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Brief vom 6. Juni 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1234.


[140]

A madame Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckforth.

St Clou den 6 Juni 1721 umb 6 uhr morgendts (N. …).
Hertzallerliebe Louise, ich habe Eüch nur ein stündtgen zu entreteniren, den umb halb 9 werde ich nach Paris geraht au Port-Royal, unßere junge printzes de Conti zu besuchen, deren ich versprochen, alle reißger, so ich von hir nach Paris thun werde, I. L. eine vissitte zu geben. Von dar werde in der nachbarschafft ins Val-de-grace, unßere abtißin zu besuchen, so kranck geworden undt vergangen donnerstag ein starck erbrechen gehabt hatt; von dar werde ich zur infantin, zum könig; von dar ins Palais-Royal, wo ich zu mittag eßen werde; nachmittags werde ich aux Carmelitten; von dar wider au Palais, wo unßere gutte hertzogin von Hannover kommen [141] wirdt, mitt welcher ich in die ittalliensche commedie werde undt von dar wider hirher, ein par mundt voll eßen undt hernach zu bett. Da wist Ihr nun, liebe Louise, waß ich diesen gantzen tag thun werde. Komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 28 May, no 39. Dießer tag ist mir nur gar zu bekandt, weillen er mir ja leyder meine 70 jahr ahngekündet hatt, welches gar nichts ahngenehmes ist. Aber waß will man thun? Man muß woll den ordre folgen, so gott der allmächtige in die natur gesetzt hatt, zu leben undt zu sterben. Wie ich keine eintzige post verfehle, ahn Eüch, liebe Louise, zu schreiben, so müst Ihr gar gewiß den tag, so Ihr erwahrt[1], von meinen brieffen entpfangen haben. Ich habe Eüch schon bericht, wie daß ich vergangen donnerstag Eüere zwey liebe schreiben von 23 undt 28 May, no 38 undt 39, entpfangen habe. Ich kan mich, liebe Louise, noch nicht berühmen, daß meine gesundtheit wider gantz erstelt ist; in meinem alter gehen die sachen nicht so geschwindt her undt ich bin gar starck ahngegriffen worden. Ich glaube, daß monsieur Teray Ewerer meinung ist, den er thut mir keine proposition von remedien. Hir haben sie alle die naredey mitt ihren remede de precaution undt daß geht bey mir gar nicht ahn, hatt mir jederzeit mehr geschadt, alß nutz gebracht. Ihr werdet sagen, warumb ich es den thue. Nehmblich umb ruhe zu haben undt [nicht] geplagt zu werden; habe ohne daß plagen genung. Ach, liebe Louise, alles ist regullirt; wir sterben kein augenblick eher, alß unßere stundt beschieden ist; daß glaube ich woll festiglich undt nichts in der welt kan mich davon desabussiren; aber waß gegen seine gesundtheit zu thun, daß were gott versucht undt also eine große sündt. Ahm gutten temperament fehlt mirs nicht; daß erweist sich woll, weillen ich schon so alt worden bin. Aber da schlegt es 7 uhr, ich muß gedencken, mich ahnzuziehen, welches mitt kämmen undt waschen woll auff anderthalb stundt außgeht. Ich gestehen[2], daß ich mein leben mich nicht hette resolviren konnen, meine kinder in frischer gesundtheit inocculliren zu laßen; aber die printzes von Wallis hatt mehr verstandt, alß ich; alles hatt, gott lob, woll reussirt. Daß man nach dem inocculliren die blattern nicht mehr bekompt, soll gar gewiß sein. Ich weiß woll, welch eine qual ist, die kinder-blattern zu haben; den 17 tag [142] were ich schir noch dran gestorben. Printz Friderich hatt man es auch propossirt; were ich ahn seinem platz, thethe ich es nicht. Aber da kommen meine leütte, ein ander mahl ein mehrers. Muß doch noch sagen, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Juni 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 140–142
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1234.html
Änderungsstand:
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