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St Clou den 8 Augusti 1720 (N. 16).
Hertzallerliebe Louise, ich hoffe, heütte ein frisches schreiben von Eüch zu bekommen, wolte gern drin finden, daß mein brieff vom 7, no 7, wider gefunden mag geworden sein. Unterdeßen will ich auff Ewer liebes schreiben vom 23 Julli, no 67, andtwortten. Ach, liebe Louise, setzt Eüch in keinen sorgen über die angsten undt verdruß, so ich hir außstehe! Daß ist mein täglich brodt; ist es nicht eine sach, so ist ein andere, aber gantz ohne verdruß hir im landt zu leben, daß ist durchauß ohnmöglich. Von monsieur Law sisteme werde ich weder böß, noch gutts sagen, es ist mir gantz undt gar unbegreifflich. Allein ich [sehe] doch, daß es meinem sohn so unerhört viel unruhe, mühe undt sorgen gibt; daß macht mich wünschen, daß es niehmalen were unterfangen worden. Es chagrinirt mich nicht allein, sondern es angstet mich auch recht; den so interessirte leütte, wie die Frantzoßen sein, von monsieur le duc ahn zu rechnen biß auff den geringsten knecht, da ist keine sicherheit bey; den, wen sie waß zu gewinen meinen, muß alles drauff gehen undt kein leben ist sicher dabey. Vor mir selber ist mir nicht angst, den da were kein vortheil dabey, noch gewinst; aber mein sohn stehet gewiß große gefahr auß. Wolte gott, ich [230] were allein in gefahr! wolte mich kein haar drumb bekümmern. Es ist noch viel gelt in Franckreich, aber auß boßheit spert es ein jedes ein undt will es nicht ins comers setzen, den sie trawen dem monsieur Laws nicht. Zum krieg hatt niemandts lust hir, aber woll zum luxe, so nie so hoch gestiegen, alß nun. Die zeit wirdt lehr[e]n, waß auß dießem allem wehren[1] wirdt. Unterdeßen bringt man seine zeit recht langweillig undt betrübt zu. Waß gott über meinen sohn vorsehen hatt, muß erfühlt werden. Aber last unß von waß anderst reden, so aber doch nicht viel lustiger ist, liebe Louisse, nehmblich von unßern armen landtsleütten, die Heydelberger! Chur-Trier verspricht sehr, ihnen beyzustehen[2]. Ich glaube, daß dießer churfürst gutte intention hatt, allein ich fürchte seine pfaffen. Der kleine secretarius Graffenbröck, so hir [ist], versichert, daß man nicht dran gedacht hatt, daß schloß zu rassuren[3], jedoch so hatt mir die printzes von Wallis versichert, daß es resolvirt geweßen. Ich habe gethan, waß bey mir stehet; gott wolle ferner beystehen! Der churfürst muß abscheülich bestollen werden. Daß ist woll ein rechte pfafferey, sich so mühe zu machen umb der h.-geist-kirch; aber, wie schon offt gesagt, wo pfaffen regieren, muß [es] alß alber undt überzwerg hergehen. Ein großer regirender herr hatt allezeit unrecht, wen er die friedenstractaten nicht nachkommen will. Die armen Heydelberger jammern mich von grundt der seelen. Ich habe Churpfaltz allezeit vor einen güttigen undt samfftmuhtigen herrn rühmen hören; daß scheindt nicht in seiner regierung. Aber wo man daß pfaffengeschmeiß regiren lest, kan es nie anderst hergehen. Ahn Churpfaltz habe ich noch in meinen letzten schreiben eine große affection vor mein vatterlandt bezeügt, muß sehen, waß I. L. mir andtwortten werden; nach dem werde ich meine andtwort wieder richten. Waß lustiges zu hören, hette ich hoch von nöhten, den ich bins gantz undt gar nicht. Ich würde mich recht glückseelig schätzen, wen ich sein könte, wie Ihr andern zu Franckfort undt weder leydt, noch freüden haben. Aber es ist gottes will, dem muß man sich woll in alles ergeben. Ewere niepce ist zu grob schwanger, umb eine reiße zu wagen dörffen; es were zu gefährlich, würde sich in lebensgefahr setzen. Wen ich betrachte, [231] wie gefährlich es ist, schwanger zu sein, kan ich nicht begreiffen, wie so viel leütte in der welt sein können; den es nur eine art [gibt], in die welt zu kommen undt 100/m, zu sterben. Ihr habt woll große ursach undt recht, liebe Louise, nicht nach Englandt zu reißen. Ihr würdet zwar keinen zanck mehr dort haben, nun Ewer gritlicher schwacher[4] nicht mehr vorhanden; aber man ist doch nie woll in der frembte undt beßer zu hauß undt in seinem vatterlandt, alß in der frembte. Zudem übers mehr[5] zu gehen, ißt eine wüste sach, wen man betracht, daß man so woll in Indien, alß in Englandt kommen kan[6]. Monsieur s. konte so poßirlich verzehlen, daß er einmahl zu Dünkercken[7] spatziren fahren wolte auff der see bey einem gar schönnen wetter. Er setzte sich in der barque bey dem pillotte[8], den fandt er trawerig, fragte ihm, waß ihm fehle. Er andtwortte:Eine trawerige erinerung. Es ist heütte just ein jahr, bey eben so einem schönnen wetter, alß wir nun haben, wolte ich meine fraw undt kinder spatziren führen, es kam aber ein sturm, der führte unß geradt nach Indien, wo meine arme fraw undt kinder gestorben sein.Wie Monsieur s. daß hörte, sagte er zum pilotte:
Ramenes moy au plus viste a bord!Da segt Ihr, liebe Louise, wie artig es ist, auff der see zu sein. Aber da sehe ich madame la chancelliere[9] in den hoff fahren, muß geschwindt ahn mein toillette, umb daß sie ihren tabouret nimbt; nach dem eßen darff sie ihn nicht nehmen. Dießen abendt werde ich dießen brieff außschreiben, nun aber meine ordinarie pausse machen. Weillen ich gestern erst umb halb 12 nach bett, bin ich heütte spatter auffgestanden.