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Brief vom 12. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1156.


[271]
St Clou den 12 September 1720 (N. 26).
Hertzallerliebe Louise, mich deücht, es fehlt mir eines von Ewern lieben schreiben; den ich finde in meinen callender nur daß von no 66, vom 24 Augusti, undt dießen nachmittag habe ich daß vom 31 Augusti, no 68, [empfangen], also fehlt mir daß von no 67; ich finde es nicht in mein buch auffgeschrieben, muß mir also fehlen. Die posten gehen gar dol überall, auff alle ende undt wegen klagt man drüber. Meine gesundtheit erhelt sich, gott lob, noch woll, ob zwar jetzt gar viel krancken überall sein. Ey, liebe Louise, warumb wolt Ihr mir danken, daß ich meine schuldigkeit thue? daß ist nie danckenswehrt. Wen man kein gutt hertz undt [272] gemühte hatt, thut man sich selber mehr tord[1], alß ahn andere. Ich schäme mich recht vor hohen leütten, zu sehen, in welche reputation sie sich nun bringen in allen stücken; daß finde ich recht abscheülich. Man solte sich dieße große warheitten in den kopff setzen, daß man unß (ich mein unßer herrgott) nicht in dieße welt gesetzt hatt, nicht umb unßer caprisse zu folgen undt nichts zu thun, alß waß zu unßern divertissement dinnen kan, sondern waß zu gottes ehre dinnen kan; derowegen sollen wir allezeit bedacht [sein], so zu leben, daß wir unßerm negsten gutt exempel undt keine ärgernuß geben, so viel möglich ist. Dazu gehört aber daß kurtze gebett auß einem psalm, so mir von kindtheit ahn die gutte fraw von Harling, wie so[2] noch meine hoffmeisterin [war], mir morgendts undt abendts betten machte: Ach, herr, verlaß [mich] nicht, auff daß ich dich nicht verlaße! Ich habe mein leben die lust nicht begreiffen können, die leütte zu plagen, mitt denen man umbzugehen hatt. Daß macht ja gritlich undt unlustig undt es deücht mir, daß kein spaß sein kan, mitt gritlichen undt unlustigen leütten zu leben; also seines interesse wegen solte man es nicht thun. Waß solle mein[3] sagen? Die welt ist gantz verkehrt; ich werde woll nicht erleben, daß es beßer werden wirdt undt die welt raisonabler werden. Ich bin deß jetzigen verdrießlichen undt langweilligen leben so müde, daß ich kein jahr jünger wolte sein, alß ich bin. Daß parlement ist verdrießlicher, alß [nie], wollen den frieden nicht leyden von den geistlichen undt nichts durchgehen laßen. Die bangue ist auch gar nichts lustiges. Dießes macht mich recht ungedultig. Wie teüffel, hatt graff Degenfelt daß jargon lehrnen können von den bang[4]? Ich mag nicht davon reden, verliehre alle gedult darbey. Es ist heütte just 8 tag, daß monsieur Le Fevre nach Englandt ist, wirdt ohne zweyffel nun bey graff Degenfelt sein. Er wirdt mir gewiß daß zeügnuß geben, daß ich alles gethan, waß bey mir gestanden ist. Monsieur Le Fevre hatt mir gesagt, daß er Eüch schreiben wollte undt von alles rechenschafft [geben]. Ich weiß woll, waß zu Challon[5] geschehen. Ich habe mein leben nicht von so viellen wettern gehört, alß dieß jahr geweßen; aber, gott lob, lautter kalte streich, nichts ist abgebrendt. Aber da schlegt es 10 uhr, liebe Louise! Ich muß nach bett, sage Eüch nur gutte nacht vor 2mahl 24 stundt; den biß sambstag, wo mir gott daß [273] leben verleyet, werde ich ordentlich auff Ewer liebes schreiben andtwortten, nun aber nur in eyll sagen, daß ich gestern bey der duchesse du Lude zu mittag geßen, so unß ein magnifiq mittagsmahl geben. Von dar bin ich, nachdem wir 2 stundt hoca gespilt, zum könig, von dar ins Palais-Royal mitt allen meinen enckelen in die commedie; wir hatten auch mademoiselle de la Rochesurion[6] undt mademoiselle de Clermont. Baron[7] undt die Demare[8] spilten recht woll l’homme a bonne fortune[9]. Gutte nacht, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit recht lieb.
Ich muß noch sagen, daß die arme marquise de Dangeau seyder montag eine wittib ist undt gantz betrübt, jamert mich von hertzen[10]. Ich hab ihr ihrer fraw schwester brieff geschickt. [274]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 271–275
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1156.html
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