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Brief vom 17. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1219.


[080]
Paris, den donnerstag, 17 April 1721 (N. 88).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sambstag abendts habe ich Ewer liebes schreiben vom 1 April, no 26, zu recht entpfangen; aber ich glaube, ich habe es Eüch selbigen abendt gleich geschrieben. Aber daß thut daß liebe alter, daß man ein schlim gedachtunß bekompt, waß man schon offt mehr, alß einmahl, gesagt hatt. Man hatt unßerer printzes von Wallis 3 von meinen schreiben auffgehalten undt hernach auff einmahl [gegeben]. Dieße impertinentz muß man vor gar artlich auff der post halten; es geht Eüch jetz[t] ja auch so, liebe Louise! Mich können so sachen recht ungedultig machen. Ihr macht mich aber stoltz, meine brieffe artig zu finden, liebe Louise! Wen Eüch die divertiren können, muß Ewere lange weille in Franckfort woll abscheülich sein; den daß ist woll von den mittelmäßigen freüden, wie der kleine Paul alß pflegt zu sagen. Daß meine brieffe Eüch ahngenehm sein, weillen Ihr mich lieb habt undt gerne wißen möget, wie ich lebe, daß laß ich gelten; daß sie aber auß zeit-vertreib mehr, alß einmahl, können geleßen [werden], daß ist schwer zu glauben, liebe Louise! O, wie gern wolte ich, wie unßere liebe printzessin von Wallis alß sagt, mitt Eüch kieffen[1], daß Ihr so viel façon mitt mir macht undt mir nicht sagen wollen, daß Ihr findt, daß ich einen artigen geist habe! Ob ich es zwar nicht meritire, ist es doch ein groß lob. Meine unlustigkeit piquirt mich mehr, alß es mich abmatt, undt wen man piquirt ist, lautt es possirlicher, alß wen man de sang froid spricht. Kranckheitten machen mich nicht trawerig; ich vexire allezeit in meinen kranckheitten; daß macht die fraw von Rotzenhaussen offt recht boß auff mich. Wir haben ein tag oder 8[2] daß schönste wetter von der [081] weldt gehabt undt so warm, alß in den hundttagen; man ist ohne fewer geweßen undt haben thür undt fenster aufmachen müßen; vorgestern aber umb 6 abendts kam auff einen stutz ein solcher sturm undt windtsbraut, daß es kutschen im cour solle umbgeworffen haben, im gartten hatt es baum gebrochen, camin fallen [machen], suma, eine gar große unordtnung überall ahngestelt. Seyder dem ist die kälte widerkommen, daß man nicht ohne feüer sein kan. Mir ist ein gantz rauer halß darvon kommen; ob es wider mitt dem husten wirdt, werden wir sehen. Es mag aber sein, wie es wolle, so kan ich nicht lenger hir daweren, werde biß montag nach St Clou, werde Eüch also nur noch einmahl von dießem verdrießlichen Paris schreiben, alß nehmblich übermorgen. Ey, liebe Louise, macht Eüch nie kein scrupel, mir nicht so viel alß ordinarie zu schreiben, wen Ihr geschafften habt undt leütte mitt Eüch zu reden haben! Alles, waß billig ist, aprobire ich allezeit, aber rechenungen ahnhören, ist in meinem sin eine langweillige sache. Nun werde ich eine pausse machen undt mich ahnziehen; dießen nachmittag werde ich dießen brieff außschreiben. Da kompt mein sohn herrein.
Donnerstag, den 17ten, umb halb 2 nachmittags.
Meine digestion ist gemacht; ich werde nun suchen, Eüch ferner zu entreteniren, liebe Louise, aber nicht gar lang, weillen ich, wie ich Eüch schon gesagt, zur großhertzogin muß. Da kommen die kutschen.
Donn[e]rstag umb 5 abendts.
Ehe ich außgefahren, habe ich Ewer liebes schreiben von 5, no 27, zu recht entpfangen; daß werde ich erst biß sambstag beantwortten, dießen abendt aber auff daß vollendts andtwortten, so ich heütte morgen ahngefangen hatte, nur vorher sagen, daß ich die großhertzogin woll gefunden habe, aber man hatt große mühe, sie zu verstehen. Sie kan nicht lautt reden undt articullirt gar übel, also hatt man große mühe, sie zu verstehen; ich verstehe sie doch noch beßer, alß viel leütte. So viel, alß man durch brieffen von jemandts judiciren kan, kompt mir der Würtzeus gar fein vor undt alß wen er ein gutter, ehrlicher man wehre. Ich beklage alle die, so ihre kinder verliehren; den nichts ist schmertzlicher in der welt. Ein klein kindt von etlichen monathen ist eher zu verschmertzen, alß wen sie gehen undt reden können. Wie ich meinen elsten sohn verlohren, so noch nicht gar vollig 3 jahr alt war, bin [082] ich 6 monat geweßen, daß ich meinte, ich müste närisch vor betrübtnuß werden. Ach, liebe Louise, wen man nur reden oder schreiben solte, woran einem sehr viel gelegen ist, würde wenig geschrieben oder gerett werden. Der czaar ist gar gewiß nicht gestorben, ich habe noch vorgestern den herrn Schleünitz gesprochen undt ihn ein wenig mitt deß czaars hundts-begrabnuß geplagt undt vexirt. Er sagt, er hette nichts davon gehört. In diesem augenblick bekommen wir zeittung von Chatilli[3]; monsieur le duc hatt gar ein starck fieber biß umb 2 uhr nachmittags gehabt, er ist gar kranck. Alle die junge leütte meinen, sie wehr[e]n von eyßen undt stahl, bezahlen es offt gar thewer; den alles führt hir ein gar dolles leben. Gott stehe ihnen bey undt bekehre sie! Der czaar ist älter, alß der könig in Schweden, mögte also seinen todt leicht sehen. Man sagt im sprichwordt, wen man einen wunsch thut, so gutt vor sich selber ist: Elle ne pert pas le jugement. Den waß Ihr da wünscht, ist Eüch, liebe Louise, gar nicht schädtlich. Ihr wünscht, daß mir gott erhalten möge, waß mir lieb undt nahe ist, undt daß [ist] ja alles vor Eüch, liebe Louise! Den Ihr seydt mir ja nahe undt lieb undt werdet mirs auch allezeit bleiben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 80–82
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1219.html
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