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Brief vom 5. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1154.


[264]
St Clou den 5 September 1720 (N. 24).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben zu recht entpfangen, nein ich betriege [mich], es war vergangenen sontag; es war vom 20 Augusti, no 65. Es geht hir zwar alles still her, aber daß murmeln ist groß undt daß gibt doch keine rechte ruhe[1]; den von einem augenblick zum andern kan gar starcke unruhe kommen. Vor etliche tagen haben laquayen eine große insolentz begangen. Ich kan nicht begreiffen, wie leütte [265] leyden mögen, daß ihre laquayen so insolent sein; sie haben dem armen kindt, so von der promenade kam, deß Laws sein dochter, alle wüstereyen von der welt nicht allein zugeruffen undt[2] mitt steinen geworffen[3]. Ich sehe woll, waß es ist; die junge herrn jetziger zeit haben sich zu gemein gemacht mitt ihren laquayen, brauchen sie zu allerhandt infamien, dörffen ihnen hernach nichts sagen; die laquayen spillen den meister undt die herrn dörffen ihnen auß obgemelten ursachen kein wordt sagen[4]. Dancke Eüch, liebe Louise, mir viel zufriedenheit zu wünschen; daß kan ohnmöglich geschehen, werde nur woll zufrieden sein, wen nichts übels kompt, wie leicht geschehen könte. Ahn mein schreiben vom 7, no 7, ist nicht mehr zu gedencken; sie müßen es auff der post verlohr[e]n haben, welche nun doller, alß nie, geht. Vor 8 tagen l[i]eßen sie mir sagen, ich solte den mittwog schreiben; daß thate ich; seyderdem sagen sie, ich könte nur donnerstags wie ordinarie schreiben, aber nicht mehr sontags, sondern den sambstags; folge, wie er secht[5], alle ihre grillen. Daß mein verlohrner brieff in andern handen kommen, da frag ich nichts nach; es war nichts drin, so mir ungelegenheitt machen könte. Ich bin seyder viel jahren her so ernstlich geworden, daß es derowegen schwer zu rahten ist, ob ich trawerig bin oder wie ordinarie. Lustig thue ich lengst nicht mehr, habe daß lachen auch schir gantz verlehrnt[6]; wer vor etlichen jahren geschehen, waß gestern in der commedie vorgangen, so hette ich 3 tag drüber gelacht. Mademoiselle de la Rochesurion[7] hatt einen possirlichen portzelbaum gemacht; die banck, worauff sie saß, brach auff einmahl unter sie, sie versuncke auff einen stutz, man konte sie schir nicht wider herraußziehen; sie ist groß undt starck, ahn solchen leütten ist es noch possirlicher, zu fallen. Sie lachte selber von hertzen drüber; ich war aber recht erschrocken, den ihr kopff war so starck zurückgeschlagen, daß ich gemeint, daß sie sich wehe gethan hette, war aber getrost, wie ich sie so von hertzen lachen [266] sahe[8]. Mich deücht, unßere ehrliche Teütschen thun nicht alles so umb gelt, wie die Frantzoßen undt Engländer, seindt gar gewiß weniger interessirt. Mein gott, wie finde ich den interesse eine heßliche sache! Es ist woll [nicht] recht, den gott Mamon dinen, wie in der h. schriefft stehet; glaube, daß keine größere verdamnuß ist; den daß ist der grundt von alles übels. Unßere Teütschen können ihr leben ihre beüttel nicht spicken, wie die Engländer; den wie sie nicht so interessirt sein, so gedencken sie nicht ahn allerhandt fünck[9] undt renck, gelt zu bekomen, halten daß kauffmanshandtwercken vor eine schande undt daß finde ich estimable. Mein dochter ist, gott lob, von ihren geschwern gantz courirt undt fahrt wider auff die hirschjagt. Die geschwer im mundt thun weher, alß anderstwo. Aber ich muß meine pausse [machen]. Dieß[en] nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben.
Donnerstag, den 5 September, umb ein viertel auff 5 uhr.
Gleich nach dem eßen habe ich gar ein hauffen brieffe bekommen, die habe ich geleßen undt unter andern eines von Ewern lieben schreiben von 24 Augusti, no 66, welches ich heütte nicht beantwortten werde, sondern vor übermorgen sparen. Nachdem ich alle meine brieffe geleßen, bin ich entschlaffen undt werde jetz[t] erst wider wacker, komme wieder, [wo ich geblieben]; aber da kommen meine caleschen, ich werde ein wenig spatziren fahren, den es ist heütte daß schönste wetter von der welt.
Donnerstag umb 7 abendts.
Wie ich wieder von der promenade [gekommen], bin ich in meine tribune undt habe mein abendtsgebett verricht, umb gleich einzuschlaffen können, wen ich zu bett gehe, liebe Louisse! Ich komme jetzt wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich dießen nachmittags geblieben war. Die königin in Preüssen hatt mir schon daß unglück von dem pulverthurn[10] geschrieben; aber sie meldt nicht, daß sie gar übel drüber erschrocken seye, sondern sie spricht nur davon, wie von einer zeittung undt ein groß unglück; sie [sagt] aber nicht, [daß] die fenstern im schloß gesprungen undt außgefallen. Daß erinert mich ahn einer avanture, so zu Besancon[11] ahn [267] madame de Dura[s]fort begegnet undt welche meine dame d’atour geweßen; sie war deß duc marechals de Duras schwester undt tante von mademoiselle de Malause. Der marechal du Duras war gouverneur von Bezançon undt damahlen war seine schwester noch nicht bey mir. In deß mare[sc]halcks hauß zu Bezançon da war ein gartten, im endt von gartten wahren nichen mitt statuen, undter andern eine figur von Jupitter, so etwaß gar schönnes ist Der könig hatt [sie] gekaufft, es ist der rechte Jupitter vom Capitole, jetzt zu Versaille[s]. Madame de Durasfort war einmahl zu Bezançon gantz allein in ihres brudern gartten, ging zu der statue undt sagte: O ça, monsieur Jupiter, on dit que vous aves parles auttrefois; nous voila seuls, parles moy donc! aussi bien tenes-vous la bouche entreouverte[12]. In dem augenblick, wie sie daß sagte, zerspringt die pulvermühl mitt gar großen knal. Madame de Dura[s]fort meint, Jupitter fing ahn, zu reden, erschrack so erschrecklich, daß sie rack ohnmachtig wardt undt man sie auß den gartten tragen muste; wir haben sie biß ahn ihr endt mitt vexirt. Die königin schreibt, daß 2 gantze gaßen zu grundt gangen sein undt gar viel personnen umbkommen sein. Mich wundert, daß eine fraw von Hendtschuchheim[13] nicht catholisch ist; den zu Hendtschuchheim undt Seckenheim undt Ketsch wahren ja zu meiner zeit catholische kirchen. Man thut gar woll, den jungen zu straffen, so die schwanger fraw so hatt fallen machen. Der junge printz von Sultzbach solle allezeit im schloß zu Heydelberg sein; man thut woll, den es ist keine beßere lufft in der welt[14]. Die printzes von Sultzbach thut woll, dort ins kindtbett zu kommen. Gott verleye ihr einen gesunden printzen! Der churfürst lest, wie mir monsieur Gravenbroch dießen abendts gesagt, daß Churpfaltz daß schloß undt den gartten zu Heydelberg biß auff der großen grotten wider zurechtmachen lest[15], welches doch woll sagen wolte, das er es noch bewohnen will, daß heist, er thut waßer in seinen wein. Ich hoffe, daß noch alles gutt werden wirdt undt die bößen pfaffen endtlich nachgeben werden müßen, wozu ich glaube daß die entreveüe von könig in Preüssen, Denemarck undt der landtgraff von Cassel viel hilfft. Hiemitt ist [268] Ewer liebes schreiben durchauß beantwordtet, bleibt mir nur überig, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 264–268
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1154.html
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