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Brief vom 20. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1211.


[048]
Paris, donnerstag, den 20 Mertz 1721 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 4 Mertz erfreüet worden. Von der post ist nichts zu sagen, aber dießmahl ist Ewer liebes schreiben von no 18, [049] ob zwar den rechten tag, das die brieffe ahnkommen sollen, jedoch etlich tag spätter [angekommen], den ich hette es mittwog schon haben sollen. Gestern habe ich keines entpfangen, man spart mir es vor sontag wieder. Hirauff ist weitter nichts zu sagen, alß nur zu wünschen, daß die so gar curieussen von unßern brieffen einen geschwindern undt geschicktern übersetzer bekommen mögten, damitt unßere schreiben geschwinder gehen undt ahnkommen mögten. Vor meine gesundtheit, liebe Louise, dörfft Ihr nun so baldt nicht mehr sorgen; den ich bin nun wider gantz woll undt wie ich vor meiner kranckheit war. Daß wetter ist schön, aber noch erschrecklich kalt; biß auff vergangen montag hatt es noch gar starck gefrohren. Meine leütte haben mir eyß [gebracht], so nachts in ihren cammern gefrohren; war von 3 gutte finger dick. Gestern hatt es starck geschneyet; wie es aber vorher ein wenig geregnet, so ist der schnee nicht liegen blieben. Es ist war, daß wir all zimlich gleich wetter bißher gehabt haben. Ich[1] müst Eüch selber im auffzeichnen betrogen haben, aber gar nicht in Ewern brieffen; den Ewer liebes schreiben vom 1 Mertz, so ich vergangenen mitwog, nein, es war donnerstag, just heütte 14 tag, entpfangen, war von 17 chiffrirt, also kein fehler dran. Daß Ihr hernach no 18 chiffrirt, liebe Louisse, war gar recht undt daß andere doch nicht gefehlt. So baldt man in die auguren[2] fehlt[3], können nichts, alß alberteten, drauß werden, aber die politiquen meinen, daß, je mehr man den pöpel bang macht, je beßer kan man sie im zaum halten, undt daß ist vielleicht [die meinung] der herrn von Franckforth geweßen; den sonsten deücht man[4] doch, daß man in Teütschlandt nicht viel auff neüe prophetten helt. Zu meiner zeit pflegte man zu sagen: Die alten prophetten sein todt undt die neüe hengt man. Ich habe hir vor dießem eine fraw gekandt, so man La Persillie[5] [hieß], so von gutten stattleütten war undt mittel gehabt. Man sahe woll, daß sie woll erzogen war worden; sie spilte gar woll auff der quittare, undt wen sie in der grösten furie von ihrer rasserey war undt alles erwürgen wolte undt man ihr ihre quittare geben konte, so baldt sie ahnfing, zu spielten, kam sie gantz wider zu recht. Es war auch auß betrübtnuß, daß die arme fraw närisch geworden [050] war, hatte aber erschreckliche unglück gehabt. Zwey brüder, so sie hertzlich lieb hatte, hatt man vor ihren augen assasinirt; sie hatte auch ihren man gar lieb, der ist mitt einem leichtfertigen menschen von ihr geloffen, sie hatt ihn biß nach Copenhagen gefolgt, da hatt er sie von sich gejagt, alß wen sie seine fraw nicht, sondern eine narin[6] were. Die zwey unglück nach einander hatt sie sich so zu hertzen gezogen, daß sie in der that recht närisch geworden ist. Sie hatt mich recht gejammert. Ich war sehr in ihren gnaden, hieß mich alß mon aimable; aber so balt sie kame[7], hilt ich allezeit eine quittare fertig. Wie sie vor dießem verstandt gehabt, war sie all possirlich. Sie hatte große kopffschmertzen undt bilte sich ein, es käme einer mitt einem ochsenkopff, der stieße ihren kopff, sagte alß: Ah, que cette teste de veau me fait mal et me fait tant de caquet[s] en l’air! Daß hatt sich hernach hir im sprichwordt gethrehet: Elle entend de caquets en l’air comme la Persillie. Also ist es dem magistrat von Franckfort auch gangen, haben caquet[s] en l’air gehört. Bin fro, liebe Louise, daß Ihr nicht von denen geweßen, so caquet en l’air gehört haben. Es ist eine verdrießliche sache, wen die flüße kommen; den daß melt sich gar offt wider ahn; wünsche sehr, daß Ihr nun von den Ewerigen möget befreyet sein. Ich höre nichts mehr von printz Carl d’Armagniac[8], noch von dem duc de la Force. Man spricht von nichts mehr, alß von dem türckischen abgesanten; der wirdt morgen seine audientz bey dem könig haben, es solle gar magnifiq undt prächtig hergehen. Aber zu dießer audientz habe ich mich nicht resolviren können zu gehen, es hette mich zu sehr ahn der letzten persianischen audientz erinert, so ich bey unserm könig gesehen[9], würde derowegen daß weinen nicht halten können, werde also nicht hin. Aber ich werde ihn morgen hir mitt seinem cortege vorbeyreitten sehen auff dem balcon, so auff la place sicht, undt biß sambstag werde ich Eüch verzehlen, wie ich es gefunden. Liebe Louise, ich schicke Eüch hirbey seine entrée, so vergangenen sontag gehalten. Ich bin die einige vom gantzen königlichen hauß, so nicht in die Place-Royale geweßen, dießen einzug vergangenen sontag zu sehen. Der könig selber hatt dießen eintzug auff der marechalle de Bouffler[s] [balcon] a la Place-Royale [gesehen]. Mein [051] sohn undt seine gemahlin wahren bey der großhertzogin, ihr sohn bey dem, so die schwartzen mousquetaire [commandiert], madame la duchesse mitt ihren kindern wahren bey der princesse Despinois[10], princes de Conti bey der duchesse de Rohen Chabot[11]; also segt Ihr woll, liebe Louise, daß alles da war außer ich; alle meine vorwitz verschwindt sehr. Ich werde dießen morgen mitt meinem enckel[12] ein kindt auß der tauff heben, also muß ich nun meine pausse machen. Biß dießen nachmittag, ehe ich zur großhertzogin fahre, werde ich Eüch noch entreteniren, undt , wen ich wider kommen werde sein, will ich dießen brieff gantz außschreiben; viell[eicht] werde ichs noch thun können, ehe ich wegfahre.
Donnerstag, den 18, umb 2 uhr nachmittags.
Es ist schon über 3/4 standt, daß ich von taffel bin.
Donnerstag umb halb 7 abendts.
Ich bin heütte so sehr interompirt worden, daß ich ohnmöglich eher wider zum schreiben habe gelangen können, werde mich doch gewiß nicht reteriren, schlaffen zu [gehen], biß ich d[i]eßen brieff gantz werde außgeschri[e]ben [haben]; ohne unßere kintauff heütte morgen [wäre] me[i]n brieff außgeschriben. Daß kindt heist Carl Ludwig Joseph; Carl, weill ich Charlott[e] heiß, Ludwig, weill mein enckel Louis heist, undt Joseph auß mehr, alß einer, ursach; erstlich so heist sein vatter, der marquis de la Villemenus[13], so, undt auch weillen er gestern gebohren, so der tag von st Joseph war, also seinen vatter einen gefahlen [zu thun], habe ich seinen nahmen zu den unßerigen gesetzt. Er hatt mir gestanden, daß er es nicht hette sagen dörffen, aber daß ich ihm einen rechten gefahlen gethan, dießen nahmen seinem söhngen zu geben laßen. Aber da kompt mein hüngen ahngestochen, ich muß zu nacht eßen; nur noch vorher sagen, daß ich alleweill Ewer liebes schreiben vom 8 Mertz, no 19, entpfange. Ich bin kein viertelstundt ahn taffel geweßen. Man hatt mir dießen abendts ein feldthüngen geben, habe es aber nicht gantz geßen; es war nicht schlim, aber ein wenig zu drucken. Ich werde Ewer letztes schreiben, so ich dießen abendt entpfangen, [052] vor übermorgen sparen. Ich habe Eüch ja schon geschrieben, liebe Louise, wie daß der adel hir degradirt, wen er sich in kauffmanshändel mischt. Ich habe die gräffin von Nassau gar woll gekendt, unßers graffen, deß printzen von Birckenfelt schwiger herr vatter fraw mutter. Es war warlich eine gar wackere, verstandige gräffin, die heroiquische[14] thaten gethan, hatt, alß man ihr schloß bombardirt, sich zum todt preparirt, daß h. abendtmahl entpfangen, hatt alle ihre leütte auß dem schloß heißen gehen undt ist mitt einem bettbuch in einem sessel sitzen blieben, hatt daß schloß so bombardiren laßen; daß hatt die offecirer so touchirt, daß sie daß bombardiren haben auffhören laßen, ist ihr also nichts geschehen. Sie war raisonabel, ihr herr sohn [auch], habe viel auff beyde gehalten. Alte sachen zu verkauffen, ist erlaubt, aber keine neüe wahren, so den kauffleütten unrecht thun kan, daß ist verbotten. Gar reich ist die arme gräffin von Nassau nicht geworden, ihr elster sohn war ein wollgeschaffener, polier[15] herr; der jetzige gleicht ihm in nichts, ist wie ein braver[16] in allen seinen maniren. Schachern habt Ihr, liebe Louise, woll nicht zu Heydelberg gelehrnt. Last Eüch nicht gereüen, nicht karg zu sein! Es ist gar zu ein heßlich laster, undt den gott Mamon dinnen undt int[er]essirt sein führt zu alles bößen, wie wir hir nur zu viel sehen. Gott verzeye mir, wo ich unrecht thue! aber ich habe so ein abscheülich abscheü vor daß Missisipi undt Sudsée, daß ich die nicht beklagen, so drinen verlohren haben; den ich bin persuadirt, daß der geitz sie allein dahin gebracht hatt. Der abbé mitt dem rohten ordre ist gar gewiß ein fourbe. Ich muß baldt auffhören, umb nach bett zu gehen, muß morgen vor 6 auffstehen, ahn printzes von Wallis schreiben undt mich früh ahnziehen, umb die cavalcade zu sehen vom türckischen abgesanten; werde Ewer neües schreiben leßen undt hernach schlaffen gehen. Adieu, hertzliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 48–52
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1211.html
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