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Brief vom 14. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1183.


[360]
Paris den 14 December 1720 (N. 52).
Hertzallerliebe Louise, wo es mir heütte möglich sein wirdt, werde ich auff Ewere beyde letzte schreiben [antworten]. Ich sage, wie es mir möglich sein wirdt; den Paris ist unleydtlich mitt allen den interuptionen, so einem hir überfallen undt accabliren. Gestern bin ich erst umb 12 nach bett; den ich habe vor 9 abendts nicht schreiben [können], undt wen ich klage, das ich viel zu schreiben habe, andtwort man mir: On vient ces jours la, parce qu’on est sur de vous trouver ches vous. Sie dencken aber nicht, wie ungedultig es einem macht. Also segt[1] Ihr woll, liebe Louisse, daß ich recht habe, zu sagen, daß ich auff Ewere schreiben andtwortten werde, wo es mir möglich ist. Ich war letztmahl ahn Ewer liebes schreiben vom 26, no 93, geblieben, wo Ihr verwundert seydt, liebe Louise, daß die königin in Poln[2] nicht bey ihrer fraw schwigertochter[3] kindtbett geweßen. Sie hatt ein[e] starcke entschuldigung, den sie kompt nicht mehr auß dem bett, solle auff den todt liegen. Aber ehe sie kranck worden, hatt sie, so lang die churprintzes schwanger geweßen, nicht einmahl zu ihr geschickt, ihr auch [361] verbietten laßen, daß sie nicht zu ihr kommen solle. Also ist es kein wunder, daß man der königin nicht hatt sagen laßen, daß die printzes in kindtsnöhten war. Dieße königin in Poln muß einen wunderlichen kopff haben, wie man mir sie beschreibt, undt übel erzogen sein worden; den sie weiß gar keine königliche bien-seance zu halten. Bey ihrem herrn sohn dem churprintzen, muttert sichs sehr; den I. L. halten keinen hoff. Unter dem pretext, daß er die jagt liebt, ist er allezeit auff dem landt undt, wie man sagt, in gar schlimmer geselschafft. Den sambstag kompt er abendts nach hoff, sontag hört er die meß undt gleich nach der meß wieder auffs landt. Aber ich wolte woll wetten, daß hirunder waß anderst verborgen ist, entweder eine metres, oder ein favorit. Ich glaube eher daß letzte; den daß solle er braff in Ittallien gelernt haben, undt wen dieß laster einmahl eingewurtzelt ist, bleibt es lebenslang; daß ist gar sicher. Unßer hertzogin von Hannover habe schon vor 8 tagen mein compliment gemacht; es ist aber ein schlegt compliment, wen man uhraltmutter wirdt. Ich bin schon uhraltmutter geweßen; den madame la duchesse de Bery hatt ja zwey printzessinen undt einen printzen gehabt. Daß erste medgen undt den printzen, so 3 tag gelebt, war ein schön kint; man hieß ihn den duc d’Allançon[4]. Daß 3 kindt, so auch ein medgen war, habe ich nicht gesehen. Wir [waren] damahlen mitt dem könig zu Rambouillet, wie diß kindt auff die weldt kommen undt gestorben. Wen war ist, waß man von der printzes von Modene sagt, so wirdt sie woll so baldt nicht schwanger werden; man sagt, sie will nicht bey ihrem herrn liegen. Sie hatt einen schwürischen, dollen kopff, folgt keinen raht, nur ihren sin, so sehr capricieus ist. Man erzicht hir im landt undt insonderheit dans la maison royale die printzessinen so bitter übel, daß es ein schandt ist. Wen man sorg vor ihnen hatt, werden sie anderst; den Ihr segt ja woll, daß die, vor welche ich gesorgt, nicht so sein; den man kan nicht beßer mitt seinem herrn leben, alß die königin von Sardaignen[5] mitt ihrem könig undt mein dochter mitt ihrem herrn lebt. Aber wen man den kindern sein leben nichts sagt, sie von 7 biß 20 jahren gantz nach ihren fantasien leben lest, [362] da kan nichts raisonabels von kommen. Ich habe mein partie gefaßt; ich werde mich nicht mehr umb meine hießige enckeln bekümern, sie mögens machen, wie sie wollen. Mein sohns heüraht ist ohne meinen willen geschehen[6]; ich were also woll ein großer narr, wen ich mich über dieß alles q[u]eelen solte. Ich werde, so lang ich leben, mitt ihnen alle[n] woll undt höfflich leben, umb frieden zu behalten, aber, damitt gethan; im überigen lebe ich a part vor mich selber wie ein reichsstattel[7]. Umb deß duc de Chartres heüraht, noch gemahlin werde ich mich gar nicht bekümern; es mag mitt zugehen, wie sie wollen. Ich werde es vielleicht nicht erleben[8]; den ich bin schon gar alt undt der bub kan noch nicht so baldt geheüraht werden, den er ist noch gar delicat undt schwag[9]. Ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, wie daß der könig in Englandt den 22 November in St James ahnkommen ist. Seine überkunfft ist gar glücklich abgangen. Diebe hatt man hir auch genung; alle tag hört man von gehengten undt geradterten. Die adtlich dame, so sich unter den dieben gefunden, beweist ihren adel schlecht. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwordtet, komme jetzt auff daß erste, liebe Louise, vom 23, no 92. Ich hoffe, daß man Eüch meine brieff endtlich wirdt gegeben haben, so noch außgestanden. Alle posten gehen nun unrichtig. Der königin von Sardaignien paquetten, so ich ordinari sambstag morgendts bekomme, kommen jetzt erst umb 4 abendts deß montags. Daß von der königin in Spanien, so zu Bajonne ist, schreiben, so ich auch sambstag abendts bekomme, ist dißmahl erst vergangen mitwog ahnkommen. Die lotteringische post geht auch nicht beßer. Suma, alle posten gehen bitter übel, also weitter nichts drauff zu sagen. Vom port[e]-lettre will ich nichts mehr [363] sagen, es ist der mühe nicht wehrt. Man kan den geist nicht allezeit in serieussen sagen[10] apliciren, es muß auch ein wenig zeitvertreib dabey sein; sonsten wirdt man zu mela[n]colisch undt hipocondre, in welchem standt man weder gott, noch der welt waß nutz sein kan. Ihr seydt noch in keinem alter, schwach zu werden, liebe Louise, noch über Ewer alter zu klagen. Wardt[11], biß Ihr erst daß meine erreicht! alßden werdet Ihr den unterschiedt spüren. Also glaube ich, liebe Louise, daß ein wenig miltzsucht mitt unterleüfft; davor müst Ihr Eüch hütten. Wen man brieffe ohne andtwortten [läßt], ist es kein comers mehr, noch conversation. Nun muß ich meine pausse machen; nach der ittalliensche commedie werde ich dießen brieff außschreiben dießen abendt.
Sambstag, den 14 December, umb halb 8 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der commedie, liebe Louise, undt ich hoffe, ich werde noch auff Ewer liebes schreiben andtwortten können, ehe ich schlaffen gehe. Ich vergeße nicht, liebe Louise, wen ich waß verspreche; den ich erinere mich alß deß teütsche[n] sprichwordts: Ein schelm, der sein wordt nicht helt, undt wie ich nicht zum schelmen werden will … Man muß sich in kleinen Sachen ahngewehnen, wahr zu sachen[12], umb nie in lügen gefunden zu werden; den ich hütte mich sehr davor, finde nichts abscheülliges[13]. Ich habe Eüch schon gesagt, das mein beüttel gar nicht gelitten in den bagattellen, so ich Eüch geschickt; den, wie schon gesagt, so ist es über 25 jahr, daß ich es habe. Die porte-lettre kosten mir gar nichts, seindt pressenten von nonen. Monsieur Laws hatt sich retirirt. Wie es mitt der sudtsée gehet, weiß ich noch nicht. Ich göns den so woll, so sich mitt viellem nicht vergnügen[14] laßen, alles zu verliehren. Gott verzeye mirs! Allein es ist mir eine rechte freüde, wen ich höre, daß karge leütte in ihrem geitz betrogen werden. Heütte morgen habe ich Eüch gesagt, liebe Louise, waß ich von deß königs in Englandts ahnkunfft vernohmen. Unßerm könig sicht man seinen fall gantz undt gar nicht mehr ahn. Es war nicht, daß er müdt war; er wolte auff der stiege seinen sainturen[15] ahnthun; daß machte, daß er nicht sahe, [364] daß er noch 3 staffeln vor sich hatte, machte ihn fehl tretten undt fahlen. Der ertzbischoff von Cambray[16] hatt viel verstandt, daß kan man ihm nicht benehmen; aber er ist falsch undt interessirt wie der lebendige teüffel[17]. Ich glaube, ich habe Eüch schon vergangen post bericht, wie ich den brieff von der fürstin von Ussingen ahn madame Dangeau geschickt. Die chimisten prettendiren, daß alles, wen es durchs fewer verbrendt wirdt, endtlich zu glaß undt cristal wirdt. Mein sohn hatt solche proben hir mitt dem brenglaß von monsieur Tießenhaußen[18] gemacht; ich habe es gesehen. Alle die, so auß geitz verliehren, können mich nie jammern. Gutt nacht, liebe Louise! Ich muß ahn mein dochter noch dießen abendt schreiben durch einen expressen, so wider nach Lotteringen morgen geht. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 360–364
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1183.html
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