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St Clou den donnerstag, 14 November 1720 (N. 43).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen samstag, alß die post
schon weg war, ich will sagen, mein ordinarie courier, bin ich mitt
zwey Ewern lieben schreiben auff einmahl erfrewet worden; den ich
fing schon ahn, schir bang zu werden, daß ich in 3 posten nichts
von Eüch gehört hatte. Aber nun ist es so woll ersetzt, daß ich
dießen nachmittag wieder ein liebes schreiben von Eüch bekommen
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vom 2 dießes monts, no 86; die andere zwey seindt vom 26 undt
29 October, no 84 undt 85, liebe Louisse! Weillen ich heütte
ohnmöglich auff alle 3 zugleich andtwortten [kann], den es ist schon
spät … Mein sohn hatt mich nach dem eßen eine vissitte
[gemacht] undt hernach habe ich einen großen brieff ahn mein dochter
schreiben müßen durch einen expressen courier, so dieße nacht
wieder nach Lotteringen geht. Ich hoffe, doch noch, ehe ich
schlaffen gehe, auff Ewer liebes schreiben vom 2 November, no 86, zu
andtwortten; will mich tumel[n], so viel mir möglich sein wirdt.
Wen die brieffe nur 24 stundt verseümen, undt wie alle die posten
nun gehen, muß man nur gott dancken, wen die brieffe nicht
verlohren werden. Mich verlangt sehr, biß Ihr Ewer paquet vom 26
October, no 38, entpfangt. Ich fürcht, daß regenwetter wirdt daß
arme porte-[lettre] gantz verderben. Ich weiß dem gutten, ehrlichen
landtsman Mathes
[1] recht danck, daß es ihm erfrewet, wen er Eüch
von meinen paquetten bringt. Ah, gott sey danck, daß mein
porte-lettre ohne schaden überkommen! Ich bin aber ein nar, daß ich
davon gesprochen, ehe ich Ewer liebes schreiben geleßen, worinen
ich gefunden, daß Ihr es entpfangen. Frewet mich, daß es Eüch
ahngenehm geweßen, liebe Louisse! Aber ich sehe woll, daß Ihr
wenig romans lest, daß Ihr nicht gesehen, daß die zwey, so sich
auff dem schiff schlagen, auß einem küpfferstück von dem roman
von Cleopattre
[2] ist, wo sich Artaban mitt einem piratte schlegt.
Missisipi undt ich haben nie nichts mitt einander zu thun. Ich
haß es wie den [teuffel]. Dieße bagatellen bedörffen keine
dancksagung; den ich muß ja mein wordt halten. Habe ich Eüch den nicht
versprochen, alle jahr eine kirbe zu schicken
[3]? Undt weillen ich
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weiß … Seyder etlich jahren, ich will sagen seyder 20 oder 30 jahren,
hatt man demanden von allerhandt farben, blaue, rotte, gelbe,
grüne. Erin[e]rt Ihr Eüch nicht, liebe Louise, daß ich dergleichen
ahn unßere liebe churfürstin undt tante geschickt hatt
[4]? Aber
dieß kleine demantgen solle roht bleiben, wen es auß dem chaton
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ist. Ob es war ist, weiß ich nicht; ist es nicht war, hatt es doch
die farb woll ahngenohmen. Wen Ihr, liebe Louise, nicht reich
werdet, alß durch die bagatellen, so ich Eüch geschickt, werdet
Ihr, liebe Louise, woll arm bleiben. Ich trage meine kleine ring
alle ahn der linken handt; aber ahn der rechten trage ich den
gelben demandt von meiner lieben dauphine von Bayern, den sie
mir im sterben vermacht hatt undt welchen ich ihr versprochen all
mein leben zu tragen, woran ich auch nicht fehlen werde. Madame
de Brancas wirdt, wilß gott, couriren, sie wirdt taglich beßer
[6].
Freyllich muß ich alß duchessen zur dame d’honeur haben; ging
es nach tugendt, were madame de Chasteautier gewiß die würdigste
[7].
Der könig kan allein duchessen machen; auß[er] königliche
metressen ist kein exempel, daß man eine ungeheürahte person zur
duchesse gemacht hatt. So sachen gehen hir nicht ahn, liebe Louise!
Da ist nicht ahn zu gedencken; zudem so wirdt madame de Brancas
couriren. Aber es hatt schon 10 geschlagen, ich muß wider willen
enden wegen meiner dochter brieff, so noch heütte zu Paris sein
muß. Adieu den, lieb Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen
undt habe Eüch recht lieb.