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Brief vom 8. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1208.


[035]
Paris den 8 Mertz 1721 (N. 72).
Hertzallerliebe Louise, Ihr werdet schon auß meinem letzten schreiben ersehen haben, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 22 Februari, no 15, vergangen donnerstag entpfangen, aber vor heütte verspart habe. Ob ich heütte waß von Eüch entpfangen werde, werden wir dießen nachmittag erfahren; den es schlegt eben halb 9. Von der post ist nichts zu sagen; sie geht, wie es denen beliebt, so sie regieren. Ich habe, gott lob, keine böße nachte mehr; dieße letzte hette es sein sollen, ich habe aber 6 gutter stunden ahn einem stück geschlaffen. Die nacht von mittwog biß donnerstag ist auch gar woll abgangen, also zu hoffen, daß die böße nächte nicht mehr marquiren werden. Meine gesundtheit wirdt täglich beßer, bin nun wieder wie ordinarie. Es friert noch alle nächte. Wen daß auffhören wirdt, werde ich, wen es schön wetter ist, die frische lufft nehmen undt spatziren fahren; daß wirdt mich mehr stärcken, alß eßen undt drincken. Gott ist herr undt meister über alles; man muß sich woll in seinem willen ergeben undt alles mitt so viel gedult ahnnehmen, alß immer möglich ist. Aber were es in mein[e]r wahl gestanden, were ich zu St Denis jetzt undt nicht hir; ich were dort in großer geselschafft, der könig, die königin, [036] monseigneur, seine gemahlin, Monsieur[1], die große mademoiselle, mein söhngen, daß solte einem allein lust machen, dort zu sein. Ach, liebe Louise, ich bin zu nichts nutz undt mische mich auch in nichts. Meinen gutten freünden kan ich leyder zu nichts gutt sein, kan also nicht gedencken, wozu mich der allmächtige noch erhalten, es seye den, durch mühe undt qual noch meine sündte zu büßen. Ich muste woll in die capel gehen, den wen man wieder so woll, daß man sich ahnkleyden undt außgehen kan, ist es nicht mehr erlaubt, die meß in seiner cammer zu hören, undt sontags undt alle festtage muß man die meß nohtwendig hören. Es hatt mir auch gar nicht geschadt, habe mich gar warm ahngethan mitt doppelte capen undt wattene scharpen. In dießem landt thut man nur, waß man kan, undt nicht, waß man will, auch seydt Ihr zu wenig mitt Catholischen umbgangen, umb zu wißen, waß ihnen brauchlich ist. Ich bin nicht zu fuß in die capel gangen, habe mich en chaisse durch die antichambren undt gallerie tragen laßen, habe mich also nicht verkälten können, indem alle nöhtige vorsorg gebraucht worden, wie Ihr segt. Es ist mir hertzlich leydt, liebe Louise, daß Ihr noch mitt Ewerem bößen husten geplagt seydt. Daß ersticken undt blaw werden undt dadurch starck zu schwitzen kene ich nur gar zu woll. Wen mir die ersticken [kommen], nimbt mein husten hernach ab undt courirt. Ich wünsche, liebe Louise, daß es Eüch auch so gehen mag. Man fühlt, wen man in dem standt ist, daß, wen es ein augenblick lenger dawern solte, daß man dahin sein würde undt recht ersticken. Hencken ist waß anderst, weillen es den halß zudruckt, dieß aber sticht die gurgel wie stecknadeln. Waß ich ahm besten dagegen finde, ist von dem englischen indianischen cachou[2], so ambrirt[3] ist, welchen mir mademoiselle de Malause alß schickt; nehme ein klein stück undt laß es im mundt vergehen. Wie Ihr in Englandt geweßen, werdet Ihr vielleicht davon haben, aber nicht wißen, wie gutt es ist; es sterckt auch den magen, aber viel leütte könnens nicht vertragen, insonderheit die, so zu vapeurs geneigt sein, so die parfums nicht vertragen können. Von denen vapeurs habe ich nicht, kan alle starcke parfums leyden, ohne mich übel davon zu finden; den Monsieur s. hette mich sonst umbs leben [037] gebracht; den wen ich im kindtbett war, hatt er sich nie zwingen können, keine von spanisch lederne händtschu ahnzuthun, saß in meiner ruelle[4] mitt; ich roch nur ahn ein wenig frische weinrautten, hatt mir nie geschadt, aber viel andere seindt davon gestorben, parfums gerochen zu haben im kindtbett. Die Hinderson pflegte alß zu mir zu sagen: Man muß die warheit bekenen, E. K. H. seindt ein harter kniper[5]. Daß machte mich hertzlich lachen. Freylich, liebe Louise, interessire ich mich in Ewere gesundtheit undt höre gar gern, wen es beßer mitt Eüch ist. Gott verleye, daß Ihr baldt wider in volkommener gesundtheit sein möget! Daß ist keine generositet, daß ich mich vor Eüch interessire, daß ist schuldigkeit undt natürlich. Gott gebe, daß, waß ich ahn Churpfaltz vor Eüch geschrieben, apropo möge kommen sein! Ich zweyffel aber dran, jedoch habe ich mir nicht vorzuwerffen haben wollen, nicht alles gethan zu haben, so bey mir stehet. Man kan keine rarere, noch schönere goltene schal sehen, alß die, so mein sohn mir geben, aber der wüste könig Michel von Poln verschendt die schal in allen stücken[6]. Die warheit zu sagen, so lebt mein sohn gar woll mitt mir mitt großer amitié, war auch bang, daß ich sterben würde, undt froh, wie er mich hatt geneßen sehen. Seine vissitten seindt mir gesündter, alß daß quinquina, sie thun mir nicht wehe im magen undt erfrewen mir daß hertz; er verzehlt mir alß etwaß poßirliches, so mich [lachen] macht; er hatt verstandt undt verzehlt gar artig, er ist von natur eloquent. Nutz bin ich meinem sohn nicht, aber ich habe ihn alß eine trewe mutter woll hertzlich lieb. Wen Ihr ihn kenen soltet, würdet Ihr baldt sehen, daß kein geitz noch boßheit bey ihm ist. Ach gott, er ist nur gar zu gutt undt verzeyet alles gleich, waß man gegen ihm thut, undt lacht nur drüber. Wen er ein wenig beßer die zahn ahn seine böße vettern weißen könte, würde[n] sie ihn mehr fürchten undt weniger gegen ihm entrepreniren. Solche boßheit undt geitz, alß in den 3en printzen vom geblüdt steckt, ist nicht zu begreiffen. So lang mein sohn monsieur le duc hatt gelt schaffen können, hatt er gethan, alß wen niemandts ihn lieber hette; nun er nichts mehr gewinen kan, ist er gegen meinem sohn in allen stücken undt hatt sich mitt seinem [038] ärgsten feindt, seinen schwager, dem printz de Conti, vereinigt, umb gegen meinen sohn zu sein, undt sein bruder, der comte de Charolois[7] auch. Aber von dem ist es kein wunder nach dem sodomittischen leben, so er continuirlich undt ohne scheü mitt dem printz de Conti führt, der doch sein leiblicher schwager ist; den deß printz de Conti gemahlin ist ja deß comte de Charolois leibliche schwester; daß ist ja waß abscheüliches undt unerhört. Ich weiß nicht, wie Paris nicht untergeht wegen den abscheülichen sachen, so täglich drinen vorgehen[8]; es müßen noch gutte undt fromme leüdt[9] in Paris [sein], sonst were es lengst untergangen. Ein gutter, ehrlicher, wackerer man von qualitet von hoff ist in der vergangen woche recht vor hertzenleydt gestorben, daß sein sohn so übel gerahten. Er hatt ihn ahn deß premier pressident dochter, monsieur de Mesme[s][10], verheüraht; der ist von seiner frawen weg geloffen, weillen er so desbauchirt vor mäner ist, daß er keine weiber leyden kan; er heist monsieur de Lautterec[11] undt sein armer vatter hieß man le marquis d’Ambre[s]. Ich habe ihn woll gekandt, ist allezeit bey hoff geweßen. Er hatt den premier pressident undt seines sohns fraw umb verzeyung bitten laßen undt sagen, daß er seinen sohn nicht woll gekandt, daß er den heüraht nicht gemacht hette, wen er gewust, wie unwürdig sein sohn were, undt ist selbe nacht voller trawerigkeit gestorben; daß jamert mich recht. Die kälte ist so gar hir vergangen, das es heütte so warm ist, daß ich habe meine fenster auffmachen [laßen]. Man ist noch gantz gekleydt, wie im winter, also hatt man leicht gar warm. Ich weiß nicht, waß der auffzug vom schreiner ist. Ich erinere mich nicht, daß Ihr mir davon gesprochen habt. In etlichen tagen werden wir hir einen schönnen auffzug sehen vom turquischen ambassadeur, so heütte zu [039] Paris ahnkompt. Seine audientz wirdt biß dinstag über 8 tag sein. Er muß bey dem Palais-Royal vorbey reytten, werde ihn also sehen von einem balcon, so in meinem apartement ist, gar gemächlich undt ohne mühe, noch weit zu gehen. Wen ich es werde gesehen haben, will ichs Eüch verzehlen. Unahngesehen alles, waß ich meinem vettern von Philipsthal geschrieben, will er hir dinen. Ich hab ihm also gerahten, ohne sich gantz zu engagiren, erst eine reiße her zu thun. Nun ist er kommen; waß weitter drauß werden wirdt, weiß ich nicht; ich werde es Eüch berichten, wen ich es wißen werde. Aber waß er begehrt, kan nicht [sein]; er will gleich ohngedint eine große pention haben, sich nach seinem standt zu erhalten können, undt daß kan gantz undt gar nicht ahngehen. Er meint, es stündt nur bey mir, undt darin betrigt er sich sehr; den daß stehet gar nicht bey mir. Alles ist in einen zu gar ellenden standt undt daß will printz Carl nicht begreiffen, noch nichts von den hießigen maniren, meint, es were wie in Teütschlanndt, undt nichts in der weldt ist differenter. Wen er mir nicht glaubt, wirdt er es mitt der zeit nur zu viel erfahren. Alles geht nun überzwerg her in der gantzen weldt. Ich glaub, ich habe Eüch daß poßirlich liedt noch nicht geschickt, so man auff der madame de St Sulpice[12] [040] ihren brandt gemacht hatt. Wie ich es außwendig weiß, kan ich es daher setzen:
Le grand portail de St Sulpice,
Ou l’on faissoit si bien l’office,
Est brulles[13] jusqu’au fondement.
Quelle rigeur! quel[le] injustice!
Les Condés[14], par amussement,
Ont brulles[15] ce saint esdifice[16].
Man meint, daß sie sterben wirdt; aber sie hatt es woll verdint, den es war noch kein mont, daß sie mitt dem conte de Char[o]lois zu nacht geßen hatte; er soff sie sternsvoll[17], zog sie spätter nackendt auß undt goß hir[18] heißen brey ahn einem wüsten ort undt sagt: Il faut que petit Bichon mange aussi, hatt sie gottsjamerlich gebrent, hernach in ein dißduch[19] eingewickelt undt in einem fiacre nach hauß geschickt. Nachdem ihr dießes geschehen, geht sie wider in ihre geselschafft, ist ihr also gar recht geschehen, kan sie nicht beklagen. Da kompt die hertzogin von Hanover, kan also in eyll nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 35–40
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1208.html
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