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Paris, donnerstag, den 20 Mertz 1721 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 4 Mertz erfreüet worden. Von der post ist nichts zu sagen, aber dießmahl ist Ewer liebes schreiben von no 18, [049] ob zwar den rechten tag, das die brieffe ahnkommen sollen, jedoch etlich tag spätter [angekommen], den ich hette es mittwog schon haben sollen. Gestern habe ich keines entpfangen, man spart mir es vor sontag wieder. Hirauff ist weitter nichts zu sagen, alß nur zu wünschen, daß die so gar curieussen von unßern brieffen einen geschwindern undt geschicktern übersetzer bekommen mögten, damitt unßere schreiben geschwinder gehen undt ahnkommen mögten. Vor meine gesundtheit, liebe Louise, dörfft Ihr nun so baldt nicht mehr sorgen; den ich bin nun wider gantz woll undt wie ich vor meiner kranckheit war. Daß wetter ist schön, aber noch erschrecklich kalt; biß auff vergangen montag hatt es noch gar starck gefrohren. Meine leütte haben mir eyß [gebracht], so nachts in ihren cammern gefrohren; war von 3 gutte finger dick. Gestern hatt es starck geschneyet; wie es aber vorher ein wenig geregnet, so ist der schnee nicht liegen blieben. Es ist war, daß wir all zimlich gleich wetter bißher gehabt haben. Ich[1] müst Eüch selber im auffzeichnen betrogen haben, aber gar nicht in Ewern brieffen; den Ewer liebes schreiben vom 1 Mertz, so ich vergangenen mitwog, nein, es war donnerstag, just heütte 14 tag, entpfangen, war von 17 chiffrirt, also kein fehler dran. Daß Ihr hernach no 18 chiffrirt, liebe Louisse, war gar recht undt daß andere doch nicht gefehlt. So baldt man in die auguren[2] fehlt[3], können nichts, alß alberteten, drauß werden, aber die politiquen meinen, daß, je mehr man den pöpel bang macht, je beßer kan man sie im zaum halten, undt daß ist vielleicht [die meinung] der herrn von Franckforth geweßen; den sonsten deücht man[4] doch, daß man in Teütschlandt nicht viel auff neüe prophetten helt. Zu meiner zeit pflegte man zu sagen:Die alten prophetten sein todt undt die neüe hengt man. Ich habe hir vor dießem eine fraw gekandt, so man La Persillie[5] [hieß], so von gutten stattleütten war undt mittel gehabt. Man sahe woll, daß sie woll erzogen war worden; sie spilte gar woll auff der quittare, undt wen sie in der grösten furie von ihrer rasserey war undt alles erwürgen wolte undt man ihr ihre quittare geben konte, so baldt sie ahnfing, zu spielten, kam sie gantz wider zu recht. Es war auch auß betrübtnuß, daß die arme fraw närisch geworden [050] war, hatte aber erschreckliche unglück gehabt. Zwey brüder, so sie hertzlich lieb hatte, hatt man vor ihren augen assasinirt; sie hatte auch ihren man gar lieb, der ist mitt einem leichtfertigen menschen von ihr geloffen, sie hatt ihn biß nach Copenhagen gefolgt, da hatt er sie von sich gejagt, alß wen sie seine fraw nicht, sondern eine narin[6] were. Die zwey unglück nach einander hatt sie sich so zu hertzen gezogen, daß sie in der that recht närisch geworden ist. Sie hatt mich recht gejammert. Ich war sehr in ihren gnaden, hieß mich alß
mon aimable; aber so balt sie kame[7], hilt ich allezeit eine quittare fertig. Wie sie vor dießem verstandt gehabt, war sie all possirlich. Sie hatte große kopffschmertzen undt bilte sich ein, es käme einer mitt einem ochsenkopff, der stieße ihren kopff, sagte alß:
Ah, que cette teste de veau me fait mal et me fait tant de caquet[s] en l’air!Daß hatt sich hernach hir im sprichwordt gethrehet:
Elle entend de caquets en l’air comme la Persillie. Also ist es dem magistrat von Franckfort auch gangen, haben caquet[s] en l’air gehört. Bin fro, liebe Louise, daß Ihr nicht von denen geweßen, so caquet en l’air gehört haben. Es ist eine verdrießliche sache, wen die flüße kommen; den daß melt sich gar offt wider ahn; wünsche sehr, daß Ihr nun von den Ewerigen möget befreyet sein. Ich höre nichts mehr von printz Carl d’Armagniac[8], noch von dem duc de la Force. Man spricht von nichts mehr, alß von dem türckischen abgesanten; der wirdt morgen seine audientz bey dem könig haben, es solle gar magnifiq undt prächtig hergehen. Aber zu dießer audientz habe ich mich nicht resolviren können zu gehen, es hette mich zu sehr ahn der letzten persianischen audientz erinert, so ich bey unserm könig gesehen[9], würde derowegen daß weinen nicht halten können, werde also nicht hin. Aber ich werde ihn morgen hir mitt seinem cortege vorbeyreitten sehen auff dem balcon, so auff la place sicht, undt biß sambstag werde ich Eüch verzehlen, wie ich es gefunden. Liebe Louise, ich schicke Eüch hirbey seine entrée, so vergangenen sontag gehalten. Ich bin die einige vom gantzen königlichen hauß, so nicht in die Place-Royale geweßen, dießen einzug vergangenen sontag zu sehen. Der könig selber hatt dießen eintzug auff der marechalle de Bouffler[s] [balcon] a la Place-Royale [gesehen]. Mein [051] sohn undt seine gemahlin wahren bey der großhertzogin, ihr sohn bey dem, so die schwartzen mousquetaire [commandiert], madame la duchesse mitt ihren kindern wahren bey der princesse Despinois[10], princes de Conti bey der duchesse de Rohen Chabot[11]; also segt Ihr woll, liebe Louise, daß alles da war außer ich; alle meine vorwitz verschwindt sehr. Ich werde dießen morgen mitt meinem enckel[12] ein kindt auß der tauff heben, also muß ich nun meine pausse machen. Biß dießen nachmittag, ehe ich zur großhertzogin fahre, werde ich Eüch noch entreteniren, undt , wen ich wider kommen werde sein, will ich dießen brieff gantz außschreiben; viell[eicht] werde ichs noch thun können, ehe ich wegfahre.