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Brief vom 19. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1167.


[310]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 19 October 1720 (N. 36).
Hertzallerliebe Louise, ich erwarte woll heütte ein schreiben von Eüch, aber bin gewiß, daß Ihr dießelbe post keines von mir werdet entpfangen haben, weillen sie nun in der rage sein, Eüch alß meine brieffe 2 undt 2 auff einmahl zu geben, wie sie auch den 4 dießes monts gethan, wie ich vorgestern auß Ewerm schreiben, liebe Louise, vom 5ten, no 78, ersehen. Es ist war, daß man nur zufrieden sein muß, wen keine schreiben verlohren werden. Ich bin noch ein wenig matt von den burgirenden grünen safft, so man mir heütte 8 tag undt morgen 8 tag hatt nehmen [machen], aber doch gesundt, gott lob, wiewoll gantz undt gar nicht lustig. Es geht nichts nach meinem sin, ich kan nicht auß ängsten kommen, undt seyder ich vergangen mittwog morgendts den verfluchten brieff entpfangen, wie ich Eüch letz[t]mahl bericht habe, seyderdem [habe ich] nicht mehr so woll schlaffen können, alß vorher. Aber wie ich von natur keine gar große schlafferin bin, so glaube ich, daß es mir nicht schaden wirdt. Last unß von waß anderst reden! Dieß ist zu trawerig, ich bin ohne daß leünisch genung. Alles, waß man unßer abtißin[1] vorgebracht, wahren lautter lügen undt schelmereyen, umb gelt zu haben. Ich kan vor meinem todt nicht leyden, daß man mir secretten macht undt waß verhehlen will; so gutt es auch gemeint mag sein, macht es einem ein gar zu sot personage agiren[2]. Monsieur Laws sein sisteme hatt mir nie gefahlen. Wolte gott, ich hette mich hirin betrogen! Von den willen, obs gutt gemeint geweßen oder nicht, kan ich nicht judiciren; der text ist mir zu hoch. Aber daß alles übel außgeschlagen undt meinem armen sohn einen großen haß zuwegen gebracht, daß ist nur zu sicher undt gewiß. Es ist woll schadt, daß unßere abtißin von Chelle[s] kein printz ist; sie ist eben so courageux, wie ihr herr vatter, fürcht nichts in der welt undt ihre groste freüde wehre, sich [mit] degen undt pistollen herumbzuschlagen[3]. Ich lache sie mitt auß undt [311] sage ihr alß, sie solle bedencken, daß sie eine none undt keine Amasone[4] seye, solle also keine so große lust in gewehr nehmen. Deß Lutzaw[5] undt Dorignies erinere ich mich gar woll; Lutzau war scheel, ein gutter mensch, gliche dem graff Vrangel[6], so lang zu Heydelberg studirt, so woll, alß graff Carlsohn[7], so ein lincker oncle vom könig in Schweden war. Daß seindt lautter leütte von meiner zeit. Dorignie hatte einen oster[r]ei[chi]schen accent, blatte haar undt zwey große zähn oben, so ein wenig außwerts gingen. So segt Ihr woll, liebe Louise, daß ich mich der alten zeitten noch gar woll erinere. Von Hoim[8] höre, noch sehe ich nichts, weiß nicht, wo er hinkommen ist; den es ist schon lang, daß er in Lotteringen geweßen, undt meine dochter hatt mir schon vor 4 wochen geschrieben, daß sie ihn gesprochen. Er sahe so bitter übel auß, alß ich ihn letztmahl gesehen, daß er vielleicht von nöhten hatt, einen tour bey den berümbten balbirer vorher zu thun, ehe er sich weißen darff. Ewere 9 seytten, liebe Louise, habe ich in 4 beantwortet undt ich weiß gantz undt gar nichts neües. Erfahre ich etwaß dießen nachmittag, liebe Louise, werde ichs Eüch berichten, wo nicht, so nembt nur vor dießmahl mitt dießen wenigen zeyllen vorlieb undt seydt versichert, liebe Louise, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 310–311
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1167.html
Änderungsstand:
Tintenfass