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Brief vom 1. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1206.


[029]
Paris den 1 Mertz 1721 (N. 70).
Hertzallerliebe Louise, da komme ich umb halb 9 morgendts, auf Ewer liebes schreiben vom 15 Februari, no 13, zu andtworten, so ich verwichenen donnerstag entpfangen, wie ich Eüch selbigen tag bericht. Weillen man Eüch damahlen nur eines von meinen schreiben gebracht, werden sie es Eüch vielleicht machen, wie die post hir gethan, undt Eüch auch in der wochen 3 von meinen schreiben zukommen laßen. Monsieur Teray findt nicht übel, daß ich schreibe; er fürcht nur, daß ichs zu grob mache; davor darff er aber nicht sorgen, den so baldt ich daß geringste fühle, höre ich auff. Ich habe Eüch zu auffrichtig versprochen, keine post zu verfehlen, undt wie ich nicht ahn meiner versprechung verfehlt, wie ich, so zu [030] sagen, den todt in den zähnen hatte, also werde [ich] nun nicht fehlen, da ich wider gesundt bin, habe also gar gewiß keine post vorbey gehen laßen. Ach, liebe Louise, Franckreich ist so beschaffen, daß ich nicht ohne sorgen undt verdruß leben [kann], insonderheit seyder mein sohn regendt worden. Er hatte[1] mitt gar zu interessirte undt boßhafftige teüffel zu thun, so ohne trew undt glauben sein undt ahn keinen gott glauben, also alles von ihnen zu fürchten ist. Mein sohn ist gar ein gutter mensch, der nicht begreiffen kan, daß man ihm übel will, traut zu viel ahn böße leütte, so ihm hundert paneau[2] alle tag stellen; ihn wahrnen hilfft zu nichts. Daß verleidt mir daß leben undt benimbt mir alle freüde; aber ich hoffe, daß meine qual nicht lang mehr wehren wirdt, den wen mein miltz wider genung wirdt gesamblet haben, muß ich woll wieder krank werden. Nun aber außer die boße nachte verspüre ich nichts mehr von meiner kranckheit, undt die schwartze galle geht von sich selber von mir, welches ein zeichen ist, daß ich wider gesundt bin. Wie lang die 3tagige böße nächte noch dauern werden, weiß gott. Dieße letzte war die gutte undt ist gar gutt geweßen, hab 9 stundt ruhig undt ohne schmertzen geschlaffen. Ach, liebe Louise, Ihr flatirt mich zu viel, zu sagen, daß ich meritire, unsterblich zu sein. Ob ich zwar nicht so ein desbeauchirt leben führe, wie vielle hir, so bin ich deßwegen nicht zu perfecter undt habe meine fehler auch, die ich woll kene, aber leyder nicht corigiren kan. Wen ich denen, so mir noch viel jahren wünschen, undt insonderheit Eüch, liebe Louise, dinnen könte, wolte ich gern leyden undt leben; aber ich bin leyder zu gar nichts nutz. Daß wetter ist viel samffter, alß es geweßen; daß haben vielleicht die vielle regenbogen bedeütt, so wir vorgestern gesehen. Mein sohn hatt gleich den pronostic[3] gemacht. Hertzliebe Louise, ich bin Eüch sehr verobligirt, mir freüde undt vergnügen zu wünschen. Aber daß ist ohnmöglich, werde nur gar woll zufrieden sein, wen nichts schlimmers kompt. Die rhumatisme regieren auch gar starck hir, wie auch husten undt schnupen. Es ist zu hoffen, daß bey dießem gelinden wetter alle krancken wieder gesundt werden werden, welches ich Eüch undt der fürstin von Ussingen von hertzen wünsche. Nach dern von Hattmar[4] frag in[5] weniger. Es wundert mich nicht, daß die fürstin von Ussingen [031] nicht woll zufrieden mitt ihrer niepce ist. Sie würde es noch weniger sein, wen sie hörte, wie die frantzösche offecir, so zu Strasburg geweßen, von ihr sprechen; hatt ein doll leben zu Straßburg geführt undt alß dabey gesagt, daß sie meine baß were, welches sie, ob es zwar war, woll hett schweigen können, oder ein ander leben führen; sie muß eben so närisch sein, alß ihr herr vatter geweßen. Es ist zwar war, daß ein offecir mir den brieff von ihretwegen gebracht; es war eine weiberhandt undt ihr wapen drauff. Meine andtwordt war durch meinen secretarius. Freylich habe ich mehr, alß einen, brieff von ihr bekommen, aber nicht mehr andtwortten laßen, den a sotte demande point de response, wie man hir sagt. Wen sie nur einfaltig were, ging es woll hin, aber dabey interessirt undt desbauchirt zu sein, daß ist zu viel. Warumb will sie, daß ich ihr gelt geben soll? Ich bin ihr ja nichts schuldig undt nicht reich genung, so ohnnohtige pressenten zu geben ahn fürstinen, insonderheit ahn denen, dern es mir eine schande ist, so nahe baß zu sein. Ich haße die sudsée[6] schir wie daß Missisipi[7], drumb schreibt mir unßere liebe printzes von Wallis nichts davon, aber man hatt mir gesagt gestern, daß der caissier, so mitt den millionen durchgangen, in Flandern zu Ruremonde ertapt undt arestirt worden, mag also woll den galgen nicht entgehen; daß wirdt ein divertissement vor den gemeinen man in Englandt sein, den da sehen sie gerne hencken. Leßen schadt mir gar nichts. Ich bin persuadirt, wie es auch in der that ist, daß mein docktor der beste von gantz Franckreich. Wolte gott, meins sohns docktor were so gutt! Aber ich habe gar kein vertrawen zu ihm, er wagt zu viel. Ich weiß gar nichts neües, so sich auff der post schreiben lest. Ich schicke Eüch hiebey die artige bouffonerie, so man auff den duc de la Force gemacht. Adieu, liebe Louise! Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig zu sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 29–31
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1206.html
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