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Brief vom 23. November 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1177.


[340]
A St Clou den 23 November 1720 (N. 46).
Hertzallerliebe Louisse, seyder Ewere letzte schreiben habe ich nichts von Eüch entpfangen, habe also gar woll gethan, noch eines von Ewern lieben schreiben vor heütte zu sparen; es ist daß allerälste von 26 October, no 84. Ich will nichts mehr von der post sagen, die so wunderlich geht; den da ist kein ander mittel zu, liebe Louise, alß die gedult, wie in viellen andern sachen auch. Der grüne safft, so woll er mir auch bekommen, hatt es mich doch nicht verhindert, einen abscheulichen husten undt schnupen zu bekommen, wie ich schon letztmahl geschrieben. Den tag über geht es noch all leydtlich; aber die[1] nachts lest es mich nicht schlaffen, huste 2 undt 3 stundt ahn einem stück, bin auch, alß wen man mich geprügelt hette. In 3 nachten habe ich keine 3 stundt ahn einander geschlaffen undt ich huste so erschrecklich dießen abendt, daß ich dieße nacht woll nichts beßers zu hoffen habe. Biß donnerstag, wo ich nicht unterdeßen ersticke, werde ich Eüch sagen, liebe Louise, wie es abgangen [sein] wirdt, will Eüch auch nicht länger mitt dießem langweillichen discours auffhalten, der mir langweilliger, alß niemandts, ist. Last unß den von waß anderst reden! Komme wider auff Ewer liebes schreiben. Man hatt daß purgiren von nöhten, wen man alt wirdt, dick ist undt gar kein exercitzien mehr thun kan. Dieße ursach hatt mich allein consentiren machen, die medecinen zu nehmen; sonsten hette ich mich mein leben nicht dazu resolviren können. Docktor Bruner[2] ist nicht [341] mehr zu Hannover, sondern nach Schwetzingen. Man estimirt dießen docktor sehr überall. In verdrießlichen sachen finde ich, daß schweygen allezeit daß beste ist. Wen man gar alt wirdt undt ursach hatt, gridtlich zu sein, würde man gar zu gridtlich werden, wen man davon sprechen solte; also sage ich noch einmahl, daß daß beste ist, zu schweygen. Es war ein falsch geschrey, daß die pest zu Tullon[3] ware; sie ist, gott lob, nicht dort, hatt auch zu Marseille gantz auffgehört. Wen die kalte undt der frost die pest vertreiben solle, so solle sie nun schon verjagt sein; den seyder 8 tagen frirt es sehr starck hir, man sicht große stücker eyß, heütte aber hatt es zum ersten mahl von dießem winter geschneyet, der schnee ist aber gleich geschmoltzen. Daß macht mir glauben, daß es itzunder starck [kalt] in Teütschlandt ist undt in der Pfaltz. Da wünsche ich mich nun nicht mehr hin; ich müste tag undt nacht weinen, wen ich da wehre[4]; darff nicht recht ahn die alten zeitten gedencken, werde gleich nachdenckisch undt trawerig. Der könig in Polen forcht nicht[5]; ich kene noch einen so, nehmblich mein sohn. Zu Wien ist die pest gar nicht. Daß ist woll wahr, wie daß frantzösche Sprichwort sagt: Ce que Dieu garde, est bien gardé. Alle leütte, so ich in meiner jugendt gesehen, seindt mir gantz undt gar nicht auß dem sin kommen; unßern gantzen alten hoff könte ich mahlen, jung undt alt. Mich wundert, daß Churtrier Eüch Ewere bitt vor graff Degenfelt[6] nicht accordirt; daß ist ja ein geringes vor I. L. undt mich deücht, in dem neüburgischen hauß liebt man daß geschwinde oblijiren nicht gar hoch. Es stehet doch in der h. schrieft: Einen geschwinden geber hatt gott lieb[7]. Ich habe das schloß gesehen, man hatt mirs gewißen auff dem Rhein. Wen ich keyßer were, wolte ich mein leben keine[n] neügebackenen edelleütten alte gutten heüßern[8] lehen geben; daß choquirt recht. Ich glaube, daß Schonburg, nun es ruinirt, woll abscheüliche burg heißen könte. Nichts graust mir mehr, alß ein ruinirt schloß, undt macht einem so gar betrübte undt trawerige reflectionen machen; all mein leben hatt mir davor gegraust. Schrießem[9] sahe fürcht[er]lich hauß[10]; wen mans ahnsicht undt je mehr es thürn hatt, je [342] abscheülicher finde ich es; darff nachts nicht dran gedencken, es thut mir wehe im miltz. Es ist ein teütsch sprichwordt, so sagt: Jung gewondt, alt gethan. So gehts der fürstin von Siegen auch. Karttenspilen will ja nicht[s] sagen, man spilt mitt allerhandt leütte[n]. Man heist den nun, wie ich sehe, die graffliche ungeheüraht freüllen, wie man zu meiner zeit sagte, graffinen jetzt. Ich meinte, man gebe den reichsgraffinen adliche damen zu hoffmeisterinen. Mein gott, wie endert alles! In meinen sin ist nichts beßer vor junge personnen, alß ihnen viel meister zu geben; daß ist aber woll billig, daß ihre verwanten es bezahlen; den es gar nicht billig were, daß es auff Ewern kosten gehen solte, da sie Eüch doch nicht verwandt sein. Ich habe selten reiche reichsgraffinen gesehen; ich glaube aber, daß alle reiche leütte ihr gelt vergraben undt verschar[r]en, daß man nichts mehr davon sicht. Mich wundert, daß unß[eres] Westerweller[11] schwester Eüch nicht sehen, da doch ihr herr vatter undt herr brader so lang ahn unßerm hoff geweßen. Ich finde nicht schön, daß sich eine reichsgräffin so gemein mitt burgersleütten machen[12]. Ich kene die welt nicht mehr. Es hatt doch ein gutt endt vor sie genohmen; den die gutten graffen wahren bludtsarm. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt man treibt mich, zu bett zu gehen. Ich scheü mein bett, weillen ich so gar kranck drin bin, undt wen ich auffrecht bin, huste ich die helfft nicht zu[13] viel. Biß ich gar ersticke, seydt versichert, liebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. November 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 340–342
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1177.html
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