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Brief vom 17. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1166.


[307]
St Clou den donnerstag, 17 October 1720 (N. 35).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte gar spätt ahn, zu schreiben; den ich habe schon große arbeytten gethan. Die erste war, in der Bibel zu leßen, welches ich gestern nicht habe thun können, wegen meiner Parisser reiß nicht habe thun können; hernach habe ich ein schreiben ahn Churtrier beantwortet, so ich vorgestern entpfangen. Er schreibt mir, daß, weitt darvon, daß das schloß zu Heydelbe[r]g solte rassirt werden, daß es Churpfaltz mitt der zeit gantz wider repariren wolte. Gott gebe es! Zu Paris habe ich eine betrübte zeittung erfahren, daß nicht allein 70/m. menschen [308] zu Marseillen ahn der pest gestorben sein[1], sondern auch daß ToulIon von dießer heßlichen krankheit ahngesteckt ist. Ich fürchte, es wirdt endtlich gar herkommen. Gott bewahre unß doch davor! Den es ist etwaß gar abscheüliches. Wie ich nach Paris fuhr gestern, hatten wir starcken windt; wie ich aber von Paris wegfuhr, regnet [es] abscheülich, alß wen mans mitt küblen göße; es wehrte aber nicht gar lang. Baron[2] hatt in seinem stück gestern beßer, alß nie, gespilt, war so vif undt lebentig in alles[3] seinen actionen, daß er, ob er zwar zukünfftigen mont in sein 70 jahr gehen wirdt, schiene er kaum 30 alt [zu] sein. Es ist woll zu verwundern, wie der mensch sein alter führen kan. Aber es ist auch zeit, daß ich auff Ewer liebes schreiben komme von 1 dießes monts, no 77. Ich habe heütte nachmittags noch eines von 5 dießes monts entpfangen, no 78. Da werde ich heütte nicht andtwortten, sondern es vor übermorgen sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Aber da leütt man ins abendtgebett; nach dem gebett werde ich Eüch ferner entreteniren. Adieu, biß ein halb stündtgen vorbey sein wirdt! Da komme ich wieder auß dem gebett undt es hatt schon 6 uhr geschlagen. Nach Allerheylligen wirdt man umb 5 auß dem gebett gehen; daß wirdt dawern biß Ostern, da man wider umb 3 viertel auff 6 ins gebett wirdt. Aber daß geht Eüch wenig ahn, liebe Louisse, weiß auch nicht, warumb ich Eüch dießes alber gespräch halte; weillen ich eben auß der capel kam, ist es mir eingefallen. Es ist mir leydt, liebe Louisse, daß Ihr so einen starcken schnupen habt. Man sagt, es seye gesundt; aber ich gestehe, daß ich lieber daß fieber habe, alß den schnüpen; er ist mir unleydt[lich], beklage also alle die, so es haben. Ihr hettet mir nur ein par wordt sagen sollen; den nichts vermehrt die flüße mehr, alß schreiben. Nichts ist gewißer, noch unfehlbarer, alß daß man den schnupen undt husten unfehlbar bekompt, wen man warm hatt undt eine kalte lufft einem in den rücken geht, insonderheit in den nacken. Geschickt hundt zu sehen, wer eine rechte feste vor mich geweßen; ich liebe sie gar sehr, findt leicht alles schön, waß sie thun. Hertzog Goerg Wilhelm hatt mir einmahl ein hindtgen geben [309] undt auß Ittallien gebracht. Die hieß Dindu, war gar artig, ein tigerchen; daß kleydt man ahn, undt wens ahngezogen war, ging es nie auff 4 füßen; wens müde war, setzt es sich undt lehnt sich ahn der mauer ahn; daß trug auch brieff, ahn wem man wolte. Sie starb zu Franckenthal, wie ich auß Hollandt undt von Utrecht wider in die Pfaltz kam; koste mir viel threnen. Der post naredey ist nun, Eüch allezeit 2 von meinen schreiben auff einmahl zu geben. Vergangen jahr hatten sie daßelbe spiel mitt meinen schreihen ahn die printzes von Wallis. Gott weiß, wie lang dieß werden[4] wirdt. Wie ich auß Ewerm letzten, so ich heütte entpfangen, ersehen, liebe Louise, so habt Ihr gar recht errahten, indem man Eüch 2 briff auff einmahl gebracht hatt. Auff den reveüen gehe ich nicht mehr; ging ich hin, müste ich weinen, den es würde mich zu sehr erinern ahn den zeitten, wie ich alß mitt unßerm könig s. auff die reveuen geritten bin. Man machts gewiß dem jungen könig machen, wie der könig, sein uhralt herr vatter, in seinen reveuen zu thun pflegte. Unßerm könig fehlt nich[t]s, gar artig zu sein, wen er nur ein wenig mehr sprechen [würde]; es ist ein recht schön kint undt hatt recht hohe minen. Ich habe noch ein par wort auff Ewer liebes schreiben vom 28 September, no 76, zu antwortten. Ich war geblieben, liebe Louise … Die fürstin von Ussingen, fürchte ich, wirdt kein contentement bekommen; den in so sachen habe ich kein exempel gesehen, daß sich der könig drin gemischt hette. Nach Strasburg werden wir woll nicht. Ich wolte, daß wir hin würden, umb den trost zu haben, Eüch noch einmahl vor meinem endt zu ambrassiren. Ich fürchte sehr, die pest wirdt endtlich auch herkommen. Bißherr ist die lufft noch gar gutt; aber solte die pest in der nachbarschafft kommen, würde dieße gutte lufft nicht zu trawen sein. Ich mogt von hertzen wünschen, so glücklich zu sein, liebe Louise, daß [was] ich ahn daß kleine secretärgen gesagt, einen gutten effect vor Eüch, liebe Louisse, thun möge; den ich wünsche sehr, Eüch zu weißen undt versichern, wie daß ich Eüch von hertzen lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 307–309
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1166.html
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