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Brief vom 22. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1229.


[121]
St Clou den donn[e]rstag, 22 May 1721 (N. 93).
Hertzallerliebe Louise, man fengt nun hir auch ahn, Ewere liebe schreiben zwey undt zwey auff ein mahl zu geben. Den vergangenen [122] sontag habe ich Ewere 2 liebe brieff vom 3 undt 6 dießes monts, no 36 undt 37, zu recht entpfangen, aber weyllen daß nicht zu endern stehet, ist weytter nichts drauff zu sagen. Ich fange meine andtwort bey dem ersten ahn. Wir müßen unß gefaßt halten, liebe Louise, daß es immer so geben wirdt, daß eine post gantz fehlen wirdt, die andere aber zwey paquetten auff ein mahl bringen wirdt. Der grünen safft were noch woll hingangen, wen nur die aderlaß unterlaßen were worden; den die hatt mich in einer solchen abscheülichen mattigkeit gebracht, daß ich heütte noch, da es schon der 6te tag ist, daß ich ader gelaßen, matter bin, alß den ersten tag war. Ich sehe darauß, daß ich gar keinen frantzöschen leib hab, so wenig alß den humor. Ob ich zwar weiß undt festiglich glaube, daß meine stundten gezehlt sein, so weiß [ich] doch auch woll, daß man gott nie versuchen muß undt schultig ist, vor seine conservation zu thun, waß man davor nöhtig helt; glaube auch, daß unßer herrgott denen [menschen] nur auß gnaden zu erkenen gibt, daß ihre stunden gezehlt sein, umb unß desto mehr in seinen h. willen zu ergeben, waß er unß auch schicken mag, unß nicht auff kunst noch menschen-verstandt so zu verlaßen, daß wir unß gantz drauff vertrawen, sondern wen wir unßer schuldigkeit abgelegt undt vor unßere gesundtheit gethan, waß ahm raisonablesten ist, daß wir hernach mitt gedult erwartten mögen, waß der allmachtige mitt unß vor hatt. So ist meine meinung auff dießes capittel, liebe Louise! Ihr werdtet auß meine letzte schreiben ersehen haben, daß ich abermahl recht von hertzen betrübt bin; den ich gar eine gutte freündin verlohren, die mich biß ahn ihr endt recht lieb gehabt. Dieße nacht ist es just 8 tag worden, daß sie gestorben, nehmblich die gutte marquise d’Alluy[e]; sie hatte Lenor auch lieb, sie hießen sich beyde la chieneresse. Es war eine gutte lustige fraw, sie liegt mir immer im sin undt ist mir recht leydt, sie verlohren zu haben. Vorgestern hab ich den armen Börstel [gesehen]; der ist woll hertzlich betrübt noch über den verlust von sein[e]r armen frawen, welches etwaß rares hir in Franckreich ist, wo man gar wenig gutte ehen sicht. Er hatt aber woll groß recht, sie zu lieben, den sie hatte eine große passion vor ihm. Ich habe sie offt mitt vexirt; den wen sie a lombre oder cadrille spilte undt ihr man in die cammer kam, wurde sie fewer-rodt undt gantz troublirt, wuste nicht mehr, waß sie that oder sagte; die arme fraw hatt mich offt mitt lachen [123] machen. Unßer gutter printz vom Philipsthal endert abscheülich hir, wirdt mager, hatt keine gesundte farben mehr undt ist, wie alle frembten, kranck ahn einem starcken durchlauff, wirdt auch gantz trawerig. Ich glaube, es wirdt ihm mit der zeit gereüen, meinen trewen raht nicht gefolgt zu haben. Mich deücht, in welcher religion man auch sein [mag], solle man sich doch allezeit hütten, scandal zu geben; hirauß habe ich judicirt, daß noch ein wenig estourderie bey dießem gutten printzen stecken muß, ob die jahren, raisonabel zu sein, zwar schon vorhanden. Hette er mir nur ein wordt gefragt, hette ich ihm dieß alles verhütten können undt er hette doch die kindttauff gesehen, die er durch seinen ridicullen ahnstalt nicht gesehen hatt[1]. Aber es ist seine schult; will er meinen raht nicht haben, mag er es laßen, ich werde mich nicht drüber quellen, er wirdt aber sehen, ob es ihm beßer zuschlagen wirdt. Mich deücht, daß die Reformirten unrecht haben würden, eine sottisse zu loben; den es war eine, sich ins königs meß zu finden. Ich dancke Eüch, liebe Louise, mir die liste geschickt zu haben von den personnen von hoher qualitet, so zu Franckfort in der meß sein. 13 spiel-tisch in 3 kammern würde man hir ein magnifiq apartement heißen. Daß ist doch nicht gar gemächlich, so viel leütte im hauß zu [haben]; den daß macht doch über 50 personnen, ohne die bedinten zu rechnen. Ich glaube aber, daß es Eweren leütten im hauß nicht wirdt mißfahlen haben, den daß gibt braff cartten-gelt. Aber vor Eüch war die sach gar nicht gemächlich; wen man zu leütten geht, kan man nach hauß, wen man [will]; wen man die leütte aber im hauß hatt, muß man woll bey ihnen bleiben undt daß ist verdrießlich, den man ist, wie man hir sagt, kein corps glorieux. Die nohturfft kompt undt macht leyden, undt sich verhalten ist sehr ungesundt; finde also, [daß Ihr] gar woll gethan habt. Der graff von Waldeck muß sehr inconsideré[2] sein, zu Eüch zu kommen, ohne Eüch vorher zu pretendiren[3] laßen, ob Ihr ihn sehen wolt. Ist unß[er] printz von Sultzbach noch schön, so könt Ihr ahn ihm die schönheit von mademoiselle de Clermont sehen; den wen er ihr leiblicher bruder were, könte er ihr nicht mehr gleichen, alß er thut. Hiemitt ist Ewer erstes liebes schreiben [vom] 3ten, [124] no 36, vollig beantwordtet; ich komme jetzt auff daß vorn 6ten, no 37. Die gutte zeittung von unßer printzes von Wallis glückliche[r] niederkunfft habe ich Eüch schon vor 8 tagen geschrieben. Gestern habe ich einen brieff von der Buckeburg bekommen; die kintauff ist dieß mahl, gott lob, woll abgangen; der könig undt die konigin von Preüssen, printz Emst August [sind gevattern] undt der printz von Wallis hatt sein kindt in nahmen des königs in Preüssen gehalten, die duchesse Dorset ahnstatt der königen undt mylord Grantham ahnstatt deß bischoffs von Osnabrück[4]. Der printz ist Wilhelm August genent worden. Gott gebe, daß dießer printz graff Degenfelts alter erreichen mag! Die printzes ist mehr, alß 40 stunden, in kindtsnöhten geweßen, 2 mahl 24 stundt; es hatt gar hart gehalten. Gott seye danck, daß es so woll abgangen! Alle umbstenden, wie der könig in Englandt die gutte zeittung erfahren, hatt man mir auch bericht. Unßere printzes von Wallis hatt allezeit ein so trewes undt aufrichtiges verdrauen zu unßerm herrgott, daß woll zu hoffen ist, daß sie gott der barmhertzige undt allmachtige sie nie verlaßen wirdt. Ich fürchte aber, daß I. L. baldt eine betrübtnuß haben werde; den printzes Caroline hatt ein gar starck fieber, man förcht, daß sie die kinderblattern bekommen wirdt. Gott gebe nur, daß sie nicht dran sterben mag! Aber da schlegt es halb 11, ich muß meine pausse machen; nach dem eßen werde ich dießen brieff gantz außschreiben.
Donnerstag, den 22 May, umb ein viertel auff 2.
Da kommen wir von taffel. Freüllen Fräntzel von Fürstenberg ist dießen morgen herkommen undt hatt mitt unß geßen. Sie undt monsieur de Veaudemont[5] werden biß montag wieder nach Lotteringen. Der printz de Veaudemont, fürcht ich, wirdt nicht lebendig in Lotteringen ahnkommen, ist gar zu ellendt, hatt überall abscheüliche schmertzen, mögte woll seiner schwester baldt folgen. Ihr habt, liebe Louise, groß recht, die nachtlufft undt daß spätte schlaffen-gehen ist wahrlich gar ungesundt, wen man über die 50 jahren ist. Printz Max von Cassel ist gar nicht von meiner kundtschafft; aber wie ich sehe, so multiplicirt sich daß hauß Heßen sehr; aber mich deücht, es were beßer, wen sich die cadetten nicht [125] geheüraht hetten, den daß macht nur gar arme fürsten, wie wir ahn unßeren printzen von Philipsthal sehen. Ihr sagt nicht, ob printz Max gemahlin schon ist. Ich glaube nicht, daß das Acher[6] badt gutt vor wunden ist. Es wundert mich nicht, daß er Eüch nicht gekandt hatt; in 8 jahren endert man sehr; er thut doch woll, polie zu sprechen.
Donerstag, den 22 May, umb ein viertel auff 7 abendts.
Wie ich nach dem eßen diß letzte wordt von sprechen außgeschrieben, sahe ich meine kutschen kommen, muste also kurtz abbrechen; den ich bin, weillen es heüte himmelsfahrt-tag ist, ins dorff in die vesper undt complie. Man muß gestehen, der nonen gesäng ist ein wüst geplär durch die naß; es seindt Urselinen. Umb 4 bin ich spatziren gefahren biß umb 3/4 auff 6, es war gar schön wetter. Mein enckel, der duc de Chartre[s], ist drunten im gartten zu mir kommen, ich habe ihn wieder herauff geführt; hernach ist mein abbé de St Albin auch kommen, daß hatt mich biß auff dieße stundt auffgehalten. Nun komme ich aber wider auff Ewer liebes schreiben, wo ich geblieben war, nehmblich ahn Ewere liebe kinder in Englandt. Ich gestehe, daß ich gantz keine lust auff der see finden kan; vor daß versauffen, da denck ich nicht ahn, aber in einen kasten eingespert zu sein bey vielle krancken, so nichts thun, alß klagen undt kotzen[7], nichts, alß lufft undt waßer, zu sehen, daß ist mir gantz unleydtlich, ohne zu rechnen, daß man selber kotzen muß, welches mir abscheülich vorkompt. Ich thue nichts ungerners, alß mich übergeben, fürchte also alles, waß ich hir sage, mehr, alß daß verdrincken. Ich finde das meer langweylig, verdrießlich undt unleydtlich, also müste man mir woll hoch verobligirt sein, wen ich jemandts über die see besuchen solte. Ich wünsche, daß Ewer kinder Eüch viel freüde undt vergnügen geben mögen; allein, hertzliebe Louise, ich zittere, wen ich gedencke, wie offt ich gesehen undt erlebt, daß, waß man ahm meisten gewünscht undt gedacht, daß es lautter freüden undt vergnügen geben [werde], alles in trawrigkeit undt unwillen gethrehet ist, wovor Eüch gott gnädig bewahren möge! Mein willen war geweßen, Ewer liebes schreiben dießen abendt gantz außzuschreiben; aber [126] ich dencke, daß, weillen Ihr nach Geißenheim gehet, mögte ich woll lang sein, ohne schreiben von Eüch zu bekommen; also will ich noch ein par bogen vor zukünftigen samstag versparen, den ich muß jetzt schlaffen gehen undt morgen frühe auffstehen; den ich habe in Lotteringen allein 6 brieff zu schreiben undt 3 in Engellandt, muß also nach bett; wünsche Eüch eine glückliche undt gesundte undt vergnügte reiß undt daß Ihr nicht so matt sein möget, alß ich bin. In welchem standt ich aber auch sein mag, so seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 121–126
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1229.html
Änderungsstand:
Tintenfass