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Brief vom 24. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1230.


[126]
St Clou den sambstag, 24 May 1721 (N. 94).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts bin ich gantz unverhoffter weiß mitt Ewer liebes schreiben vom 10, no 38, erfreüet worden mitt den 2 schachteln von dem nürenbergischen pflaster, wovor ich Eüch sehr dancke. Dieß pflaster wirdt sehr a la mode hir; Ihr kont nicht glauben, wie man mich drumb plagt undt bitt hir. Wie Ihr segt, liebe Louise, hort man nun auff, die brieffe 2 undt 2 auff einmahl zu geben; ich wolte, daß sie es Eüch auch so machen wolten. Ich glaube, es muß ein recht schelmstück dahinder stecken, daß man Eüch mehr, alß ordinarie, will bezahlen machen. Ihr soltet Eüch bey denen, so die post gouverniren, erkundigen, ob es nicht ein schelmstück von den postmeistern ist; den wer es, wie ich es glaube, ein schelmstück, meritirt es eine exemplarische straff. Ich fürchte aber, wo man so fort fahrt, daß meine brieffe Eüch ruiniren werden; mogte also gern ein mittel drin finden. Ich finde Ewere brieffe gar nicht abgeschmackt, sondern raisonabel undt woll geschrieben; ich leße sie allezeit gar gern. Ich kan leicht begreiffen, wie Eüch Ewere leütte mitt fragen plagen wegen Ewere reiße; den wen ich nur nach Paris gehe, weiß ich, wie man mirs macht. Wen Ihr gelegenheit findt, dem erbprintzen von Darmstatt undt meinem vettern, landtgraff Max, zu wißen zu thun, daß ich ihnen beyden sehr veroblig[i]rt vor dero andencken bin, bitte ich Eüch, liebe Louise, nicht dran zu manquiren undt ihnen schön complimenten von meinetwegen zu machen. Die landtgraffen von Cassel [127] werden nicht so baldt enden, wen ein jeder so kinder daher setzt; aber ich fürchte, es wirdt schmahle bißen geben. Der bal, den man bey dem graffen von Hannau gehalten, war nicht zum besten. Daß war etwaß rares, daß Ewer graffin von Wittgenstein nicht bey dem bal hatt bleiben wollen; wen sie daß dantzen nicht liebt, wirdt sie ihr leben nicht woll dantzen. Daß sie die frantzösche dentze nicht liebt, nimbt mich gar kein wunder; aber die contredance undt einen teütschen dantz konte doch woll jungen leütten gefahlen. Ich, die daß frantzösche dantzen, insonderheit le menuet, vor den todt haße, habe doch gern teütsch gedantzt undt die contredance, wie ich noch jung war. Die junge gräffin von Wittgenstein muß daß dantzen gar nicht [lieben], weillen sie nicht einmahl hatt dantzen sehen wollen. Ich kan leicht glauben, daß Ihr Eüch dießes unglücks leicht getröst habt. Schreibt mir, liebe Louise, waß alle daß Nurenberger pflaster Eüch kost! will Eüch mitt danck bezahlen, werde woll hir einen banqui[e]r finden, so es auff sich nehmen wirdt. Schickt mir also, daß es auff ein dutzendt schachteln außgeht! Wie ich mein geschwer geheyllet, habe ich daß pflaster gar dün schmiren laßen undt so lang gebraucht, biß es gantz verschlißen war; habe mich gar woll dabey befunden. In gantz Paris, ja gantz Franckreich, würdet Ihr, liebe Louise, kein froschleich-pflaster finden. In den apotecken hir ist nichts zu finden, alß clistir, hemetique-medecinen[1], quinquina, opium, sonst nichts; von pflaster undt allerhandt waßer wißen sie kein wordt. Zukünfftigen mitwog wirdt mein geburdtstag sein; den der jetzige 28 May macht nun den 17 alten stiehl just, seyder der calender geendert ist. Es ist heütte gar kein frühlingswetter, es geht ein so kalter nortwindt wie im November. Ich dancke Eüch von hertzen vor alle gutte wünsche, so Ihr mir thut, liebe Louise, zu meinem geburdts[tag]. Es ist nicht zu fürchten, das ich mein leben endern werde; es geht mir, wie daß frantzösche sprichwordt sagt: Je suis comme le cam[e]lot, mon plis[2] est pris. Hiemitt ist Ewer letztes liebes schreiben vollig beantwortet. Dießen abendt, nachdem ich von Madrit werde kommen sein undt auß dem abendt-gebett, werde ich dießen brieff außschre[i]ben; ich habe noch zwey bogen von Ewerem vorigen schreiben [128] vom 6ten, no 37, zu andtworten.
Sambstag umb 3/4 auff 2 nachmittags.
Es ist schon eine gutte stundt, daß wir von taffel bin[3], liebe Louise! Aber weillen ich ein schreiben von unßerer königin von Sardaignen bekommen von 19 seytten, so ich geleßen, daß hatt mich biß [jetzt] ahn wider schreiben auffgehalten; nun aber will ich doch noch schreiben, biß meine kutzschen werden gekommen sein. Da bringt man mir ein hauffen brieff, die muß ich leßen, undt da kommen auch meine kutschen; wen ich werde kommen sein, werde ich außschreiben. Daß wetter ist arger, alß nie. Wen ich wieder werde kommen sein, wollen wir von dem graffen von Wiedt[4] undt von seiner fürstin von Nassaw sprechen.
Sambstag, den 24ten, umb halb 7 abendts.
Es continuirt noch daß abscheülichste wetter von der welt, bitter kalt, regen undt ein gar starker windt; habe im Madrit im hauß bleiben müßen undt nicht außgehen können. Nun komme[n] wir auß dem abendt-gebett. Ich habe mich doch ein wenig amussirt, den ich habe eine neüe medaille placirt in meine medaille-kist, ein Neron. Seyder 10 jahr, daß ich die medaillen samble, habe ich nun 957; wo mir gott daß leben noch ein par jahr lest, hoffe ich, es über taußendt zu bringen undt mein sohn nach deß königs medaillé eines von den schönsten undt raresten nach mir [zu] laßen, so in Europa ist, den alle meine medaillen seindt nicht verschlißen, sondern gar woll conservirt. Aber es ist auch zeit, daß ich wider auff Ewer liebes schreiben komme, liebe Louise! Ich war ahn dem heüraht geblieben; die ursach, warumb die fürstin von Hattmar[5] ihren heüraht verhehlt, ist nohtig, aber nicht gerecht undt ich glaube nicht, das er mitt gutten gewißen ein gutt behalten kan, so man woll weiß, daß man nicht mitt recht hatt; ich wolte nicht ahn ihrem platz sein. Seyder madame Dangeau mitt der kutsch umbgeworffen worden, habe ich sie im Carmelitten-closter gesehen undt gesprochen. Es hatt ihr nichts geschadt, sie ist, gott lob, frisch undt gesundt; daß könt ihr der fürstin von Ussingen versichern, liebe Louise! Madame de Dangeau hatt ihren brieff ahn [129] ihre fraw schwester auff die post geschickt; ich weiß nicht, ob sie es bekommen hatt. Die allezeit zu Franckfort sein, wahren nicht in die liste [zu] setzen, sondern[6] hettet Ihr Eüch auch selbsten müßen hinein setzen. Helt man jetzt die fürstin von Taxis wie eine reichs-fürstin? Daß choquirt mich, ich muß es gestehen; die gantze welt ist verkehrt. Die fürstin von Nassau-Siegen hatt sich zu Paris verdorben undt dortten ein leben führen lehrnen, so schwer abzugewehnen ist, den es gantz a la mode. Sie hatt woll ursach, sich vor dem todt zu fürchten. Daß erinert ahn die Grancey[7]; wie man deren ahnkündet, daß sie nahe bey ihrem endt were, ließ sie einen abscheülichen schrey undt rieff überlautt: A[h]! bon Dieu, faut-il que je meure sans avoir jamais songes a Dieu ny a mon salut? Man kan daß nicht ohne schaudern [denken]. Ich habe jetzt weder großen hunger, noch desgoust, aber ich bin sehr matt noch von meiner aderläß. Ich dancke Eüch von hertzen vor alle Ewere gutte wünsche. Da schlegt es 9 undt monsieur Teray treibt mich zu bett, kan also in eyll nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch eine glückliche reiße nach Geißenheim wünsche undt Eüch, hertzallerliebe Louise, von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 126–129
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1230.html
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