Seitenbanner

Brief vom 13. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1209.


[040]
Paris den 13 Mertz 1721 (N. 73).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewerem lieben schreiben vom 20 Februari erfreüet worden. Es kan gar woll sein, daß ich 66 vor 67 gesetzt; den mein hirnkasten ist offt verwirdt genung. Ich habe alleweill in meinem calender nachgesucht, worinen ich gefunden, daß ich zweymahl 65 gesetzt, also konte 66 nicht just kommen; weiß nicht, waß mich damahls geirt undt troublirt hatt; aber wie die gemeine leütte hir zu sagen pflegen: Cela m’arive plus tost que robe neuve. Aber daß beste ist, daß die brieffe doch nicht mehr verlohren gehen undt richtig ahnkommen. Ich bin nun wider gantz gesundt, gott lob, undt habe keine böße [041] nächte mehr, aber so lang es wehren wirdt; den ein alt weib, wie ich nun bin, die ihr leben in ängsten undt sorgen zubringt, kan woll nicht lang gesundt bleiben. Man muß wollen, waß gott will, dem allein daß zukünfftige bekandt ist. So lang meine natur starck genung bleibt, die böße schwartze gall von mir zu treiben, wie es nun schir täglich geschicht, habe ich keine fernere kranckheit zu befürchten. Könte ich jemandts zu etwaß gutt sein, würde meine gesundtheit mir lieb sein; allein, liebe Louise, diß glück habe ich leyder nicht, bin also daß leben satt, ergebe mich doch in den willen deß allmächtigen undt schleppe mein leben so fort, biß es gottes wille sein wirdt, mich davon zu erlößen. Gar viel leütte kommen nun nicht mehr, seyder ich daß grand habit wider tragen[1]; den die damen können sich nicht resolviren, leibstücker ahnzuthun undt sich zu schnüren[2]. Ich verliehre nichts dran, den dieße vissitten mir mehr beschwerlich, alß ahngenehm, sein. Sie werden ihre faulheit mitt der zeit theüer bezahlen; den kompt einmahl wider eine königin, werden sie alle tag wie vor dießem ahngezogen sein müßen, welches ihnen dan eine qual sein wirdt. Reden ist mir noch nicht gutt, aber außer mitt meinem sohn rede ich gar wenig. Mein docktor hatt nicht gern, daß ich wie vor dießem spät schreibe; ich schreibe nun nicht die helfft mehr, alß ich gethan. Gott bewahre mich davor, meine corespondentzen abzubrechen! ich müste vor lange weill vergehen. Ich kan nicht leben, ohne gar nichts zu thun; arbeytten noch spinen kan ich ohnmöglich, allezeit plauderen were mir unerträglich undt würde mir mehr schaden, alß daß schreiben; allezeit leßen kan ich auch nicht, mein hirnkasten ist zu verwirdt, umb mich im leßen zu apliciren können; schreiben amussirt mich undt gibt meinen trauer[i]gen gedancken distraction. Also werde ich keine von meinen corespondentzen abbrechen, undt waß Ihr auch sagen mögt, liebe Louise, so werde ich Eüch alle donnerstag undt sambstag schreiben undt ahn meine liebe printzes von Wallis alle dinstag undt freytag. I. L. liebe schreiben seindt eine artzeney vor mich; den sie schreibt so artig undt verzehlt so ahngenehm, daß es eine rechte lust ist, I. L, schreiben zu leßen undt zu beantwordten; daß divertirt mich mehr, alß die specktackel. Aber ich werdte nicht mehr nachts biß umb 12 schreiben, wie ich [042] vor meiner kranckheit offt gethan undt welches nicht gesundt ist. Ich befinde mich gar woll bey dem früh eßen undt früh schlaffen gehen, daß ich es so weit führen werde, alß mir möglich sein wirdt. Ihr habt, liebe Louise, die Rotzenhausserin woll gefunden. Eine schreiberin zu werden, daß hast sie wie den teüffel, kan schir nicht leyden, daß andere schreiben; die quahl will ich ihr woll nicht ahnthun, mir gibts gar keine mühe. Wen ich complimenten-brieff schreiben müste, daß würde mir schwer ahnkommen; aber ahn Eüch, liebe Louise, da ich nur sage, waß mir im kopff kompt, daß gibt mir nicht die geringste mühe. Mein kleinster brieff, so ich in der gantzen woche schreibe, ist ahn die königen in Spanien[3], so zu Bajonne ist, undt der gibt mir mehr mühe, alß alle andere brieffe, so ich schreibe, solten sie auch mehr, alß von 20 bogen, sein, weillen ich alß auff complimenten andtwortten muß, welche ich nie habe vertragen können, eben so wenig alß mein bruder s. Es konte leicht sein, daß die printzes von Wallis zufrieden sein könte, nur einmahl die woch von meinen albern brieffen zu haben undt nur einmahl zu schreiben; aber daß kompt mir gar nicht zu paß, werde also fortfahren, wie ich bißher gethan. Nein, liebe Louise, es ist, ich will nicht sagen, einem duc et pair, sondern au[c]h keinen gentilhomme erlaubt, einen kauffman abzugeben. Zu dem hatt der duc de la Force undt alle die, so die wahren auffgekaufft, alle menschen mitt ruinirt; den sie habens gar wollfeill gekaufft undt so thewer wider verkauffen laßen[4], daß alle rechte kauffleütte, umb auff ihre wahren [043] wider zu gewinen, alles haben 3 mahl höher setzen müßen, alß vor dießem, welches groß undt klein ruinirt hatt undt alles so hoch gebracht, daß die rechte hungersnoht schir kommen were, wen es länger gewehrt. Ihr werdet gedencken, warumb man den duc de la Force allein sträfft, da doch viel duc et pairs es nicht beßer gemacht haben. Die ursach ist, daß die andern schlauer geweßen, alß dießer, undt ihre sach so heimblich geführt, daß man ihnen nichts überweißen kan. Freylich ist der duc de la Force der alten duchessen de la Force sohn, so in Englandt. Geschicht in[5] unglück, wirdt es eine rechte straff gottes sein, daß er die armen Reformirten so erschrecklich verfolgt, wie auch seine leibliche mutter, undt sie hatt schir hungers hatt sterben machen durch seinen unaußsprechlichen geitz. Die arme fraw jamert mich recht. Man hatt ihr daß unglück von ihrem sohn lang verhehlt; einmahl bekompt sie eine hollandische zeittung, darinen stundt die gantze historie von ihrem sohn. Nun will sich die arme mutter nicht trösten laßen. Sie ist woll unglücklich mitt ihren kindern; beyde sohn seindt nicht allein heßlich undt unahngehmen, sondern sie haben in allem gar [044] nichts nobels ahn sich; den monsieur de Caumont ist auch in keiner großen reputation. Es were beßer, gar keine kinder zu haben, alß so. I. L. die printzessin von Wallis wißen, waß einen abscheülichen widerwillen ich auff alle den händel von Missisipi hir undt in Engellandt von sudsée habe undt actionen, daß sie mir nie davon spricht. Ewer neveu, graff Degenfelt, solle gar nicht dabey profitirt haben. Alle die actionen kommen mir vor [wie] die fable [von] Esope, wo der hundt mitt ein gutt stück fleisch über eine brück geht undt es ins waßer fallen lest, weillen er meint, ein größer stück im waßer zu sehen[6]. Ich glaube nicht, liebe Louise, daß die geselschafft zu Franckfort viel dran verlohren hatt, die fürstin von Hattmar[7] nicht mehr [zu] haben; es vattert sich zu sehr bey ihr. Wir seindt a la my caresme[8], also ist der carneval lengst vorbey undt nichts mehr davon zu sagen. Hübsch ruhig in sein[e]r cammer zu [sein], ist eben nicht, waß man ahm verdrießlichsten thun kan. Madame Dangeau hatt mir gesagt, daß der cardinal von Rohan von keinem accommodement hören will wegen der fürstin von Ussingen hauß. Daß ist alles, waß ich davon gehört habe. Mein sohn hatt woll andere affairen jetzt zu gedencken. Die 3 printzen vom geblüdt undt 17 duc et pairs haben sich zum parlement geschlagen, mein sohn affairen zu machen. Es seindt woll keine undanckbare[re] leütte in der welt, alß die Frantzoßen[9]; keiner von allen dießen leütten, ahn die prince du sang ahnzufangen, denen mein sohn mehr guts undt gnaden erwießen, alß sie jemahlen von dem verstorben[en] könig entpfangen, undt nun sie gelt, gutt die hülle undt die fülle haben, thun sie meinem sohn alles zuwider, wo sie können undt mögen. Ich hatte es zuvor gesehen undt meinen sohn gewahrnet, sein vettern nicht so reich zu werden laßen; er hatt mir aber nicht glauben wollen, meinte, sie durch guttthat zu gewinnen; er konte nicht glauben, daß seine landtsleütte so gar undanckbar werden[10]; nun sagt er, ich hette recht gehabt, aber nun ist es zu spät. Dieße sach liegt mir abscheülich auff dem hertzen; den steht unß gott nicht sonderlich bey, wirdt dieß alles ein schlim endt nehmen; ich bin [045] banger, alß ich es mir mercken laße. Seydt nicht in sorgen, liebe Louise, daß die mettwürst undt waß mir baron Goertz sonst schicken will, mir schaden kan! Mein magen ist gantz anderst, alß ander leütte ihrer. Ich kan weder boullion, noch supen vertragen, undt metwürst undt rohen schincken seindt mir gutt undt stärcken mir den magen; werde sie also nicht verschencken, sondern mitt lust eßen[11]. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, daß ich ein premier minister verlohren. Hir im landt hatt der könig alle[i]n premier ministern, wir andern aber, so alle unterthanen sein, haben nur chefs de nostre conseil. Der arme monsieur Foucault[12] hatt 6 mont gelitten ahn seiner brustseüche, meint alß, davon zu kommen, [ist] aber doch endtlich gestorben, welches mir recht leydt geweßen; den es war ein man, so verstandt hatte, lustig undt von gutter geselschafft wahre. Monsieur de Machault, so ich nun [habe], ist auch ein gar ehrlicher man, aber serieuser undt nicht so sehr ahn die hoffmaniren gewohnt, alß der ander wahre, hatt mehr maniren de gens de robe[13]. Es ist war, das sich viel andere ahngebotten hatten, allein ich habe den älsten gewehlt undt deßen reputation ahm meisten establirt wahre. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beandtwort undt weiß nichts neües. Man spricht nur von dem türckischen ambassadeur, welche[n] alle damen besuchen gehen; ist sehr höfflich, macht sie bey sich sitzen, gibt ihnen caffé undt sorbeck[14] zu drincken undt confituren zu eßen. Es soll gar ein feiner man sein, so viel verstandt hatt. Daß ist alles, waß ich weiß. Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 40–45
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1209.html
Änderungsstand:
Tintenfass