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Brief vom 3. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1215.


[066]
Paris den 3 April 1721 (N. 79).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag habe ich Ewer liebes schreiben vom 18 Mertz, no 22, zu recht entpfangen. Es ist nicht zu muhtmahßen, daß die post sich endern wirdt, so lang die, so sie unter händen haben, mitt umbgehen werden, derowegen nichts davon zu sagen. Sambstag werdet Ihr woll ein par von meinem gekritzel bekommen. Wir haben seyder 8 tagen hir daß schönste wetter von der welt, nur gar zu warm; den wie man noch vor die kälte undt winter gekleydt ist, macht es recht schwitzen. Daß man hir klagt, ist kein wunder; man ist mir allein von meinem deputat 500/m. francken schuldig, nehm[e] doch gedult, welches andere nicht gern thun; daß macht aber daß leben nicht lustiger, die warheit zu bekenen. Waß klagt man aber zu Franckforth? Ihr habt zu klagen, weillen Eüch Churpfaltz nicht bezahlt. Dießer herr muß abscheülich bestohlen werden. I. G. s. unßer herr vatter hatte ja viel weniger einkommens, alß der jetzige churfürst, so noch die zwey hertzogtühmer, alß Neüburg undt Düßeldorff, mehr hatt; aber unßer churfürst bezahlte richtig. Daß macht mich glauben, daß der jetzige churfürst erschrecklich bestohlen muß werden. Wen ein großer herr stirbt, macht man gleich alle die andern kranck; weillen der papst gestorben, macht man alle ander[e] hohe potentaden auch kranck biß auff den türckischen keyßer, der es doch auch nicht geweßen. Ich habe niemandts nichts gesagt hir von der zeittung, so zu Franckforth gehet vom christlichen[1] keyßer, welche, gott lob, nicht wahr ist; man würde hir waß davon gehört haben. Die meß ist nun nahe, weillen wir in 10 tagen Ostern haben. Franckreich ist so groß undt es seindt so viel örter frey von der pest, daß man ohne gefahr die wahren ahnnehmen könte, wen man [067] sich nur hüttet, nichts von Provence undt Languedoc kommen zu laßen. In der Schweiz ist auch keine pest. Bettelleyen seindt woll unleydtlich. Ich glaube, man macht Churpfaltz weiß, daß Ihr bezahlt seydt. Wobey Churpfaltz ahnfangen solte, ist, seinen[2] pfaffen braff abzustrafen, so ihm so böße[n] undt untrewen raht geben haben. So lang man die pfaffen nicht intimidiret, kan nichts guts, noch ruiges in der Pfaltz werden. Die geistlichen gütter wider zu geben, wirdt härter halten, alß den cathegismuß; den nach den[3] glauben fragen die herrn geistlichen gar wenig, aber gutt undt einkommen ist ihnen gar nicht indifferent. Unter unß gerett, ich forchte, der margraff von Durlach seye ein narr in folio geworden; freylich habe ich schon von seinem serail gehört[4]. Der margraff von Durlach ist sein leben nicht hir im landt geweßen, sondern nur sein printz, so hir so erbar wahre wie ein jungfergen, auch so, daß vielle ihn davor gehalten haben, hatt doch erwießen, daß er es nicht ist, weillen er einen sohn gehabt. Die maitressen mitt ruhten hauen, ist ein ragoust von desbeauchen, so mehr mahl geschehen; bey pfaffen ist es mehr geschehen, aber in der Turckey nicht, da habe ich nicht von gehört. Der fürst von Nassau ist ja noch nicht todt. Wie kan den seine gemahlin einen graffen von Wiedt geheüraht haben? Desbeauchirte leütte haben gutt exempel so lang zu sehen, alß sie wollen, sie corigiren sich nicht. Daß violente temperament undt gewohnte desbeauche nimbt alß die überhandt, also folgen sie nur ihre verdambte inclination undt halten tugendt vor einfalt undt sottissen undt meinen, viel klüger zu sein, undt sehen nicht, daß sie sich in dießer welt in verachtung undt [in] jener in die ewige verdamnuß führen. Ich weiß nicht, wer die von Oranienstein sein, habe nie davon gehört. Sagt mir doch, von welchem hauß sie ist! Hiemitt ist Ewer liebes schreiben völlig beantwordtet, also bleibt mir nicht mehr überig, alß zu sagen, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
P. S.
Donnerstag umb halb 6 abendts.
Wie ich von der großhertzogin gekommen, liebe Louise, hatt [068] man mir unten ahn der stiegen Ewer paquet undt liebes schreiben vom 22 Mertz, no 23, [gegeben]; daß wirdt heütte nicht beantwordtet werden, wo mir gott aber daß leben undt gesundtheit biß auff zukünfftigen sambstag lest, werde ich es beantwordten, nur heütte sagen, daß im fahl Ihr unßern gutten freündt den Hattenbach wieder secht, so sagt ihm, daß ich gar gern gesehen, daß er noch ahn mich gedenckt, daß ich ihn durch alle die, so ich vom casselischen hoff hir gesehen, allezeit grüßen laßen, aber nie nichts von ihm gehört! Bin also froh, daß er wider ahn mich gedacht hatt, den ich halte recht viel von ihm; er hatt verstandt undt ist von den gutten leütten, wie mein bruder s. undt ich alß vor gutte leütte hießen, ohne façon noch grimassen, undt weiß doch, gar woll zu leben; so habe ich die leütte gern. Er hatt einen bruder, so ich hir[5] hoffmeister bey einem fürsten von Anhalt geweßen; der mag woll ein gutter mensch sein, hatt aber bey weittem nicht so viel verstandt wie dießer Hattenbach, noch so manirlich; man solte sie nicht vor brüder halten. Aber da kompt mein sohn herrein, kan also nichts weitters sagen, alß daß ich Eüch eine glückseelige nacht wünsche.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 66–68
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1215.html
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