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Brief vom 26. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1223.


[092]
St Clou den 26 April 1721 (N. 86).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch vergangenen donnerstag, ehe ich herkommen, bericht, wie ich Ewere 2 liebe schreiben vom 12, no 29 undt 30, entpfangen; da werde ich nun auff andtwortten. Ich bin fro, daß meine brieff doch nicht verlohren gehen undt sich endtlich wider finden. Ich verseume gar gewiß keine eintzige post; darauff könt Ihr, liebe Louise, gar gewiß vertrawen; ich habe es Eüch ja gar zu ernstlich versprochen, umb dran zu fehlen. Deß [093] grünen safft bin ich noch nicht quit, werde morgen wider davon nehmen müßen, weillen ich seyder ein zeit her zu Paris durch den stuhl-gang abscheülich viel glaire[1] (ich weiß nicht mehr, wie man daß auff Teütsch heist) von mir geben habe; daß wollen sie vollendts außlehren. Ich habe auch starck krambff in den lenden undt keinen großen apetit; waß weitter drauß werden wirdt, werde ich Eüch, liebe Louise, berichten. Ich habe, gott lob, kein magen-wehe. Monsieur Teray verstehet sein sach gar woll, man kan sich auff ihn vertrawen undt im überigen thue ich, waß ich thun solle; aber ich bin durchauß persuadirt, daß meine stundte gezehlt undt daß ich keinen schritten drüber gehen werde. So lang ich leben [soll], werden die docktoren alles finden, waß mir nützlich sein kan; kompt aber die fatalle stundt, so mir der allmacht[ig]e vorsehen, mich auß dießem leben zu führen, so wirdt eine verblendung kommen, so alles überzwerg wirdt gehen machen. Mir ist die sach sehr indifferent; ich weiß, daß ich nur bin gebohren worden, umb zu sterben, also erwartte ich dieße zeit ohne ungedult undt auch ohne sorgen, bitte nur den allmachtigen, wen meine stundt wirdt kommen sein, mir ein seeliges endt zu verleyen. Ehe ich von Paris bin, habe ich noch ein gar langes schreiben von I. L. der printzes von Wallis bekommen vom 6/17 dießes monts; sie hatte schmertzen, aber erwarttet nur[2] alle stundt ihre entbindung. Gott wolle ihr beystehen undt alles glücklich außführen! Bißher weiß ich noch nicht, ob sie niederkommen ist oder nicht; aber es ist gewiß, daß es eine frohlige zeittung vor mir sein wirdt, wo es woll abgangen. Ich habe es von nöhten, den daß hertz ist mir schwer wegen einer armen frawen, so in großer lebens-gefahr ist, die fraw von Börstel. Sie ist in ihrem 8 mont, hatt einen großen schrecken gehabt, in ein[e]r promenaden seindt ihre pferde mitt ihr durchgangen; seyder-dem hatt sie immer ein starck fieber undt behelt nichts im leib, übergibt sich continuirlich undt geht nichts unten weg; gestern hatt sie gichter bekommen, ist also in großer gefahr. Der balbirer, der sie ins kindtbett bringen solle, hatt doch noch hoffnung, daß sie nicht sterben [wird]. Ich glaube aber nicht, daß sie davon kommen kan, wie man mir ihren standt beschreibt. Ist mir recht leydt; es ist 30 jahr, daß sie immer bey mir ist, also von ihrer kindtheit ahn, [094] sie ist nahe bey 37 jahren. Sie weiß viel sprachen, kan Teütsch, Spanisch undt Ittallien[i]sch, kan mahlen undt arbeydten undt gar woll leßen, list unß offt vor, ist weder desbeauchirt, noch coquet, wie es der große brauch jetzt ist hir in Franckreich, da man täglich sachen hört, daß einem die haar zu berg stehen mögen. Alles, waß man in der Bibel list, wie es vor der sündtfluht undt zu Sodom undt Gomora hergangen, kompt dem Parisser leben nicht bey[3]. Von 9 junge leütte von qualitet, so vor etlichen [tagen] mitt meinem enckel, dem duc de Chartre[s], zu mittag aßen, war[en] 7, so die Frantzoßen hatten. Ist daß nicht abscheülich? Ich komme aber wider auff unßere printzes von Wallis; ich würde recht von hertzen betrübt sein, wen es übel mitt I. L. ablauffen solte. Die meisten leütte hir im landt setzen ihren eintzigen trost in desbeauchen undt divertissement; außer daß wollen sie nichts wißen noch hören, ahn eine ewige glückseeligkeit glauben [sie nicht], meinen, daß nach dem todt gar nichts mehr seye, weder guttes, noch hößes. Ich finde es schimpfflich vor einen reichsgraffen, ein mari de cons[c]ience zu sein, welches allein gutt für einen gar geringen edelman were; es muß ein sot personage sein. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben vollig beantwortet, liebe Louise! Ich komme jetzt auff daß zweytte von no 30. Der fürstin von Ussingen schreiben hab ich gleich ihrer fraw schwester geschickt. Deren ist vor ein tag 10 oder 11 ein unglück geschehen, hatt[4] mitt ihrer kutsch dans la rue St Ja[c]que[s] umbgeworffen worden, die kutsch ist auff eine fraw, so in der gaßen ging, gefallen, hatt sie sehr blessirt. Madame Dangeau hatt den kopff noch gantz dum darvon, hatt sich nicht zur ader laßen wollen. Man hört undt sicht nichts, alß unglück; daß macht daß hertz [095] nicht lustig. Wir haben 2 tag daß schönste wetter von der welt hir gehabt, nun regnet es wider. Ich werde doch dießen nachmittag nach Madrit, die arme Chausseray[e] zu besuchen, so auch gar nicht woll ist; hatt eine[n] continuirlichen husten, so ihr weder tag, noch nacht ruhe gibt, hatt ein desgoust, kan nicht eßen; sie steckt in keiner gar gutten haut; sie hatt sich auch über des gutten, ehrlichen monsieur de Chamilliars[5] todt betrübt, so ihr gutter freündt war. Ich weiß nichts neües, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, liebe Louise, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
P. S.
Ich glaube, Ihr werdet schon gehort haben den dollen heüraht, so der konig in Denemarck 2 tag, nachdem die königin begraben, gethan[6]; ich glaube, alle leütte werden zu narren.
Die arme Borstel ist todt, wie man mir sagen kommen; es ist mir recht leydt. Ihr man ist untrostbar, jamert mich.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 92–95
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1223.html
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