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Brief vom 1. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1224.


[095]
St Clou, donerstag, den 1 May 1721 (N. 87).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewerin lieben schreiben vom 15 April, no 31, erfreüet worden. Von der post ist nichts mehr zu sagen. Ihr segt woll, daß sie resolvirt haben, Eüch meine schreiben alß 2 undt 2 auff einmahl zu geben; mir gibt [man] nun [auch] Ewere schreiben auff einmahl. Sie behalten sie allezeit 3 tag lenger, alß sie thun solten; aber wo pfaffengeschmeiß sich in waß mischt, muß es allezeit überzwerg hergehen. Ich konte weil mitt recht die devise vom dollen hertzog Christian von Brauns[ch]weig führen: Gottes freündt, der pfaffen feindt. Ich habe noch einen thaller von dießer müntz, welchen ich gar woll verwahre alß e[i]n rar stück[1]. Es ist schon 3 wochen, daß man mich inständig gebetten, wider Nürnberger pflaster zu kommen laßen, so miracle hir thut; ich habe alß vergeßen, Eüch drumb zu bitten, hette gern ein halb dutzendt schachteln zu schicken[2]. Ich habe mich auch nach meiner kranckheit gar woll dabey befunden; es war mir nach meiner kranckheit ein geschwehr unter einem [096] schenckel komen, nahe, met verleff, bey einen hinterbacken, undt wie ich nicht gern den balbirer meinen hintern weiße (findt ihn nicht schon genung dazu, umb mitt zu par[ad]iren), also habe ich mich selber, ohne ein wordt zu sagen, mitt dem Nürnberger pflaster hübsch geheyllet, daß kein mensch nichts davon erfahren; daß hatt mich recht gefreüet. Drumb bitte ich Eüch, liebe Louise, schickt mir doch wider ein halb dutzendt schachteln! man bitt mich sehr drumb. Weillen ja von den Hattenbachen umbkommen solten, ist es mir lieb, daß der beste geblieben; daß ist gar rar, den ordinaire stirbt daß beste weg undt daß schlimbste bleibt. Ich habe lachen müßen, liebe Louise, daß Ihr sagt, daß madame de la Roche seine gutte freündin in allen ehren ist; daß muß man allezeit glauben, aber nie keine handt davor ins feüer stecken. Gestern habe ich wieder einen frischen brieff auß Englandt von unßerer lieben printzessin von Wallis bekommen [vom] 13/24 April; der brieff ist von 5 großen bogen auff 4 seytten geschrieben, also segt Ihr woll, liebe Louise, daß die printzessin noch nicht im kindtbett ist. Es fängt mir ahn angst bey der sach zu werden, ich finde, daß es zu lang werdt; verlange woll hertzlich, zu vernehmen, daß sie glücklich niederkommen ist. So baldt ich der printzessin niederkunfft erfahren werde, will ich es gleich mitt der ersten post berichten. Gott gebe, daß es nach wunsch abgehen möge! Wo nichts ist, da verliehrt Madame ihr recht so woll alß der keyßer; aber es wirdt widerkommen, den man setzt mich nun auff die posten[3]. Gott gebe, daß mir mein leben nichts zustoßen mag, so mich mehr betrübt, alß dießes! Es ist mir leydt wegen meiner leütte, aber vor mir selber frag ich nichts darnach, kan mich woll von viel sachen passiren. Mein Wendt jammert mich; mitt der letzten banqueroutten, so zu Hannover geschehen, verliehrt der arme teüffel, waß er sein gantzes leben zusamen geraspelt hatte, kompt auff 30000 thaller auß undt monsieur Harling verliehrt 60000; er lacht aber nur drüber, sagt, er hette noch mehr, alß er in seinem leben von nöhten hette, also dawert mich Wendt unerhört. Die printzes von Wallis sagt, daß die Sudsée sich gantz wider ersetzt hatt; wie oder wan aber, kan ich nicht sagen, aber der kauffman, so so viel drinen verlohren, wirdt vielleicht wider zu recht kommen, aber die arme [097] fraw, so gestorben, wirdt nichts davon wißen. Nun muß ich meine pausse machen undt mich ahnziehen. Dießen nachmittag werde ich dießen brieff auß[sc]hreiben.
Donnerstag, den 1 May, umb halb 2 nachmittags.
Ich komme jetzt eben von taffel, liebe Louise! Ich habe heütte beßern apetit gehabt, alß seyder ich hir bin; ich glaube, es kompt, weillen man mir seyder montag alle tag viel waßer hatt morgendts nüchtern drincken machen. Ich habe all mein leben daß sprichwort vom herrn von Wolmershaussen gehört, aber auff dieße art, so doch den selben verstandt hatt: Wen ein man seiner frawen die haut abziegt[4] undt hengt sie vor ein fenster, so wirdt er den andern morgen eine andere fraw in die hautt finden. Wolmershaussen war hübsch von figur, aber er hatte gar keine ahngenehme maniren undt war offt sterns-voll. Hir darff sich die Lunati nicht so frey stellen, alß sie zu Hannover gethan; man lest ihr hir nichts drauß gehen. Die freüllen Fräntzel von Fürstenberg ist die selbe, so sie allezeit geweßen. Ich glaube, sie werden nicht lang mehr hir bleiben, den der prince de Veaudemont[5] befindt sich nicht gar woll. Die Lunati ist nicht heßlich, hatt schönne zähn, so sie ahngenehm machen, wen sie lacht. Leütte, die ich nicht sonderlich kene, da divertire ich mich gar nicht mitt. Der gutte Altovitti[6] war nicht zu vergeßen; er war kein flatteur, sondern gar natürlich, aber ein frommer, ehrlicher man, ist schon vor etlichen jahren gestorben, hatt gar woll mitt seiner frawen gelebt undt viel chariteten gethan, aber ein rechter undt nicht falscher devot. Man hatt mir vor 3 tagen ein pressent [gemacht], einer von meinen leütten [schenkte mir] eine nachtigal, so über die maßen woll singt wie die im holtz; daß höre ich recht gern. Waß ich noch woll so gern höre alß die nachtigallen, das seindt die frösch; deren hore ich auch gantz chorus hir, die ich ahngenehmer findt, alß daß opera, wie die operaen nun sein. Ich habe noch nicht die blüdt hir sehen können, den daß wetter ist gar zu abscheulich seyder secks tagen. Die gemeint haben, daß das warme wetter nicht dawern undt es wider kalt werden würde, haben groß recht gehabt; der windt ist so kalt, daß man nicht ohne fewer dawern kan. Gott gebe, daß es baldt ein endt [098] mögte nehmen undt daß rechte May-wetter wieder kommen! Zu meiner zeit brachte man allezeit daß waßer von Heydelberg. Ich habe die lufft zu Manheim nie ungesundt dort gefunden, habe mein tag nicht die geringste ungemachlichkeit dort gehabt, zu Schwetzingen auch nicht; aber Manheim war mir lieber, oder, umb recht zu sagen, Friderichsburg, den daß war zu meiner zeit. Ich wolte, daß ich noch einmahl so froh in meinem leben sein konte, alß ich war, wen ich mich in dem mittelsten pavillon fandt. Aber last unß von waß anderst reden! Diese erinerung macht mich recht trawerig durch alles, waß ich seyder dem verlohren habe; es ist mir, alß wen ich gantz allein vom himmel gefallen were. Es war nicht der geringste fehler in Ewerem brieff; ich wünsche, daß nichts[7] mehr fehler in dießem sein mag[8]. Ich habe gar exact auff alles geantwort, also bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch, liebe Louise, zu versichern, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 95–98
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1224.html
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