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Brief vom 7. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1172.


[326]
St Clou, den donnerstag, 7 November 1720 (N. 41).
Hertzallerliebe Louise, Ewer liebes schreiben vom 22 October, no 83, habe ich nicht eher, alß nun, beantworten können; den es ist erst vergangenen sontag ahngekommen. Ich bin recht ungedultig, zu sehen, wie man unß mitt den brieffen zergt[1], undt Eüch alß zwey undt zwey auff einmahl gibt undt mir 3 von den Ewerigen letztmahl gebracht hatt. Daß ging noch endtlich woll hin, wen man sie nicht gar verliehrt, wie sie es mitt dem vom 7 September gemacht hatten. Der grüne safft ist mir, gott lob, gar woll bekommen; matt hatt es mich woll gemacht, aber wen man mich nicht dabey, wie schon etlichmahl geschehen, zur ader lest … Suma, vor ein mensch, so sich allezeit tag undt nacht in sorgen undt ängsten sicht, nichts, alß trawerige sachen, hört undt waß unahngenehm sein undt noch allezeit schlimmere zeitten zu hoffen hatt undt sich nichts darff mercken laßen, vor ein solch leben, liebe Louise, befindt ich mich noch gar woll. Große kälte haben wir noch nicht hir gehabt, aber ein feücht undt zimblich unahngenehm wetter biß auff vorgestern, da ist es hübsch worden; nein, es war schon vergangenen montag schön wetter. Gestern bin ich nach Paris, geradt au Luxemb[o]urg zur hertzogin von Hannover. Ich finde E.[2] L. nicht viel verendert seyder 27 jahren; ich scheine viel älter, alß sie, ob ich zwar 2 jahr jünger bin. Ich glaube, es wirdt dieße nacht erschrecklich frieren; den es ist gegen abendt gar kalt worden. Man sagt, die pest nimbt sehr ab zu Marseillen. Ich solte gemeindt haben, Franckfort were weitter von Marseiile, alß Paris. Es hatt sich doch die leydige pest greüllich in Provence außgebreydt[3]. Ich wolte woll nicht schwehren, daß es einmahl auch hirher kommen solte. Ich habe mich gantz hirin in gottes willen ergeben. Ich habe nur schon zu lang gelebt undt habe offt beklagt, nicht ahn meine kinderblattern gestorben [zu] sein. Von der constitution weiß ich nichts, ich man[4] sie nicht einmahl nenen hören; von dieß undt von den billiet de banque undt actionen [zu sprechen], habe ich absolutte verbotten. [327] Ich habe meinem sohn der fürstin von Ussingen brieff geben; er sagt, er wüste nicht eygendtlich, wie es mitt dießer sach vor eine bewandtschafft habe, ob daß closter oder der könig der[5] reparationen vom hauß bezahlen müßen; daß wolle er genau examiniren laßen undt mir hernach die andtwortt drauff geben. Dießes bitte ich Eüch der fürstin zu sagen, liebe Louise! Der sudsée[6] bin ich ebenso müdt, alß deß Missisipi. Aber da kompt man mich dreiben, umb nach bett zu geh[e]n; den es ist schon über halb 11. Ich habe heütte viel zu schreiben gehabt, ahn mein sohn, ahn die königin in Preüssen, ahn freüllen Pelnitz undt monsieur Harling. Zu Paris seindt leütte narisch undt rassendt worden. Die h. schriefft hatt woll recht, wen sie sagt, daß der geitz ein wurtzel von alles übels ist[7]; daß sicht man nun woll hir undt auch in Englandt. Die historie vom Englander ist abscheülich, aber doch lächerlich. Aber ich muß nach bett; biß übermorgen ein mehres, liebe Louise! Ich werde Eüch schreiben, ehe ich nach Paris werde, aber nun nur sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 326–327
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1172.html
Änderungsstand:
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