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Brief vom 2. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1171.


[322]
St Clou den 2 November 1720 (N. 40).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich, wie [ich] Eüch vorgestern versprochen, auff Ewer liebes schreiben vom 12 October, no 80, zu andtwortten; [es] ist daß eintzige, so ich noch von Eüch habe. Ich hatte gehofft, gestern waß von Eüch zu bekommen, aber es ist nichts [gekommen]; man versamblet mir vielleicht wider 2 oder 3, wie vor 8 tagen, umb sie mir auff einmahl zu geben. Dem seye, wie ihm wolle, so werde ich heütte schreiben. Da haben sie ja nun die rage, Eüch zwey von den meinen immer auff einmahl zu geben. Die pomade divine hatt mich gantz von dießen blöung courirt. Madame d’Orléans ist auch courirt; ich bins aber woll 8 tag eher geweßen. Sie ist allezeit fro, wen sie eine occasion hatt, im bett zu fa[u]llentzen. Ich glaube nicht, daß in der welt eine faullere creatur kan gefunden werden, alß sie[1]; sie gestehet es selber gar gern undt lacht drüber. Wir haben keine simpati in nichts mitt einander. Ich habe mein leben kein weniger obst geßen, alß dieß jahr; mich deücht, es war nicht so gutt, alß in den andern jahren. Aber da muß ich eine pausse machen; den da kompt mein intendent undt secretaire des commandement[s] herein, bringt mir paprassen zu unterzeichenen vor Montargie[2]. Gleich nach dem eßen [323] werde ich nach Madrit; aber wen ich wider werde kommen sein, will ich Eüch vollendts entreteniren, biß ich schlaffen [gehe]; den mein nachteßen ist baldt geschlückt, da gehört kein[e] halb viertelstundt zu. Es ist ein heßlich wetter, aber die jahrszeit bringt es mitt sich. Muß doch noch diße seytte füllen undt voll schreiben. Ich eße gar wenig trauben, nur morgendts eine grape mousqueteller[3], den daß hilfft mich morgen zu stuhl gehen; nachmittags, noch ahn taffel eße ich keine, nur ein apffel, so man hir pom[m]e de Calvil[le] heist.
Sambstag, den 2 November, umb 7 abendt.
Es ist schon eine gutte stundt, daß ich von Madrit kommen. Ich habe aber meinen ordinari courier hir gefunden mitt dem paquet von Savoyen undt ein brieff von der königin von Sardaignen bracht von 23 seytten. Daß habe ich geleßen, daß hatt mich bißher auffgehalten, liebe Louise! Darnach ist mein enckel, der duc de Chartre[s gekommen], mitt dem ich mich auch ein wenig amussirt habe. Drumb fange ich so spät wider ahn, zu schreiben undt komme jetz[t] auff Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war. Weillen man den Bacheracher[4] erst hir drinckt, wen er 7 oder 8 jahr alt ist, mögte ich woll wenig part ahn dem Bacheracher haben, so dieß jahr gemacht worden. Gott weiß, wo ich in 8 jahren sein werde, undt vor die lust, so ich in dießem leben jetzt habe, liebe Louise, könt ich ohne schrecken hören, daß ich die 8 jahren nicht erleben würde. Meine gesundtheit ist, gott lob, nun gar gutt. Die erste institution von der bomade[5] divine ist vor rhumatismen, undt waß ich in den hüfften hatte, war doch ein art davon, fühle gar nichts mehr davon, gott lob! Kompt mirs wider, werde ich nichts anders brauchen. Es ist mehr boßheit, alß vorwitz, daß die zwey böße minister[6] meine brieffe alß leßen wollen. Wer will ihnen wehren oder wer kans thun? Den alle brieffe gehen durch ihre handt. Sie werdens auch nicht gestehen; aber die probe doch, daß sie nicht allein meine brieff leßen undt nachsagen, ist, daß der marechal de Villeroy undt der von Thessé[7] [324] sich so sehr über mich beklagen über waß ich von ihnen ahn meine dochter geschrieben hatte[8]. Die medaille von Messine hatt mich erfrewet, liebe! habe sie mitt lust in mein medaillen-kistgen placirt. Ich hoffe, daß ich Eüch nun baldt wieder werde kirbe schicken können. Den alles wirdt wider wollfeyller[9], man fängt auch wider ahn, golt zu sehen, aber es ist noch gar hoch, ein louisd’or gilt 54 francken, es wirdt aber alle monat abschlagen, also zu hoffen, daß mitt der zeit alles wider in den alten standt kommen wirdt. Gott gebe es! Den ich [bin] dem[10] Missisipie-banque undt action[en] so müde, alß [wenn] ich es mitt löfflen gefreßen hette, werde gott dancken, wen ich nichts mehr davon hören werde. Ihr habt woll gethan, mir kein agath zu schicken; den ich brauch es nicht, den ich nehme mein leben kein taback undt selbige dosen seindt hir gar gemein. Seyder wan lißpelt Ihr, liebe Louise, daß Ihr Außpürg vor Augsburg sagt[11]? Redt man nun so in Teütschlandt, oder ist es nur ungefehr geschehen? Die agathen seindt greüllich wollfeil in Franckfort. Hir hatt man keine bekommen, wie sie a la mode, vor 6 oder 8 louisd’or. Vor dem czaar habe ich schon vorgestern gedanckt, wie auch vor den printz Eugenius; thue es gern noch einmahl. Printz Eugenius muß greülich geendert [sein], wo er eine lange spitze naß bekommen; den die hatt er gewiß gar nicht in seiner jugendt[12]. Ich habe der fürstin von Ussingen noch nicht ahndtwortten können, den mein sohn hatt mir doch[13] keine andtwordt auff ihre sach geben; er ist so accablirt mitt affairen, daß er sich nicht zu behelffen weiß. Ich werde ihn noch biß mitwog dran gemahnen, da ich nach Paris werde, unßere hertzogin von Hannover zu sehen, so übermorgen abendts ahnkommen solle. Kopffschmertzen seindt diß jahr [zu] beklagen; madame de Chasteautier[14] ist auch gar offt mitt geplagt. Ich sage nichts mehr von dießer fürstin von Nassau Ussingen kranckheit, weillen ich durch Ewere 2 a[n]dere schreiben gesehen, daß sie courirt ist. Daß muß der gräffin von Solms doch frewen, ihr hauß mitt ihrer eygenen handtarbeydt meublirt zu sehen; aber mir wehr[e] es eine qual, wen ichs machen müste. Ich bitt umb verzeyung, liebe Louise, nicht [325] Ewer[er] meinung zu sein; aber ich finde es bitter langweillig, wen ich jemandts höre, so allezeit, ohne auffzuhören, spricht; daß heist man hir un moullin a parolle. Zur schwesterschafft würde ich mich bitter übel schicken. Die königin in Spanien, die zu Bajonne ist[15], heist mich allezeit mama oder mamachgen. Daß ambarassirt mich alß; den auff solche gentillessen weiß ich nichts zu andtwortten, bin ahn so sachen nicht [gewöhnt]; die wahren nicht der brauch ahn unßeren hoff, noch zu meiner zeit. Wehret Ihr so ambarassirt in solchen sachen, wie ich, würde ich Eüch, liebe Louisse, sehr beklagen. Wir seindt leyder alt nun; den ob Ihr zwar 9 oder 10 jahr jünger seydt, so bin ich alt genung, umb daß die, so 10 jahr jünger sein, alß ich, nicht mehr jung sein können. Es ist unßer Westerwellen[16], wie ihn I. G. unßer herr vatter alß geheyßen, so die Brockdörffin[17] geheüraht. Die war nicht zu meiner zeit bey meines bruders gemahlin. Die 4 freüllen zu meiner zeit wahren die Harenberg[18], Osten, Leschebrandt[19] undt meine Woltzogin, die hernach den Eberfritz von Veningen, Lenor bruder, geheüraht hatt. Der sohn hatt sich beßer verheüraht, alß der sohn[20], weillen er auch eine reichsgraffin genohmen. Man solle zu Darmstatt nicht betrübten[21], daß die erpprintzes dießmahl nur eine printzessin bekommen; sie seindt beyde jung genung, umb noch viel printzen zu bekommen. Im ahnfang, alß ich geleßen, daß die printzes von Darmstatt ohnmachtig worden, wie ihr breütigam ahnkommen, hab ich erst gedacht, sie hette waß anderst im kopff; aber weillen sie so gutt freündt geschieden, sehe ich, daß es nur modestie war. Da schlegt es zehen undt Ewer brieff ist zum endt, sage also nichts mehr sagen[22], liebe Louise, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 322–325
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1171.html
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