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St Clou den 12 Julli 1721 (N. 8).
Hertzliebe Louise, seytter mitwog hab ich von Eüch, liebe
Louise, nichts neües entpfangen, komme also auff Ewer liebes
schreiben vom 28 Juni, no 49. Bin doch alß fro, wen meine brieff nicht
verlohren werden; den es ist eine verdrießliche sache, die mühe zu
nehmen, zu schreiben, undt daß hernach die brieffe nicht
überkommen. Der printzes von Wallis fehlen 2 von meinen schreiben. Gott
weiß, waß monsieur de Torcy mitt wirdt gemacht haben. Ihr wist,
liebe Louise, daß unßere liebe churfürstin alß pflegt dieße große
wahrheit zu sagen, daß unßer herrgott nichts neües vor unß
machen wirdt undt daß wir folgen müßen, waß gott in der natur
gesetzt. Ich sehe, daß Ihr wie ich gedenckt undt daß gar hohe
alter scheüt. In der that ist es auch woll gar nichts ahngenehmes
undt sehr zu scheüen undt, waß ahm meisten wunder nimbt, ist,
daß die es ahm meisten wünschen, so jene welt ahm meisten
fürchten, undt gedencken nicht, daß, je lenger sie leben, je mehr sollen
sie jene welt fürchten; den je lenger man lebt, je mehr laht
[1] man
sünden auff sich; also solte man daß lange leben noch mehr scheüen.
Ey, liebe Louise, warumb wolt Ihr mir doch so große complimenten
machen? Unter unß ist es ja gar nicht nöhtig. Kene ich Eüch
über daß den nicht genung, umb zu wißen, daß Ihr ein trewes,
auffrichtiges, ehrliches gemühte habt, so nie ahn denen fehlen kan,
so Ihr lieb habt? Ihr habt auch unrecht, mich über fehler umb
verzeyung zu bitten, so ich gar nicht in acht genohmen habe. Den
ich glaube, daß Ihr Eüch selber betrigt, den ich zeichne alle Ewer
brieffe auff, so ich entpfange, undt fünde keines von 2 mahl 46
gezeignet. Ich habe auch gar nicht verspürt, daß Ihr eine post
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verfehlt; contrarie, ich habe die vergangene woche mehr schreiben
von Eüch entpfangen, alß keine woche, wen Ihr zu Franckwort
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geweßen seydt; also secht Ihr woll, daß Ewere eingebilte fehler gar
keine entschuldigung von nöhten hatten. Wen Ewer schreiben, daß
Ihr zurißen
[3], so voller ohnnöhtige complimenten war, kan ich es
nicht regrettiren. Daß ist eine miltz-kranckheit, liebe Louisse, daß
Ihr Eüch einbildt, mir Ewere brieffe nicht zu schicken dörffen.
Will ich den, daß Ihr mir ein stück von theologie oder philosophie
schreiben solt oder eine eloquente harangue machen? Daß were
alber vor mich, könte es nicht verstehen. Waß ich von Ewern
brieffen begehre zu wißen, ist, wie es mitt Eüch stehet, wie es
Eüch geht, waß Ihr neües wist undt daß Ihr mich allezeit lieb
habt, sonst gar nichts, undt daß ist ja leicht undt ohne mühe in
die feder zu bringen undt bedarff gar nicht zurißen zu werden. Wer
meinen gar großen verstandt rümbt, muß entweder sehr flatteux
sein, oder sich nicht sonderlich drauff verstehen. Ich piquire mich
von keinen hohen verstandt, nur von, waß man hir le sens common
heist
[4]. Wie ich kein konigreich zu regiren habe, habe ich es gar
nicht von nohten; le sens commun ist genung, umb mitt meinen
freünden undt verwanten zu sprechen, die auch sonsten nichts hinter
mir suchen sollen. Unßere abtißin, dern contrefait ich Eüch
geschickt, liebe Louise, fehlt nicht von verstandt; allein sie ist jung
undt noch estourdie, worüber ich meine meinung nicht verhehle.
Sie hatt doch viel beßere sentiementen, alß ihre schwester von
Modene, den sie ist gar nicht falsch, wie dieße ist. Meines sohns
kinder können leicht nach meinem sin establirt werden, den ich mische
mich in nichts, daß ihnen ahngeht. Ist mein sohn mitt zufrieden,
bin ich es auch; wünsche alles zum besten, bekümere mich aber
gar nicht drumb. Der printzes von Modene kupferstück ist nicht
gestochen worden, sonst hette ichs Eüch geschickt, liebe Louisse!
Schönne kupfferstück zu samblen, ist gar eine löbliche curiositet.
Ich glaube, ich habe noch von meinen kupfferstücken
[5] zu Paris.
Daß erste mahl, daß ich wider hin werde, will ich eines suchen;
finde ich es, so werde ichs Eüch gar gewiß schicken. Auß die
betrübte ursachen, so ich Eüch, liebe Louisse, vorgestern bericht,
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fürchte ich sehr, daß Ihr Ewere liebe kinder, so Ihr erwahrt, noch
so baldt nicht wieder zu Geissenheim haben werdet, weillen zeit
gehört, den mastbaum wider in daß schiff zu setzen, so gebrochen
worden; doch ein groß glück, daß den personnen kein unglück
widerfahren. Wen nur daß arme schwangere weibgen nicht gar
zu großen schrecken außgestanden hatt, welches gar gefahrlich ist;
verlangt mich sehr, zu hören, wies abgeloffen ist. Meinen enckel
habe ich nicht gewust, daß man ihn in kupffer gestochen hatte,
habe es nie gesehen. Die kupfferstück, so man nach mir gemacht,
ist nach dem wollgemahlten contrefait, so Rigau[d] nach mir
gemacht, ist auch von einem gar gutten kupfferstecher gemacht
worden
[6]. Hab ich noch eins von den kupfferstücken, werde ichs Eüch
gar gewiß schicken, liebe Louise, schicken vor Ewer gallerie von
Geissenheim. Es ist gewiß, daß unßere liebe printzes von Wallis
Ewer niepce von Holdernesse viel ahngenehmer findt, alß die gräffin
von Degenfelt, welcher ihr timiditet dort thut
[7] undt glauben macht,
daß ihre schwester mehr verstandt hatt, alß sie. Wo ichs mich
noch recht erinere, so hatt die fraw raugräffin
[8] von allen ihren
dochtern die Friderica ahm liebsten undt von die buben Carl
Edewart
[9]; zu meiner zeit war es so. Daß krancklich-sein muß Eüch
erst nach dem ahnkommen sein, wie ich von hauß weg war; den
zu meiner zeit hab ich Eüch nie kranck gesehen. Ich glaube, daß
ich meinr gutten
[10] gesundtheit der hannoverschen erzie[h]ung zu
dancken hab; den es ist gewiß, daß rohe schincken undt
knackwürst einen gutten magen machen. Kinder
[11] man die kinder nicht
delicat erziehen, würden sie starcker undt gesunder sein, alß wen
man sie delicat helt. Zu meiner zeit war Carllutz sehr in gnaden
bey I. G. dem churfürsten, unßern herrn vattern
[12]. Aber es ist
schon halb 10, ich muß nach bett, kan dißmahl noch nicht auff
Ewer liebes schreiben vollig antwortten, den ich muß enden; bin
doch schon ahn Ewer 20 blatt geblieben, aber es erstickt mich recht,
daß man mich nicht außschreiben lest. Ich muß doch noch sagen,
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daß nichts mehr in silance steckt, alß wen man von hertzen trawerig
ist. Ein ander mahl ein mehrers, aber vor dießmahl kan ich
nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louisse, eine
glückseelige nacht wünsche undt daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.