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Brief vom 12. Juli 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1245.


[175]
St Clou den 12 Julli 1721 (N. 8).
Hertzliebe Louise, seytter mitwog hab ich von Eüch, liebe Louise, nichts neües entpfangen, komme also auff Ewer liebes schreiben vom 28 Juni, no 49. Bin doch alß fro, wen meine brieff nicht verlohren werden; den es ist eine verdrießliche sache, die mühe zu nehmen, zu schreiben, undt daß hernach die brieffe nicht überkommen. Der printzes von Wallis fehlen 2 von meinen schreiben. Gott weiß, waß monsieur de Torcy mitt wirdt gemacht haben. Ihr wist, liebe Louise, daß unßere liebe churfürstin alß pflegt dieße große wahrheit zu sagen, daß unßer herrgott nichts neües vor unß machen wirdt undt daß wir folgen müßen, waß gott in der natur gesetzt. Ich sehe, daß Ihr wie ich gedenckt undt daß gar hohe alter scheüt. In der that ist es auch woll gar nichts ahngenehmes undt sehr zu scheüen undt, waß ahm meisten wunder nimbt, ist, daß die es ahm meisten wünschen, so jene welt ahm meisten fürchten, undt gedencken nicht, daß, je lenger sie leben, je mehr sollen sie jene welt fürchten; den je lenger man lebt, je mehr laht[1] man sünden auff sich; also solte man daß lange leben noch mehr scheüen. Ey, liebe Louise, warumb wolt Ihr mir doch so große complimenten machen? Unter unß ist es ja gar nicht nöhtig. Kene ich Eüch über daß den nicht genung, umb zu wißen, daß Ihr ein trewes, auffrichtiges, ehrliches gemühte habt, so nie ahn denen fehlen kan, so Ihr lieb habt? Ihr habt auch unrecht, mich über fehler umb verzeyung zu bitten, so ich gar nicht in acht genohmen habe. Den ich glaube, daß Ihr Eüch selber betrigt, den ich zeichne alle Ewer brieffe auff, so ich entpfange, undt fünde keines von 2 mahl 46 gezeignet. Ich habe auch gar nicht verspürt, daß Ihr eine post [176] verfehlt; contrarie, ich habe die vergangene woche mehr schreiben von Eüch entpfangen, alß keine woche, wen Ihr zu Franckwort[2] geweßen seydt; also secht Ihr woll, daß Ewere eingebilte fehler gar keine entschuldigung von nöhten hatten. Wen Ewer schreiben, daß Ihr zurißen[3], so voller ohnnöhtige complimenten war, kan ich es nicht regrettiren. Daß ist eine miltz-kranckheit, liebe Louisse, daß Ihr Eüch einbildt, mir Ewere brieffe nicht zu schicken dörffen. Will ich den, daß Ihr mir ein stück von theologie oder philosophie schreiben solt oder eine eloquente harangue machen? Daß were alber vor mich, könte es nicht verstehen. Waß ich von Ewern brieffen begehre zu wißen, ist, wie es mitt Eüch stehet, wie es Eüch geht, waß Ihr neües wist undt daß Ihr mich allezeit lieb habt, sonst gar nichts, undt daß ist ja leicht undt ohne mühe in die feder zu bringen undt bedarff gar nicht zurißen zu werden. Wer meinen gar großen verstandt rümbt, muß entweder sehr flatteux sein, oder sich nicht sonderlich drauff verstehen. Ich piquire mich von keinen hohen verstandt, nur von, waß man hir le sens common heist[4]. Wie ich kein konigreich zu regiren habe, habe ich es gar nicht von nohten; le sens commun ist genung, umb mitt meinen freünden undt verwanten zu sprechen, die auch sonsten nichts hinter mir suchen sollen. Unßere abtißin, dern contrefait ich Eüch geschickt, liebe Louise, fehlt nicht von verstandt; allein sie ist jung undt noch estourdie, worüber ich meine meinung nicht verhehle. Sie hatt doch viel beßere sentiementen, alß ihre schwester von Modene, den sie ist gar nicht falsch, wie dieße ist. Meines sohns kinder können leicht nach meinem sin establirt werden, den ich mische mich in nichts, daß ihnen ahngeht. Ist mein sohn mitt zufrieden, bin ich es auch; wünsche alles zum besten, bekümere mich aber gar nicht drumb. Der printzes von Modene kupferstück ist nicht gestochen worden, sonst hette ichs Eüch geschickt, liebe Louisse! Schönne kupfferstück zu samblen, ist gar eine löbliche curiositet. Ich glaube, ich habe noch von meinen kupfferstücken[5] zu Paris. Daß erste mahl, daß ich wider hin werde, will ich eines suchen; finde ich es, so werde ichs Eüch gar gewiß schicken. Auß die betrübte ursachen, so ich Eüch, liebe Louisse, vorgestern bericht, [177] fürchte ich sehr, daß Ihr Ewere liebe kinder, so Ihr erwahrt, noch so baldt nicht wieder zu Geissenheim haben werdet, weillen zeit gehört, den mastbaum wider in daß schiff zu setzen, so gebrochen worden; doch ein groß glück, daß den personnen kein unglück widerfahren. Wen nur daß arme schwangere weibgen nicht gar zu großen schrecken außgestanden hatt, welches gar gefahrlich ist; verlangt mich sehr, zu hören, wies abgeloffen ist. Meinen enckel habe ich nicht gewust, daß man ihn in kupffer gestochen hatte, habe es nie gesehen. Die kupfferstück, so man nach mir gemacht, ist nach dem wollgemahlten contrefait, so Rigau[d] nach mir gemacht, ist auch von einem gar gutten kupfferstecher gemacht worden[6]. Hab ich noch eins von den kupfferstücken, werde ichs Eüch gar gewiß schicken, liebe Louise, schicken vor Ewer gallerie von Geissenheim. Es ist gewiß, daß unßere liebe printzes von Wallis Ewer niepce von Holdernesse viel ahngenehmer findt, alß die gräffin von Degenfelt, welcher ihr timiditet dort thut[7] undt glauben macht, daß ihre schwester mehr verstandt hatt, alß sie. Wo ichs mich noch recht erinere, so hatt die fraw raugräffin[8] von allen ihren dochtern die Friderica ahm liebsten undt von die buben Carl Edewart[9]; zu meiner zeit war es so. Daß krancklich-sein muß Eüch erst nach dem ahnkommen sein, wie ich von hauß weg war; den zu meiner zeit hab ich Eüch nie kranck gesehen. Ich glaube, daß ich meinr gutten[10] gesundtheit der hannoverschen erzie[h]ung zu dancken hab; den es ist gewiß, daß rohe schincken undt knackwürst einen gutten magen machen. Kinder[11] man die kinder nicht delicat erziehen, würden sie starcker undt gesunder sein, alß wen man sie delicat helt. Zu meiner zeit war Carllutz sehr in gnaden bey I. G. dem churfürsten, unßern herrn vattern[12]. Aber es ist schon halb 10, ich muß nach bett, kan dißmahl noch nicht auff Ewer liebes schreiben vollig antwortten, den ich muß enden; bin doch schon ahn Ewer 20 blatt geblieben, aber es erstickt mich recht, daß man mich nicht außschreiben lest. Ich muß doch noch sagen, [178] daß nichts mehr in silance steckt, alß wen man von hertzen trawerig ist. Ein ander mahl ein mehrers, aber vor dießmahl kan ich nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, eine glückseelige nacht wünsche undt daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juli 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 175–178
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1245.html
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