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St Clou den 31 Julli 1721 (N. 12).
Hertzallerliebe Louise, vergangen sontag bin ich zu Paris,
wie ich es gehofft, mitt Eweren lieben brieff vom 19. no 54,
erfreüet worden. Es seindt abscheüliche fantesien mitt der post undt
es [ist] noch gar fein, wen man nur wie die printzes von Wallis
undt Ihr, liebe Louisse, 2 schreiben auff einmahl überlieffert. Den
unßere gutte hertzogin von Hannover, so mich alle mitwog besucht,
klagt[e] mir gestern, daß man ihr 9 posten von der keyßerin, ihrer
fraw dochter, schreiben zu Passel hatt liegen laßen, weillen die
keyßerliche undt frantzösche postmeister uneins sein. Ich muß
gestehen, daß es eine rechte ungedultige sache ist; unßere hertzogin
jammert mich recht drüber, den es betrübt sie recht, nichts von
ihrer keyßerin zu hören, undt hirin hatt sie recht. Mein grüner
safft, so ich vergangen montag genohmen, ist woll abgangen, aber
umb mich nicht abzumatten, hatt mir monsieur Teray nur einen
tag zu schlucken geben, welches noch woll hingeht. Befinde mich,
gott seye ewig danck, nun gar woll, liebe Louise! Wie lang es
aber werden wirdt, stehet bey gott dem allmächtigen. Alten
weibern, wie ich bin, fehlt allezeit waß. Mein[e] hoffmeisterin, so
pretendirt, ein par jahr jünger zu sein, alß ich, geht es unglücklicher;
den sie befürcht einen kreps ahn einer brust, welches etwaß
abscheüliches ist. Es ist eine kranckheit, so jetzt gar gemein in Paris
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sein solle, es graust mir abscheülich davor. Ist Schlangenbaadt den
so nahe bey Geissenheim, daß Ihr, liebe Louise, so geschwindt
hingefahren? Es muß eine distance wie Schelle
[1] von hir sein; den
ich bin allezeit 4 stundt unterwegen, ob ich zwar 2 relais habe.
Die graffin von Wittgenstein, so Ihr im Schlangenbaadt besucht, ist
sie nicht die fraw mutter von der jungen gräffin, die Ihr zu
Franckforth allezeit bey Eüch habt? Ich sehe niemandts, so bey der
neüen teütschen art von reden gewindt, alß die camm[e]r-magdtger;
die hetten woll zu meiner zeit nicht gedencken dorffen, vor jungfern
zu passiren, viel weniger den tittel zu führen. Alle teütsche
neüigkeitten kommen mir gar abgeschmackt vor, sehe nicht, daß man
etwaß beßers gemacht hatt, alß es zuvor war. Wie es zu unßern
zeitten war, war es gutt, man solts dabey gelaßen haben. Der
envoyes von Cassel zu Regensburg wirdt woll von denen Dürnberg
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sein, wovon I. G. s. mein fraw mutter eine jungfer, freüllen solte ich
sagen
[3], gehabt, so den damahligen oberjagermeister Schütz
bekommen, so hernach ahm stuttgarttischen hoff kommen, wie Lenor ihr
vatter, der von Veningen, Schützens platz bekommen. Wovon ich
rede, ist ein wenig eine alte geschicht undt nicht mehr, alß 63 jahr.
Ist der graff von Solms-Braunfelß deßen sohn, so ich vor dießem
gekandt undt allezeit im Haag bey könig Wilhelm geweßen? Ich
hatte ihn allezeit vor den besten menschen von der welt gehalten,
aber unßer graff von Naßaw-Saarbrücken hatt mich davon
desabüssirt undt viel falsche stück von ihm verzehlt, so mich recht wunder
genohmen; solle auch sehr desbauchirt vor mansleütte geweßen sein,
wovon ich vorher mein leben nichts gehört hatte. Madame
Dangeau, so jetzt zu Angeau ist, hatt mir geschrieben, ist sehr in
sorgen vor ihre fraw schwester, der fürstin von Nassau-Ussingen; den
sie hört undt sicht nichts mehr von ihr. Ist die erbprintzeßin von
Darmstat nicht wider schwanger? Muß nur ins Schlangenbaadt
gezogen sein, sich zu divertiren, wie es bey teütschen höffen zimblich
bräuchlich ist zu allen zeitten geweßen. Es muß Eüch doch
ahngenehm sein, Eüch bey fürstlichen undt gräfflichen personnen so
beliebt zu sehen. Daß ist doch artlich, daß Ihr zu Geissenheim so
gutte geselschafft habt, liebe Louise, undt die wahl, in geselschafft
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zu sein oder gantz allein; so können einem die geselschafften nie
beschwerlich fahlen. 19 kinder, wie die fraw cammer-pressidentin
von Ingelheim gehabt, ist nichts zu rechnen gegen, waß die fraw
von Rotzenhaussen gehabt, nehmblich 27 kinder; 25 seindt getaufft
worden undt 2 ohne tauff gestorben. Leütte, die sich allezeit lustig
halten können, scheinen allezeit jünger, alß andere; Lenor, die
woll auffs wenigst so alt ist, alß ich, scheindt doch viel jünger.
Ewer letztes schreiben ist so apropo undt zu rechter zeit kommen,
liebe Louise, daß ich nicht verspüren konnen, daß mir eine post
gefehlt hatt. Daß nimbt mich gar nicht wunder, daß die fürstin
von Ussingen ihrer schwester brieffe nicht entpffängt, den alle
menschen klagen über die post; sie mag Eüch nur ihre brieffe [geben],
so wirdt sie madame de Dangeau gar sicher bekommen undt ich
werde Eüch die andtwortt schicken. Daß, so ich direct von
Franckfort bekommen, hatt man
[4] Dangeau gar gewiß entpfangen, aber
keine andtwort geschickt. Ich hoffe, daß Ihr jetzt daß vergnügen
habt, Ewere kinder bey Eüch zu haben. Mich verlangt, zu
vernehmen, wie es dießer englischen dame in Teütschlandt gefehlt.
Grüst sie alle gar freündtlich von meinetwegen! Daß teütsche
geblüdt, so sie von allen seytten in ihren adern hatt, solte sich doch
in ihr fühlen laßen. Ambrassirt mein patgen auch von
meinetwegen! Es ist ein groß glück, daß Ewere niepce, liebe Louise,
sich in dem abscheülichen schrecken nicht blessirt hatt, so sie auff
dem meer außgestanden, welches gar keine sach vor ein[e] schwangere
fraw ist. Aber es ist zeit, daß ich meine pausse mache undt mich
ahnziehen gehe. Es ist nun über 6 undt ich habe bißher nicht zum
schreiben gelangen können; den so baldt ich ahngezogen geweßen,
war es zeit, in kirch zu gehen, von dar ahn taffel. Wie wir schir
geßen, ist mein sohn kommen, mitt welchen ich ein stündtgen
geplauttert. Hernach habe ich viel brieff bekommen, undter andern
einen von der fürstin von Ussingen, so mir ein schreiben vor ihre
schwester, madame Dangeau, schickt. Hernach bin ich umb 4 in
calesch spatziren gefahren; wie ich aber im endt vom gartten war,
ist ein edelman vom konig kommen, der hatt mir ein brieff vom
maréchal de Villeroy bracht, welcher mich b[e]richt, daß dem
könig heütte morgen umb 10 ein kopffwehe ahnkommen, so er umb
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3 noch hatte
[5]; daß setzt mich in rechten [sorgen]. Ich habe diß
kindt mein tag nicht schönner gesehen, alß er vergangen sontag
war, ist nun woll daß schönste kindt, so man jemahlen gesehen.
Es were woll sündt undt schadt, wen diß kindt die kinderblattern
bekommen solte; es ist mir bitter bang davor, es macht mich gantz
trawerig undt setzt mich in rechten sorgen, den ich habe diß kindt
recht hertzlich lieb. Ich muß schließen, bin gar zu gridtlich, umb
heütte lenger zu blauttern, undt Ewer liebes schreiben ist vollig
beantwortet, bleibt mir also nichts mehr überig zu sagen, alß daß
ich, ruhig oder in sorgen, wie nun, doch allezeit sein undt bleiben
werde, hertzliebe Louise, die person, so Eüch von hertzen lieb
behelt. Biß sambstag will ich Eüch sagen, wie es mitt dem könig
stehet.