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Brief vom 12. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1218.


[075]
Paris, sambstag, den 12 Aprill 1721 (N. 82).
Hertzallerliebe Louise, gott seye danck! die gar langen devotionen seindt nun zum endt. Gott verzeye mirs! ich hette gestern schir alle gedult verlohren, den wo ich war, hir in der nachbarschafft, nehmblich a St Honoré, den da geht es noch kürtzer her, alß in keiner andern kirchen in Paris. Ich hatt nichts zu nacht eßen können, weillen ich den apetit verlohren hatte, auch wenig zu mittag geßen; also wie ich gestern die 4 stundt in der kirchen war, fing mir der magen so abscheülich ahn, zu ziehen, daß ich mich schir übel befunden, ware woll hertzlich fro, wie es zu endt ging. Aber last unß von waß anderst reden! Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 29 Mertz, no 25, so ich vergangenen donnerstag entpfangen undt biß auff heütte gesparet. Von der post will ich nichts sagen, allein man muß nicht glauben, daß sie endern wirdt. Ich habe woll gedacht, daß der eintzug vom türckischen abgesandten [Euch] amussiren würde; drumb habe ichs Eüch geschickt, liebe Louise! Ich habe lachen müßen, liebe Louise, daß Ihr dießen abgesanten einen bottschaffener heist; aber bottschaffter habt Ihr sagen wollen, wie man in Östreich sagt, aber bottschaffener sagt man nicht. Er ist gar ein artiger man, sehr polie, hatt viel verstandt undt ist allezeit lustig. Vor etlich tagen ist ein groß desordre bey ihm geschehen. Junge officirer, so ein wenig gesoffen hatten, haben sich vor dem hauß gezangt nachts; ein armer Turq von deß abgesanten bedinten, so einen stock in der handt hatte, kam mitt einem licht, zu sehen, waß vor ein geraß vor dem hauß. Die Frantzoßen, so nicht gesehen wolten sein, bließen dem Türcken daß licht auß; der wurdt böß, nahm es vor ein affront undt schlug mitt seinem stock dr[e]in; einer von den jungen officirer, so eben den bloßen degen in der handt hatte, sticht auff den Türcken zu, blessirt ihn sehr; er wirdt doch nicht ahn sein[e]r wunde sterben, solle nicht gefährlich sein. Der officirer, so ein edelman ist, hatt zwey wunden [076] bekommen, womitt man ihn ins [gefängnis] geführt; er heist la Beaume[1]. Es ist kein wordt war, daß weder ich, mein sohn, noch seine gemahlin bey der printzes Despinois[2] in deß abgesanten entrée geweßen. Monsieur le duc, madame la duchesse, seine fraw mutter undt seine brüder seindt dort geweßen, mein sohn undt seine gemahlin bey madame la grand[e] duchesse undt ich nirgendts; den meine große curiositet ist gantz vorbey, undt wer[3] dießer abgesandte nicht bey dem Palais-Royal geritten, oder im opera geweßen, hette ich ihn gewiß nicht gesehen. Noch der zeit höre ich von keinen neüen moden a la Turque; es könte aber woll sein, ohne daß ich es wüste; den ich folge die moden vom weitten undt etliche nehme ich gantz undt gar [nicht], alß wie die pagnies[4], die trag ich nicht, wie auch die robe[s] ballantes, die kan ich nicht leyden, finde es eine impertinente tracht[5], laß niemandts mitt dießer tracht zu mir; es ärgert mich, ist eben, alß wen man zu bett gehen solte. Es ist keine regal auff der mode, die schneyder undt faisseusse[6] de robe[s] de chambre undt die coeffeussen[7] machen die neüe moden. Die moden von den gar hohen coeffuren[8] habe ich nie a l’exces gefolgt, also mich desto eher wider zu den niederigen bekennen können. Daß freüllen, so ein voeux gethan, die hohe coeffuren zu behalten, muß den hirnkasten übel bestelt haben; den daß kan weder gott, noch menschen gefallen. Die Persillie[9], ohne könig Saul verwandt zu sein, war von gutter famille de robe, war woll zu beklagen; ihr unglück wahren auff alle endt, weiß undt weg abscheülich. Von gevatterschafft kan man kein glück wünschen, es kompt einem weder guts, noch böß davon. Man hatt mir in meiner kranckheit daß ey im warm[en] waßer so verleydt, daß ich es ohnmöglich wider nehmen kan; es hatt mir alle eyer verleydt, ich liebte sie nicht sehr vorher. Ich hoffe, daß die sanffte frühlingslufft [077] Ewern husten gantz couriren wirdt; alles wirdt nun grün, alle bäume seindt hir im gartten außgeschlagen undt auch aux Thuillerie. Alle leütte hir klagen wie Ihr, liebe Louise, so den husten haben, daß er wider kompt, wen sie meinen, daß es vorbey ist. Ich weiß nicht, waß Ihr von Ewern nachbaren, die storchen[10], sagt; die fehlen woll kein jahr, zu kommen; die sicht man in Franckreich nicht. Ich bitte, sagt mir doch, ob Ihr deren in Englandt gesehen! den man pretendirt, daß sie sich in keinen königreichen auffhalten. Mein schreibmeister konte kein gar alter man sein, wie Ihr im closter Neüburg wahret; den wie ich weg reißete, glaube ich nicht, daß er 30 jahr alt war. Stincken ist gar gemein bey den herrn geistlichen in allen religionen, aber mich deücht, gemeinlich stincken die Frantzoßen ärger, alß die Teutschen undt Englander; Spanier aber undt Portugaisen[11] stincken über alles. Die Bettendorfin, die den Zilhart[12] geheüraht, war die jüngste undt die wir alß die Annelis hießen. Waß die Bettendörffin geschrieben, ist ein alt liedt, wovon ich die melodie woll weiß, finde also nicht, daß es zörnens wehrt geweßen. Ich bin gewiß, daß herr Fabritzius nur wirdt drüber gelacht haben; aber Ewere gutte graffin von Erbach war poinctillieux[13]; damitt richt man doch sehr wenig auß, macht die gemühter zu scheü. Ich kan nicht begreiffen, wie ein alt liedt gegen die 10 gebott gehen kan; ich bin nicht so scrupuleux, wie Ihr woll segt[14], liebe Louisse, undt mich deücht, man solle es nur sein in sachen, so in der that schlim sein undt auß leichtfertigkeit oder interesse waß bößes thun. Ewer leben habt Ihr mir, lieb Louise, auffs wenigst daß ich mich erinern kan, nichts von der Bettendörfin geschrieben; ich habe sie zu woll gekendt, umb mich ihrer nicht zu erinern, wen Ihr mir von ihr geschrieben hettet. Die freüllen Veningen, wie man nun sagt, muß deß Philips Ernst von Eychterheim dochter sein, so wir alß den Randandé[15] hießen. Die Bettendorfin, so den alten Mentzinger geheüraht, muß die alste geweßen sein. Aber nun muß ich meine pausse machen, mich ahnkleyden, in die capelle gehen, wieder komen, eßen, hernach zum könig fahren; hernach [078] werde ich Eüch, liebe, weitter ein wenig entreteniren. Ich fürchte, ich werde nicht wider zum schreiben gelangen biß nach complie[s][16] de[s] père[s] de l’oratoire.
Sambstag, den 11[17] April, umb 1 uhr nachmittags.
In dießem Augenblick komme ich des Thuilleries, wo ich bey unßerm könig meine wochendtliche vissitte abgelegt. Nun laße ich alle meine leütte zu mittag eßen biß umb 3/4 auff 3, alßden werde ich zur marquise undt umb ein viertel auff 3[18] in die kutsch undt, wie ich schon gesagt, au[x] père[s] de l’oratoire, complie[s] zu betten; daß wehret nicht gar lang. Ich komme aber wieder auff Ewer liebes schreiben. Wir wißen all vor 8 tagen der königin in Denemarck[19] todt. Übermorgen werde ich die trawer nehmen, wirdt aber nur ein mont tawern. Ich liebe die kleine trawern nicht, den sie ziehen allezeit eine größere hernach; ich habe es gar offt observirt. Der könig in Denemarck solle doch sehr touchirt geweßen sein undt ohnmächtig geworden sein, wie sie ihm zugesprochen hatt, aber daß attandrissement kam ein wenig zu spät. Ist es möglich, daß die arme königin von dießem könig hatt jalous sein können? Ahn ihrem platz were ich nur fro geweßen, wen er mir vom leib blieben wehre; den den herrn hatt sie ohnmöglich lieb haben können, er ist gar zu heßlich undt alber. Ich sehe ihn noch, wie er zu Versaille mitt meiner dochter dantzte; er fing ahn einem ort ahn, vergaß, waß er thun solte, blieb mitten im sahl stehen, sahe gen himmel, pfetzte maul undt augen. Der könig sagte zu mir: Alles au secour de vostre peauvre neuveu[20]! il ne sait plus, où il en est. Ich stundt auff, führte ihn wider ahn seinen platz; ich schambte mich aber vor ihm. Ich habe princes Anne auffs saltzfas gesetzt; sie solte mich jammern, wo sie dießen könig [079] heürahten müste, er ist gar zu heßlich undt abgeschmackt. Nun werde ich wider eine pausse machen undt nunder zu der marquisen gehen. Adieu biß nach der kirch!
Sambstag umb 4 uhr nachmittags.
Da komme ich wieder auß der kirch, liebe Louise! Es ist ein kerl in dem closter, der gar eine gar schönne stime hatt, hatt gar woll gesungen, aber die gesterige, so die passion gesungen, war noch beßer. Aber last unß wieder auff Ewer liebes schreiben kommen! Die Langallerie hatt mich recht außgemacht wie ein hipenbuben[21], daß ich nicht hab thun wollen, waß sie will, noch mich in ihre impertinente händel mischen. Sie wolte, ich solte ihres mans gütter, so durch seinen abzug confisquirt sein wollen[22] undt der könig s. Langalleries schwester [gegeben], wieder durch meinen sohn der schwester nehmen laßen undt ihr undt ihren kindern geben. Wie ich sagte, daß daß nicht geschehen [könne], weillen Langallerie gegen dem könig gedint hette, hatt sie zu mir gesagt, ich wüste mein handtwerk nicht, noch waß generositet were, undt hundert dergleichen impertinentzen, mitt einem wordt genung, daß, wen ich nicht meinen vettern geschont hette, der ein sohn von ihr hatt, hette ich sie durch die cammerknecht bey den axellen auß meiner cammer jagen laßen, aber ich sagte es dem monsieur Martine: Vous entendes, comme elle parle; je n’en feres[23] que rire a causse de mon cousin, le landgrave; sans cela je saurois bien, comme la traitter; voila asses d’extravagance! amenes la! Habe sie so wider weg geschickt undt ihr sehr versichert, daß ich mein leben nicht vor sie reden würde[24]. Ich habe allezeit gehört, daß die metres vom hertzog von Württenberg[25] eine von den impertinen[te]sten creaturen von der welt ist; also wundert mich ihre historie gantz undt gar nicht. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben völlig beantwordtet. Ich muß noch ahn die königin von Preüssen schreiben, ich habe auff 2 [080] von I. M. schreiben zu andtwortten. Adieu den, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere Eüch, daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt allezeit behaltten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 75–80
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1218.html
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