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Brief vom 3. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1162.


[291]
St Clou, donnerstag, den 3 October 1720 (N. 32).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich Eüch letz[t]mahl geschrieben, daß ich Ewer liebes schreiben von 17 September, no 73, zu recht entpfangen habe, worauff ich heütte andtwortten werde, undt wo mirs möglich ist, werde ich heütte auff zwey von Ewern schreiben andtwortten; ich sage, wo mirs möglich ist, den ordinari kommen donn[e]rstag undt dinstag alß viel leütte her. Last unß sehen, waß drauß werden wirdt! Gestern fuhr ich nach Paris, funde madame d’Orleans zu bett mitt schmertzen; aber wen ich wolte, könte ichs auch woll so machen, den ich habe daßselbe wehe, so I. L. auch haben, nehmblich ein schmertzen geraht auff die lenden undt den pörtzel. Es kompt wie ein krampff, daß ich solche schmertzen fühle, daß ich mich nicht regen kan[1]; vergeht wider, verhindert mich weder ahn eßen, noch ahn schlaffen. Madame la duchesse d’Orleans sagt, er verhindert sie ahn schlaff; ihre schmertzen kommen öffter, alß die meinen; aber die meine seindt so [292] starck, daß ich feüerroht drüber werde. Ich [glaube], daß es winde sein; den wen ich sie gehen kan laßen, finde ich mich beßer undt bin lenger in ruhe ohne schmertzen. Aber daß wirdt schon wider vergehen, ist keine todtliche kranckheit, aber eine pfaltzgräffische kranckheit, den wir alle mitt winden geplagt sein. Ahn madame d’Orleans muß es etwaß anderst sein; den sie hatt nicht die geringste simpathie mitt unß pfaltzgraffen. Aber stille, last unß von waß anderst reden! Die unrichtig[keit] von der post kompt von nichts, liebe Louise, alß von deß Torsis[2] undt ertzbischoffs von Cambray curiositet, zu wißen, waß ich schreibe[3], undt weillen sie mir nichts bey meinem sohn ahnmachen können, suchen sie, mich bey andern leütten verhast zu machen, haben den marechal de Villeroy gesagt, ich hette ahn mein dochter geschrieben, daß dießer marechal undt alle die, so man de la vie[i]lle cour heist, meines sohns feinde wehren. Wie man mir davon gesprochen, habe ich kaltsinnig geantwort: Il est vray, je lay escrits a ma fille, et je lay escrit parce qu’il est vray et que les lettres de l’ambassadeur d’Espagne en ont asses fait foy[4]. Aber auß dießem eschantillon[5] segt[6] Ihr woll, liebe Louisse, warumb meine brieffe so übel gehen. Aber nun muß ich eine gewöhnliche pause machen. Waß mich heütte so spät schreiben macht, ist, daß ich gestern zu Paris geweßen; habe also meine capittel in der Bibel nicht eher, alß heütte, leßen können; darnach seindt mir auch noch interuptionen kommen, muß also auff nachmittag verschieben.
Donnerstag, den 3 October, umb 3/4 auff 7 abendts.
Ich habe ohnmöglich eher, alß nun, wieder zum schreiben gelangen können. Ich bin gar spät ahn taffel gangen, liebe Louise! Den es ist mir viel desordre in meiner kleydung, bander haben gebrochen, man hatt ander[e] capen hollen müßen, andere unterrock. Daß hatt mich so lang auffgehalten, daß ich erst umb halb 12 zur taffel gekönt, war also nahe bey 3, wie ich von taffel bin, undt umb halb 4 ist meine calesch kommen, bin spatziren gefahren. Es [293] war daß schönste wetter von der welt, kein windt, recht ahngenehm wetter, bin biß nach 5 spatziren gefahr[e]n. Hernach habe ich ein schreiben geleßen von der königin von Preüssen, so ich entpfangen, undt ein paquet von Eüch, liebe Louise, von 21 September, no 74, sambt einer schönnen silbern medaille vom keyßer undt von Messine, dancke Eüch von hertzen vor dießes alles, wie auch vor daß kupfferstück[7]. Dießes alles amussirt mich sehr, wie auch, zu wißen, wer jetzt auff der meß zu Franckfort ist. Wie ich im vollen leßen ware, hatt man ins gebette geleütt, welches mich noch eine gutte halbe stundt auffgehalten hatt. Nun geht mirs, wie daß frantzösche sprichwordt sagt: Je suis comme un asne entre deux prés qui ne sait, auquel aller[8]; den ich habe so viel schreiben von Eüch, liebe Louise, da vor, daß ich nicht mehr weiß, bey welchem ich ahnfangen solle; will bey dem frischten ahnfangen. Ich weiß nicht, liebe Louise, auß waß ursachen man Eüch eine zeit her alle meine schreiben 2 undt zwey auff einmahl gibt. Aber ich muß [es] in dem fall machen, wie mein schreibmeister[9] mir gelehrnt undt in schreibbuch geschrieben hatte, nehmblich:
Waß nicht zu endern stehet,
Laß gehen, wie es gehet[10]!
Es geht doch noch woll hin, wen man doch die brieffe nicht verliehrt, wie es mitt meinem von 7, no 7, gangen undt Eweres von no 67. Gott weiß, wo die 2 schreiben hingekommen sein, ob sie ein altministerischen oder neüen ertzbischofflichen hindern gewischt haben[11]. Wen daß were, wolte ich, daß unßere brieffe beißen könten, wie in dem merchen von Kacka maman. Daß seindt hochwichtige wörtter, umb von den herrn ministern mitt aplication geleßen zu werden, den l’estat wirdt hiemitt gedint werden. Die ursachen, warumb die posten so übel gehen … Aber ich habe heütte morgen schon genung davon geschprochen. Daß thewer leben hir ist nicht so sehr auß noht, alß auß schelmerey von allen kauffleütten, wie sie auch nahmen mögen haben. Alles ist so gottsjämmerlich interessirt hir im landt, daß es recht eckelhafft ist, machen [294] mich auß der haut fahren vor ungedult, ich gestehe es, mögte woll ein par hencken sehen. Aber, liebe Louise, seüfftzt nicht drüber! den seüfftzen ist bitter ungesundt undt gibt brustwehe. Aber gott den allmächtigen umb beßerung unßeres standts zu bitten, daß ist gutt undt bitte Eüch sehr drumb. Ihr habt gar woll gethan, die fürstin von Ussingen nicht in ihrem assamblée zu troubliren mitt der bößen zeittung von ihres schwagers[12] todt. Ich habe madame de Dangeau noch nicht gesehen, seyder sie witwe ist. Man kan [sich] unmöglich sehr umb einen schwagern betrüben undt grämen, den man sein leben nicht gesehen hatt. Man beklagt nur die schwester, so noch gar betrübt sein solle; sie solte sich doch getrösten, den er hette doch nicht lang mehr leben können, war schon über 83 jahr alt. Ich habe madame de Dangeau, seyder sie witwib ist, nicht [gesehen]; sie hatte ihren ungesunden leib … den sie ist [in] allen stücken sehr tugendtsam undt folgt ihre schuldigkeit in allen stücken. Ich wünsche, hertzliebe Louise, daß Ihr Eüch bey der gutten undt großen geselschafft, so Ihr nun zu Fran[k]fort hatt[13], recht lustig mögt machen. Die landtgräffin von Darmstatt wirdt fro sein, ihre fraw mutter wider zu sehen. Wie ich sehe, so tournirt le diable au contretemps bey Eüch eben so sehr, alß hir. Waß ist die gräffin von Wittgenstein, die jetzt bey Eüch ist, unßerm geweßenen obermarschalck, den graffen von Sain[14]? Dieße gräffin muß hipoconder sein, allezeit so in threnen zu stecken; daß ist doch mitt der zeit langweilig, allezeit flenen zu sehen. Daß solt Ihr ihr abgewehnen; daß hilfft ja zu nichts, alß sich selber zu quellen undt ander leütte beschwerlich zu sein. Den graffen von Leiningen-Westerburg kene ich woll; er meint, ich hette ihm seinen proces verliehren machen. Aber ich habe mich gar nicht drinen gemischt, weder gegen noch vor; er hatt alß propossitionen, so gar nicht thunlich sein, undt wirdt recht böß, wen mans nicht thut; daß hatt mich, die warheit zu sagen, sehr gegen ihn refroidirt, den daß wirdt importun auff die lenge[15]. Die schönne medaille, so Ihr mir geschickt, hatte ich nicht, dancke Eüch gar [sehr], werde sie daß erste mahl, daß ich nach Paris werde, placiren. Ich bin alß bang, daß [295] in itzigen bößen zeitten Ihr Eüch incommodiren mögt, undt daß were mir hertzlich leydt; dancke Eüch nochmahlen von hertzen vor alles artige, so Ihr mir geschickt. Unßere printzessin von Modene ist gantz außer gefahr[16]. Kinderblattern mögen zeichenen oder nicht zeichenen, so endern sie doch allezeit. Sie hatt gar eine groß aquiline, habichsnaß[17]; wirdt die marquirt, kan es nicht schön stehen. Ich habe so viel alte damen gekandt, so zu Louis XIII zeitten wahren, daß ich den alten hoff kene so woll wie den zu meiner zeit. Ey, liebe Louise, sprecht nicht so abgeschmackt! Ihr wist ja woll von alter[18], daß complimenten meine sache gar nicht sein. Daß lernt Ihr bey allen den grafflichen leütten, da Ihr nun bey seidt. Wozu dint daß entschuldigen? Ihr wist, Louise, daß mir Ewere brieff lieb undt ahngenehm sein; sie mögen also lang oder kurtz sein, brauchen sie weder entschuldigungen, noch complimenten. Ihr habt mich lieb, Ich Eüch; wir seindt einander nahe genung darzu undt ich versichere Eüch von hertzen, daß, so lang ich lebe, ich nicht gegen Eüch endern werde, sondern allezeit lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 291–295
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1162.html
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