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Brief vom 4. Januar 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1189.


[002]
Paris den 4 Januari 1721 (N. 58).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 21 December, no 100, zu recht entpfangen. Gott weiß, wen ich einmahl auff Ewere liebe schreiben werde antwortten können; den Paris ist unleydtlich mitt den abscheülichen interuptionen, insonderheit im ahnfang deß jahrs. Einen brieff werdet Ihr doch heütte [erhalten], er mag groß oder klein sein. Groß kan er woll nicht werden, den in einer stundt muß ich in kutsch, umb unßer abtißin[1], so im Val de grace ist, adieu zu sagen, wirdt zu ahnfangs der andern woche wider nach Chelle[s]. Dießen nachmittag wirdt die hertzogin von Hannover[2] zu mir komen; die werde ich in die ittalliensche commedie führen, die I. L. noch nicht gesehen haben. Nach der comedie wer[d]e ich erst dießen briff außschreiben. Ich bin spat auffgestanden, den ich habe gestern vor 12 nicht nach bett gekont.
Sambstag, den 4 Januari, umb halb 9 abendts.
Es ist eine halbe stundt, daß die hertzogin von Hannover undt ich auß der ittalliensche commedie [gekommen sind]. Unßere hertzogin ist gar content von der commedie. Aber ich komme auff Ewer liebes schreiben von no 100, welches daß letzte, so ich von Eüch entpfangen. Daß Ihr so ein frisches von mir entpfangen, so nur 7 tag alt ist, daß erweist woll, daß, wen man auff der post wolte, könten alle brieff so frisch sein. Bißher kan ich mich noch nicht berühmen, daß ich große zufriedenheit in dießem neüen jahr [003] habe; den man kan nicht gritlicher[3] sein, alß ich seyder gestern bin, undt daß mitt recht. Vor alle gutte wünsche, so Ihr meinem sohn undt mir in Eweren letzten schreiben thut, dancke ich Eüch gar sehr undt wünsche Eüch hergegen alles, waß Ewer hertz wünschen undt begehren mag. Man ist gar zu interessirt undt boßhafft hir, umb jemahlen zu hoffen können, daß meines sohns regence mitt vergnügen glücklich undt woll enden möge, undt werde ich nur vergnügt sein, wofern alles ohne groß unglück endet. Den gutten Pfaltzern wünsche ich auch woll von grundt der seellen trost undt hülff. Es were kein wunder, wen bey itzigen schlimen zeitten undt continuirlichen lamanttiren, so man überall hört, einem die miltz blähen undt wehe thun solte. Ich kan ebensowenig begreiffen alß Ihr, liebe Louise, waß deß keyßers ordre sagen will, aber ich glaube, daß man die pest[4] förcht. Ich hoffe, daß Ihr, wen solch unglück geschehen, nicht in Franckreich[5] Eüch würdet einspern, sondern ahn einen andern ort gehen. Man setzt allezeit alles überzwerg in der hollandischen zeittung. Bewegung undt in kutschen fahren macht mich nicht halb so müde, alß wen ich, wie seyder 3 tagen geschehen, auffstehen undt wieder niedersitzen muß; daß macht mich lendenlahm. Ich bin bey unßer abtißin geweßen, die ist wider fetter hir geworden, war heütte recht kranck, pirlen solle komen, hatte daß grimen; sie lamantirt nie, leydt undt schweigt maußstill, sie ist gehertzigt[6]; woll schadt, daß es kein bub ist. Alle die Villars seindt sehr interessirt, also gar kein wunder, daß die vorige abtißin so braff ihr händtgen gemacht hatt, wie sie weg ist. Die printzen von Gotha[7] haben mich recht gejammert; den es seindt gutte kinder, voller gutte intention, aber bludts-langweillig. Es ist nicht ihre schuldt, daß sie stincken; es kompt auß dem magen; ihre gantze conformation ist bitter ellendt. Ich muß lachen, daß Ihr so ernstlich sagt, daß Ihr auch mitt stinckenden leütten lombre spilt. Ich bin wie Ihr, liebe Louise, ich kan nicht begreiffen, wie man lange weill haben kan, wen man gantz allein ist. Jalousie ist eine schlime kranckheit, so manchen den kopff threhen macht. Were ich wie daß freüllen, mogte ich keinen so jallousen man haben, halt [004] es mitt, waß man im jetzigen opera singt: Je ne veux point avoir d’espoux qui sont jaloux. Vor daß schonne goltene calendergen dancke ich gar sehr, werde es wie daß vorige das gantze jahr im sack tragen. Ich schicke Eüch hirbey die antwordt von den freüllen von Zoettern[8]. Man treibt mich, schlaffen zu gehen, undt Ewer liebes letz[t]es schreiben ist vollig beantwort. Gutte nacht! Schlafft woll, liebe Louise, undt seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Januar 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 2–4
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1189.html
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