Seitenbanner

Brief vom 8. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1226.


[105]
St Clou den 8 May 1721 (N. 89).
Hertzallerliebe Louise, vergangenen sontag bin ich mitt Ewerm lieben schreiben vom 22 April, no 33, erfrewet worden undt in dem augenblick habe ich noch ein ander große freüde gehabt; den es ist mir ein schreiben von der gräffin von der Bückenburg auß Englandt kommen, so mir die frollige bottschafft geben, daß unßere liebe printzes von Wallis, gott sey danck, den 26 April umb 7 abendts glücklich ins kindtbett von einem printzen kommen; ist 2 mahl 24 stunden gar kranck geweßen, den daß waßer zu frühe durchgebrochen ist; aber es hatt doch woll geendet, weillen mutter undt kindt sich woll befinden. Die trawerige avanture, so wir hir mitt der armen madame Börstel erfahren, hatte mich in großen angsten vor I. L. die printzes von Wallis gesetzt; kan also dem allmachtigen nicht genung dancken, daß es so woll abgelauffen ist. Gott wolle sie ferner vor alles böße undt unglück bewahren undt gesundt undt [106] glücklich auß dem kindtbett helffen! Ich komme nun auff Ewer liebes schreiben. Sie habens in den posten gantz resolvirt, Eüch immer zwey von meinen schreiben auff einmahl zu geben, undt da ist kein mittel zu; man muß nur zufrieden sein, wen keine brieffe verlohren werden. Der gräffin von der Buckeburg schreiben hatt man mir auch 2 tag länger auffgehalten. Aber daß seindt gentillessen von den kleinen ministern. Ich wolte, daß Eüch die englische post manquirt hette undt ich die erste sein mögte, so Eüch die gutte zeittung geben könte; den ich bin gewiß, daß es Eüch, liebe Louise, von hertzen erfreüen wirdt. Es ist heütte kermeß hir, la petitte St Clou; so schicke ich Eüch hirmitt eine kleine[1] ringelgen zur kirbe. Eine dorff-kirbe kan nichts magnifiques sein; dießes ringelgen meritten ist nur, daß es woll eingefast ist undt die demandtger gar gleich sein. Habe die gutte gewohnheit nicht verliehren wollen, Eüch die St Clouer kirbe zu schicken. Mein apetit, liebe Louise, ist zimblich schlapies, ich habe weder großen hunger, noch desgoust. Könte ich teütsche eßen bekommen, alß sawer-kraut, gutte rüben mitt hammel-fleisch, gutte pfanen-kuchen undt dergleichen, wie ich gewohnt bin, zu Heydelberg undt zu Hannover zu eßen, deücht mir, daß mir daß eßen beßer schmecken solte, alß wie man hir zuricht. Ahns frantzoßche eßen habe ich mich in 50 jahren nicht gewohnen können[2]; keine aparentz, [daß ich mich noch daran gewöhnen werde], da ich baldt außgeßen werde haben, den gestern über 14 tag, nein, es wirdt gestern über 3 wochen sein, so werde ich in mein 70 jahr tretten; daß ist keine vexir[er]ey nicht. Die lufft hir bekompt mir augenschein[lich] woll, gibt mir wider stärcke, habe gestern zu Madrit ein stundtgen zu fuß spatziren [können], welches mir seyder 6 mont nicht geschehen war, befinde mich woll davon. Heütte morgen von halb 5 biß 7 haben wir daß schonste wetter von der welt gehabt, aber nun, da es 3/4 auff 8ten ist, ist der himmehl schon gantz wider mitt schwartzen dicken wolcken überzogen. Es mögte woll wider schloßen, wie es seytter 8 tagen alle tag thut; die win-gart[3] sollen schon noht deßwegen gelitten haben. Ich halte es vor kein unglück, daß printzes Anne den könig in Denemarck nicht bekompt. Dießer könig könte sagen, wie le [107] chevallier a la mode[4]: Celle qui ne m’aura pas, ne sera pas la plus malheureusse. Erstlich so ist er klein, nicht woll geschaffen undt sehr heßlich von gesicht, alber, abgeschmackt undt widerlich in allen seinen maniren[5]. Sein envoy[é], monsieur Warnick, versichert sehr, daß er seine fürstin von Schleßwig nie zur königin wirdt machen; aber man sicht woll ahn allen ortten, wie dieße bestien ihre herrn regieren, daß sie alles thun, waß sie wollen, undt es ist schwer zu glauben, das sie keine königin sein will. Waß ich ahn dießem könig noch abscheülich finde, ist seine falschheit, daß er sich ahnstelt, alß wen er vor betrübtnuß ohnmächtig würdt, wie seine königin starb, undt den 3 tag hernach thut er den wüsten heüraht[6]; daß finde ich abscheülich. Gott gebe, daß der cronprintz fein[e]r undt verständiger sein mag, alß der herr vatter, damitt unßere printzes Anne nicht unglücklicher werden mag, alß königinen ordinarien undt wie man in dem opera von Thessee[7] singt:
Ce n’est point dans le rang suprême
Qu’on trouve les plus doux ap[p]as.
Et souvant[8] un bonheur extrême
Est plus sûr dans un rang plus bas.
Solte der könig in Denemarck sein wordt halten undt die metres nicht zur königin machen? Deß königs fraw schwester hatt eine schönne undt heroique that gethan, sich von hoff zu begeben undt einen solchen resolutten brieff ahn den könig, ihren herrn bruder, [zu schreiben]. Souttenirt sie es, wie sie es ahngefangen, wirdt sie bey der gantzen welt lob erwerben. Man hatt mir gesagt, daß dießer könig so gar übel mitt sein[e]r fraw mutter solle gelebt haben, daß es viel ursach ahn ihrem todt geweßen. Wen daß ist, [108] wirdt dießer könig sein leben kein glück nicht haben. Man sicht schon woll, wie ihn gott verläst. Die Maintenon pflegte alß zu sagen: Despuis quelques année[s] il regne un esprit de vertige qui ce[9] respand par tout, undt hirin hatte sie groß recht. Man hört undt sicht nichts mehr, alß trawerige undt betrübte leütte, undt hort nichts mehr ahn allen ortten, alß unglück. Daß erhelt daß leben nicht lustig undt macht den todt leichter. Auch alle die, so ein[e] zeit lang her sterben, gehen mitt großer fermeté auß dießer welt, mäner undt weiber. Die historie von dem prophetten von Genoua, so Ihr mir, liebe Louise, geschickt undt wovor ich Eüch dancke … aber ich habe es schon vor 5 mont geleßen, ehe ich von St Clou weg bin. Es seindt pfäffische inventionen, den peüpel zu touchiren; aber der peüpel ist nicht mehr so einfältig, alß er geweßen. Die leütte, so ahn die cabale glauben undt die geister beschwehr[e]n wollen undt piere philosophale[10] pretendiren gefunden zu haben undt rose-croix[11] geworden sein, die pretendiren, so viel hundert jahr zu leben können, alß sie wollen, aber auß devotion undt begirde, gott zu schauen, bringen sie es nie über taußendt jahr. Dieße moderation hatt mich offt zu lachen gemacht, wen mans mir verzehlt hatt. Daß kalte wetter haben wir hir auch; seytter dem neümondt haben wir überall fewer machen müßen. Man muß der printzes von Wallis [nicht] verzehlt haben, daß ihr herr bruder den[12] schlag gerührt; sie hette es mir geschrieben. Wen der schlag einmahl gerührt, der bringt es ordinarie nicht weit. Es were mir leydt, wen unßere liebe printzessin von Wallis dieße betrübtnuß haben solte; den I. L. haben dern herrn bruder sehr lieb. Der margraff von Bareydt[13] undt seine gemahlin sollen ein doll par sein; l’esprit de vertige regirt woll ahn dießem hoff auch mitt ihrer einsiedeley. Es ist leicht zu glauben, daß es in der margraffschafft ellendt zugehen muß, wo der herr sich deß landts nicht ahnnimbt undt weder recht, noch gerechtigkeit geübt wirdt. Seindt sie in der that gotsfürchtig dabey, kan man sagen, daß sie narren in folio sein undt nicht wißen, waß sie thun. Man hette woll unrecht, wen man sich über solche sachen bekümern wolte; hirin hat Lenor recht. Ich glaube, ich habe Eüch schon bericht, liebe Louise, wie [109] daß monsieur le Fevre wider hir ist. Der todt ist hir erschrecklich über die geweßene minister; der arme monsieur de Chamillier[14] hatt den ahnfang gemacht; vor 6 tagen ist monsieur des Mares[15] gefolgt undt der arme garde des s[c]eaux, monsieur d’Argenson, ligt auff den letzten zügen; der comte de Roucy, de[s] verstorbenen comte de Roye sein sohn, ist auch tödtlich kranck; also, wie ich schon gesagt, man hört undt sicht nichts, alß betrübte undt trawerige sachen. Daß macht einem daß hertz auch gantz schwer, insonderheit mitt dem heßlichen wetter. Aber hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet undt, wie ich nichts neües weiß undt es auch jetzt zeit ist, mich ahnzuthun, adieu, hertzliebe Louise! Seindt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
P. S.
Donnerstag, den 8 May, umb 5 abendts.
Ich bin spatziren gangen nach dem eßen; es war schön wetter heütte. Wie ich w[i]eder kam, fandt ich Ewere schachtel mitt den schönnen agatten. Ich habe mein tag keinen schönnere[n] agathe gesehen, alß daß schächtelgen, so Ihr mir geschickt, so[16] Eüch vor alles großen mächtigen danck. Die haspel ist gebrochen, ich werde sie aber wider zu recht machen laßen. Daß rädtgen undt die haspel seindt artig, aber dem schächtelgen nicht zu vergleichen; habe mein leben keine schönnere agathe gesehen, alle, die es sehen, admiriren es. Heütte werde ich nicht auff Ewer liebes schreiben andtwortten, werde es vor übermorgen ersparen undt Eüch alßden sagen, waß ich von Ewerm traum gedencke. Da stehet monsieur le Fevre undt entretenirt mich. Man kan nicht mehr verstandt haben, alß monsieur le Fevre hatt; ich höre ihn recht gern sprechen. Da kompt madame la princesse, nein, es ist madame la duchesse.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 105–109
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1226.html
Änderungsstand:
Tintenfass