Man würde so wenig leyden hir, daß sich weiber die discipline geben solten, daß der cardinal de Noaille[s] gantz abgeschafft, daß man den gründonnerstag in pilgerschafft mitt creütztragen undt disciplinen barfuß au mont Vallerien[6] ging. Mein sohn hatt seine walfahrt hirher eingestelt; daß böße wetter hatt ihn abgeschreckt. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben, liebe Louise, vollig beantwort, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch eine gutte nacht zu wünschen undt zu versichern, liebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt all mein leben behalten werde.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Juni 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 187–190
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1135.html
Änderungsstand:
Tintenfass