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Brief vom 7. August 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1251.


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St Clou den 7 Augusti 1721 (N. 14).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder nahm, umb auff Ewer liebes schreiben vom 26 Julli, no 56, zu andtwortten, bringt man mir daß vom 31 Julli, no 57; will also bey dießem frischen ahnfangen. Es ist eine ungemächliche sache, wen man ahn orter ist, wo keine post geht. Es war eine gemächliche sach, mitt dem könig s. zu reißen; den wo der könig auch hinging, es ware nahe oder weit, war allezeit die post. Es ist leicht zu glauben, daß ein man, so alle tag batzen einzicht, auff die lenge reich muß werden. Es wahren zu St Germain ahn dem berg, wo man von Versaille hinfahrt, 2 bettler, die hatten sich 2 kleine hütten von erden gema[c]ht, darinen sie saßen undt bettelten. Die 2 kerl seindt so reich geworden, daß sie ihre dochter woll versorgt, undt seyder hatt [einer] seiner dochter 10/m. thaller heürahts-gutt geben. Also habe ich keine mühe, zu glauben, daß der postman auch waß muß auff die lenge gewohnen[1] haben. Hir ist keine post, aber ich habe zwey laquayen ahngenohmen, die seindt meine postillions, die schicke ich alle abendt, ein[e]r nach dem andern, nach Paris mitt meine brieffe. Ich habe heütte die gazetten vom herrn Runkel entpfangen. Waß der postmeister von Bern[2] geschreiben[3], ist ein ostereichscher stiehl, der mir gar nicht gefelt, den ich verstehe die helfft nicht. Waß geht mich die frantzösche post ahn? Da habe ich gar nichts mitt zu thun, habe ihn also nicht andtwortten laßen. Daß leütte sein, so übel undt widerlich schreiben, wundert mich nicht; aber daß man die art von schreiben jetzt in Teütschlandt schön findt undt admirirt, das ist mir ohnleydtlich undt macht mich glauben, daß meine arme landtsleütte gantz zu narren werden. Ich wilß einmahl versuchen mitt dießem brieff undt franco drauff setzen. Wir werden [198] sehen, waß drauß werden wirdt; geht es woll ab, will ich fortfahren; geht es fehl, werde ichs nicht mehr thun. Ich habe, seyder Ihr mir geschrieben, die brieff über Brüssel undt Bingen zu adressiren, nicht manquirt, es auff mein paquet zu setzten[4]. Die 4 brieff, so man Eüch von mir auff einmahl gebracht, müß[en] zu Franckforth liegen blieben sein, liebe Louise! Ihr sagt nicht, liebe Louise, ob daß graffliche freüllen, so bey Eüch zu Franckforth geweßen undt Eüch so mitt schmertzen adieu gesagt, nicht fro geweßen, Eüch wider zu sehen. Wie kompts, daß mutter undt dochter so ungern wider nach hauß gehen? Mich deücht, wen man lang herumb geschwemmelt hatt, ist es ahngenehm, sich wider in ruhen zu hauß zu finden. Ich wuste woll, daß Ewere arme niepce erschrecklich mager undt geendert ist; schwangere weyber bekommen alle magere undt spitzige naßen, daß ersetzt sich wider hernach. Ich glaube, graff Degenfelt sicht die verend[e]rung von seiner gemahlin woll; weillen sie aber gar woll mitt ihm lebt, lest er es passiren, alß wens nicht wehre. Da laüdt[5] man ins gebett.
Umb 7 abendts.
Da komme ich von der spatzirfahrt. Es war daß schönste wetter von der welt, wie wir außgefahren sein, aber der himmel hatt sich auff einmahl gantz schwartz überzogen, undt wie ich in ein[e]r offenen calesch war, habe ich den regen gefürcht, bin wider herrein. Nun ist es mir leydt, den es ist kein wetter komen. Ich schreibe Eüch, liebe Louise, ahn meinem offenen fenster, wo ich die schönste außsicht von der welt habe; gantz Paris macht mein [h]orizont, vor mir ist ein flach felt, auff der lincken handt ist daß gantze bois de Boulogne undt die steiner[n]e brück; auff der rechten seytten sehe ich 3 schönne dorffer, Vanvré[6], Veaugirar[7] undt Is[s]y; die Seine fliest zu nahe bey dem gartten, drumb kan man sie von meinem stockwerck nicht sehen. Aber es [ist] auch zeit, daß ich wider auff Ewer liebes schreiben komme, wo ich geblieben, wie ich ins gebett gemüst. Aber es wirdt nun so dunckel, daß ich schir nicht mehr sehen kan, muß also eine lange pausse machen, umb die lichter ahnzuzünden. Es ist auch die stunde vom nachteßen. Mein eßen ist noch nicht kommen, kan also noch woll ein par linien schreiben. Ich wünsche Ewern niepce eine glückliche niederkumfft. [199] Ihr kindt muß starck ahnkleben, daß es in den schrecken von der see nicht herauß geschloffen ist. Ich we[i]ß der graffin Degenfelt recht danck, unßer ehrlich, liebes Teütschlandt nicht zu verachten undt auffs wenigst zu thun, alß wens ihr gefiehl. Aber da kompt mein eßen ahngestochen.
Mein eßen ist nur bestanden in ein wenig hechi[8] mitt capern. Ich habe es mitt gar großen apetit geßen; hette ich gedorfft, hette ich noch mehr geßen, es hatt mich dießen abendt recht gehungert. Monsieur Theray ist von Paris kommen, alle unßere convalessante befinden sich, gott lob, gar woll undt haben großen hunger. Gott gebe, daß sie so moderat in ihrem eßen sein mögen, alß ich! Den ich habe mich in meinen hunger eingehalten; daß, fürchte ich, wirdt dieße junge bursch[9] nicht thun. Wen man etwaß mitt so guttem hertzen undt gemühte einricht, alß Ihr gethan, liebe Louise, kan es ohnmöglich fehlen, recht undt gutt zu sein. Mein gott, liebe Louise, warumb habt Ihr die junge gutte leutte beschimpffen wollen, nicht von ihnen zu nehmen, waß sie Eüch mitt so guttem hertzen mittgebracht haben? Kein mensch kan sich recht auff schwanger weiber zustandt verstehen, alle schwangerschafften seindt different. Ich habe nur 3 kinder gehabt, allein alle 3 schwangerschafften wahren so different, daß ich selber nichts drin begreiffen konte. In dem alter, wo mein patgen, die kleine graffin von Degenfelt, ist, findt[10] man nie kein enderung der lufft, wirdt baldt in der samfften pfaltzischen lufft gewohnen. Ambrassirt sie von meinetwegen undt grüst ihre eltern freündtlich! Es ist mir leydt, daß Ihr mir die relation von ihrer see-avanture nicht geschickt; den solche geschichten leße ich gern, insonderheit, wen die leütt[e] salvirt sein. Ich bin gewiß, daß, wen Ewer niepce schinken im schiff geßen hette, sie gewiß kein magen-wehe bekommen. Den auff der see, habe ich allezeit gehort, daß man etwaß starckes eßen muß, damitt die see-lufft die brust nicht ahngreifft. Knackwürst seindt auch nicht ungesundt, bekommen mir woll. Ich bin versichert, daß, wen Ewere niepce es versucht hette, würde sie sich woll dabey befunden haben. Wir haben nun gar schön wetter hir; ich wolte, das Ihr es auch zu Geissenheim haben moget, umb Eüere kinder zu spatziren. Es ist nicht printzes Caroline geweßen, so daß geschwehr im halß [200] gehabt, es war printzes Amelie. Aber seyderdem hatt printzes Anne daß fleckfieber bekommen, hatt ihrer fraw mutter auch abscheüliche angsten eingejagt, solle doch nun außer aller gefahr sein. Gott erhalte alle der princes von Wallis liebe printzen undt printzessinen undt gebe ihr so viel trost, alß die liebe printzessin schmertzen undt hertzenleydt seyder diß jahr außgestanden! Hiemitt ist Ew[e]r liebes schreiben gar ordendtlich beantwordtet. Ich muß nach bett, werde also heütte nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Louise, von hertzen lieb behalte undt Eüch allen trost undt vergnügen wünsch[e], so Ihr selbst wünschen undt begehr[e]n moget.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. August 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 197–200
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1251.html
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