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A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.
Paris den 1 Februari 1721 umb 3 uhr nachmittags (N. 62).
Hertzallerliebe Louise, ich habe bißher gewahrt
[1], umb zu sehen,
ob nichts von Eüch kommen würde; aber es ist nichts kommen,
will Eüch also nur meinen ellendten standt berichten. Ob ich zwar
seyder 10 tagen gar kein fieber mehr habe, so bin ich doch gar
nicht woll; ich eße mitt zwang. Ich habe dieße nacht eine gar
verdrießliche nacht gehabt; ich habe zwar gar wenig gehust, aber
ich bin so mitt grampen
[2] geplagt worden undt habe so erschrecklich
geschwitzt, daß ich in allem keine 3 stundt habe schlaffen können.
Ich nehme sehr ab undt bin so matt, daß ich kaum meine feder
halten kan. Waß will man thun? Man muß sich woll in den
willen gottes ergeben, waß er mitt unß machen will. Ich glaub,
ich werde endtlich gantz außtrockenen, wie die schildtkrotten von
der Ludwig-see, so ich zu Heydelberg in meiner cammer hatte. So
lang ich aber noch im leben bleibe, werde ich Eüch, liebe Louise,
von hertzen lieb behalten.