Seitenbanner

Brief vom 3. Juli 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1242.


[167]
St Clou den 3 Julli 1721 (N. 5).
Hertzallerliebe Louise, ah, mein gott, wie habe ich heütte schon eine mühseelige arbeit gethan! nehmblich 2 brieff, so ich geschrieben, einen ahn die fraw witib, die landtgräffin von Philipsthal, von welcher monsieur Martine mir gestern ein schreiben von I. L. gebracht. Man kan in der welt nicht beßer Frantzösch schreiben, alß sie thut; hatt mich recht v[e]rwundert, den ich weiß viel frantzösche damen, so nicht so woll schreiben, alß sie; sie schreibt beßer, alß ich, ob es gleich schon 50 jahr dießen winter sein wirdt, daß ich [168] in Franckreich bin. Ich hab auch ahn meinen vettern, den h. landtgraffen von Cassel geschrieben, habe beydes mitt eygener handt abcopiren müßen. Wolte Eüch lieber 30 seytten schreiben, liebe Louisse, alß einen [brief] abcopiren, thue es bitter ungern; aber erstlich so habe ich niemandts, so Teütsch schreiben kan, undt zum andern so müßen auch die brieffe alle von meiner handt sein. Aber da sagt man mir, daß es halb 11 geschlagen, muß mich ahnkleyden. Dießen nachmittag werde ich auff Ewer liebes schreiben vom 21, no 48, antworten.
Donnerstag umb halb 2 nachmittag.
Ich habe mich ein halb stundt nach dem eßen außgeruhet, umb nicht zu geschwindt nach dem eßen zu schreiben undt meine digestion woll zu verichten; mögte auch woll wie ordinarie ein schläffgen thun, den ich fühle schon, daß mir daß sandtmängen in den augen kompt[1]. Ich habe mein schlaffgen vericht, hatt nur ein klein stündtgen gewehrt, komme jetzt auff Ewer liebes schreiben. Daß ist zu grob, daß man Eüch 4 von meinen schreiben auff einmahl gibt; doch ist es noch beßer, daß man sie Eüch gibt, alß wen sie gar verlohren gingen. Ihr segt doch, liebe Louise, daß es meine schuldt nicht ist, daß Ihr so lang ohne meine schreiben geweßen undt ich mein wordt gehalten undt alle posten geschrieben habe, woran ich auch mein leben nicht fehlen werde. Ihr soltet in keinen sorgen gewest sein; den wen ich nicht hette schreiben können, hette ich Lenor gebetten, vor mich zu schreiben. Daß einem[2] die post offt ungedultig macht, daß ist deß Torcy spaß in aller devotion. Waß thut die pest von Arle[s], Marseillen undt Toullon ahn die Parisser post? Die seindt ja weitt von einander undt haben keine gemeinschafft zusamen. Man ist gar exact, sich vor der pest zu hütten; zu Lion hatt man erfahren, daß 2 kauffleütte vertachtige wahren haben kommen laßen; alle die wahren hatt man verbrendt. Ein kauffman hatt davon lauffen wollen, den hatt man erschoßen; der aber ertapt worden, hatt man gerädert. Also segt Ihr woll, liebe Louise, daß man gar exact ist undt keine böße lufft herkommen [läßt]. Mein sohn hatt einen docktor, der monsieur Chirac heist. Der macht [169] einem alle gedult verliehren; er souttenirt, daß die ahnsteckende kranckheitten sich nicht communiciren undt sicht doch daß exempel vor seinen augen von Marseillen undt Thoullon[3]. Wen mein sohn mir glauben wolte, so würde er monsieur Chirac in die pest schicken, umb zu sehen, ob sie nicht ahnsteckt. Ich gehe jetzt ein wenig beßer, alß ich gangen bin, aber ich habe noch nacht undt tag schmertzen in den knien. Da kompt mein sohn, der wirdt dieße nacht wider nach Paris, muß ihn ein wenig entreteniren.
Donnerstag, den 3 Julli, umb halb 9 abendts.
Seyder ich auffgehort, zu schreiben, seindt viel sachen vorgangen. Wie mein sohn von mir gangen umb halb 5, bin ich spatziren gefahren, habe madame la chancelliere, so mitt mir zu mittag gehabt, spatziren geführt, bin oben im gartten abgestigen umb 6 uhr, umb durch die orangerie wieder herre[i]n zu kommen, welche de plain pied von meiner cammer ist. Wie ich aber oben außgestiegen, habe ich den duc de Chausne[4] mitt seinen 2 sohnen, einen vettern, einen notarius [gefunden], umb mich den heüraht von dem jungen vettern zu unterschreiben machen. Ich glaube nicht, daß man sein leben einen heüraht unterschrieben hatt, wie ich dießen unterschrieben habe, nehmblich auff einer cais[s]e d’orange. Wie ich herein kam, war es halb 7, da bin ich betten gangen. Umb 7 bin ich wider kommen undt habe gemeint, ich würde Eüch noch ein stündtgen vor dem eßen entreteniren; aber wie ich mich eben wider hieher gesetzt, umb fort zu schreiben, hab ich eben madame la duchesse mitt mademoiselle de Clermont kommen sehen, welche biß 8 hir geblieben ist. Hernach habe ich zu nacht geßen undt nun schlegt es ein virtel auff 10; also kan ich ohnmöglich heütte weitter auff Ewer liebes schreiben zu andtwortten[5], den ich muß vor 10 zu bett. Der diable au contretemps plagt mich woll. Ich fürchte, daß ich Eüch biß sambstag auch nicht viel werde schreiben konnen; den selben morgen werde ich umb 9 in kutsch, umb nach Paris zu fahren. Werde gleich au[x] Carmelitten, von dar zu madame la princesse, so kranck wieder von Equoan[6] [170] kommen ist, werde auch die hertzogin von Hannover besuchen. Adieu, her[z]liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch recht lieb.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 167–170
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1242.html
Änderungsstand:
Tintenfass