Seitenbanner

Brief vom 5. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1180.


[353]
St Clou den 5 December 1720 (N. 49).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe seyder vergangenen sambstag nichts von Eüch entpfangen, werde aber heütte auff Ewer liebes schreiben vom 19 November, no 91, andtwortten. Ich bilde mir ein, daß man baldt in Teütschlandt im schütten wirdt fahren können; den es schneyet hir heütte so starck, daß es wie ein starcker nebel ist, daß man weder himel, [noch] erden sehen kan. Die in Englandt oder curiosen hir[1] von der printzes von Wallis brieffen fürchten vielleicht, daß ich nicht glaube, daß sie unßere brieffe leßen; derowegen haben sie mir ein starck zeichen davon geben wollen, haben mir zwey paquetten auff einmahl geschickt, undt wie alle bogen von der printzes chiffrirt[2] sein, so haben sie die zwey 9te blätter gantz verlegt von einem zum andern. Ich konte in dem ersten nicht begreiffen, waß es war; den das 9te blatt folgte gar [354] nicht dem ersten vom 8ten, aber wie ich daß zweytte laß, fiel ich wieder in denselben ambaras, merckt[e] aber gar baldt, daß ein mißverstandt dahinder stecken muste; derowegen enderte ich die blätter, da fundt ich alles wider nach der ordtnung. Wen die posten den mittwo[ch] abgingen, würde man mirs bericht haben; den sie haben mirs ja gleich sagen laßen, wie die sontag-post geendert hatt. Es were mir leydt, wen die donnerstags-post auff den mittwog solte gesetzt werden; den dinstag könte ich unmöglich schreiben, weillen es mein großer post-[t]ag ist. Aber solte die post donnerstag morgendts weggehen, so würdet Ihr nichts dabey verliehr[e]n, den den mittwog, nun die hertzogin von Hannover wider hir ist, hab ich wenig zu thun deß mitwogs. Ich will noch wider zu der post schicken undt fragen laßen, wie es eygendtlich mitt bestelt undt ob ein tag geendert ist, undt werde mich darnach richten. Aber alle posten gehen gar unrichtig auß geitz; den weillen der habern[3] th[e]wer ist, so geben sie den postpferden lautter heü; daß macht sie so schwach, daß sie nicht mehr renen können. Es ist etwaß abscheüliches, wie starck der geitz undt interesse itzunder hir im landt regirt; es graust einen recht davor. Man hört schir von nichts mehr, alß stehlen undt morden. Apropo, der schelm, der Jude, der den armen Juden Salomon so erbarmlich ermort undt seine fraw so auff den todt verwundt, undt, wie ich Eüch letztmahl geschrieben, erdapt worden, er hatt erst alles leügenen wollen, aber ein klein medgen, eine niepce, so in einer camm[e]r war undt gesehen, wie es zugangen mitt der armen tante, hatt den Juden gekendt. Man hatt ihn mitt andere[n] [kleidern] gehen machen; aber daß medgen, wie er sich auch verkleyden wollen undt hint[e]r andere leütte verstecken, hatt ihn allezeit gekendt undt gesagt: Dießer hatt meine tandte mitt dem hammer geschlagen. Daß hatt den verfluchten Juden so erschreckt, daß er alles gestanden undt auch, wie er der Jüdin man ermort undt ihm seinen schönnen demant genohmen. Wie man ihm gefragt, wo der Salomon hinkommen, hatt er gestanden, daß er alles gethan. Er ist gestern gerädert worden. Es hatt heütte den gantzen tag geschneyet undt gerechnet[4] undt ist eine feüchte, durchdringende kälte, daß man nicht dauern kan. Jedoch so gehe ich bitter ungern hir weg, habe daß hertz gantz [355] schwer drüber, alß wen mir ein unglück vorstundt[5]. Es ist schon lang, daß es hir eyß gefrirt, undt vor vergangen sambstag 8 tag hatt es zum ersten mahl geschneyet; aber der schnee ist ebenso wenig liegen blieben, alß nun. Die pest, so zu Marseille gantz auffgehört hatte, hatt ärger, alß nie, wider dort ahngefangen[6]. In Poln solle sie auch abscheülich sein undt auch in Schleßingen[7] eingerißen. Ich bin persuadirt, daß sie in kurtzem in gantz Europa sein wirdt. Daß erschreckt mich gar nicht; es wirdt mir nur begegenen, waß gott der allmächtige über mich vorsehen hatt. Stirb ich von der pest, so werde ich nicht von waß anderst sterben. Es were kein wunder, wen die pest in Saxsen kämme, weillen der könig in Poln undt seine leütte es woll auß Poln bringen mögen. Ein hitzig fieber, wovon bey taußende st[e]rben, ist nicht viel beßer, alß eine pest. Wie ich sehe, so ist Ewer hauß hübsch voll geweßen. Daß habe ich gern vor Eüch, den Ihr seydt dran gewohnt; aber vor mir wehr es etwaß unleydtliches, wen ich so haußehre thun müste. Ist Rothheim[8] den gar nahe bey Franckfort, daß man so nachts naußfahren kan? Da muß man die dieb undt morder nicht fürchten, wie zu Paris. Alle gefängnuß sollen so voller dieb undt morder stecken, daß man nicht mehr weiß, wo man mitt hin soll. Ich fürcht, liebe Louisse, daß die, so gemeint, waß schönes zu sehen, mich mitt meinen laperreyen werden außgelacht haben; aber auß politesse haben sie es Eüch nicht sagen dörffen. Wen ich wieder zu Paris sein werde, wirdt man mich auch purgiren mitt dem grünen safft. Es ist mir schon gantz schlapies drauff, wie die arme Hinderson alß pflegt zu sagen[9]. Purgiren matt mich ab undt macht mich gar nicht frisch. Daß so gar schlimme wetter ist allen menschen ungesundt; es ist woll eine heßliche sach umb das ende vom herbst undt den wintter. Ich wolte, daß man den gantz … Der könig in Englandt ist gantz gesundt, frisch, undt, waß mich noch mehr verwundert, lustig den 22 zu St James ahnkommen. Glückseelige gutte nacht, liebe Louise! Biß sambstag werdt Ihr gar ein klein brieffgen von mir bekommen; den den tag, da man weggeht, [356] hatt man viel zu thun, werde Eüch doch versichern können, daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 353–356
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1180.html
Änderungsstand:
Tintenfass