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Brief vom 13. August 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1253.


[202]
St Clou den 13 Augusti 1721 (N. 16).
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn, zu schreiben, den morgen gehe ich, mich zum h. abendtmahl bereytten, werde wenig schreiben können, fange bey dem vom 2 Augusti ahn, no 58. Bin fro, daß meine schreiben nicht verlohren [gehen] undt Ihr sie, wiewoll unrichtig, doch endtlich entpfangt. Ihr segt woll, liebe Louise, daß es eine rechte boßheit ist, weillen sie meine brieff nach Franckfort schicken, ob ich zwar Brüssel undt Bingen drauff gesetzt hatte. Daß ist billich, daß der herr Würtzau, Runkel wolte ich sagen, seinen neüen herrn sehen [wollte]. Danckt ihn von meinetwegen, mir so fleißig die zeittungen undt pflaster-schachteln geschickt zu haben! Ey, liebe Louise, wen ich Eüch amitié erweiße, bedarff es keine dancksagung; den daß ist mir gar zu naturlich undt schuldigkeit dabey. Wir seindt ja einander nahe genung, umb unß lieb zu haben. Aber da kommen alle meine enckelen herein; ich muß eine pausse machen.
Mitwog umb halb 9 abendts.
Ich habe ein schreiben von unßerer hertzogin von Hannover bekommen mitt einer comission von der keyßerin, habe also gleich andtwortten müßen. Hernach ist mein sohn kommen, wirdt hir [203] schlaffen undt drüben bei Churbayern zu nacht eßen, ich will sagen in daß hauß, so Churbayern gehabt hatt. Drumb kome ich wider so spät, zu schreiben, muß nach bett. Morgen hoffe ich Eüch ferner zu entreteniren, aber nun muß ich schlaffen gehen. Eine glückselige gutt nacht, hertzallerliebe Louisse! Ich bin heütte so sehr geplagt worden, daß ich nichts mehr sagen kan, alß daß ich wünsche, [daß ich] morgen keine verhindernuß wie heütte finden mag.
Donnerstag, den 14 Augusti, umb halb 5 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der kirch, liebe Louise, undt will Eüch entreteniren, aber nicht ohne interuption, den da finde ich die princesse d’Auvergne in meiner cammer. Gott bewahre mich vor weittern interuption! Den da geht die printzes d’Auver[g]n[e] wieder weg. Aber ich komme auff Ewer liebes schreiben, wo ich gestern geblieben war. Daß seindt frantzosche manieren, so baldt man alt wirdt, ob man zwar frisch undt gesundt ist, muß man doch immer brauchen[1]. Dießmahl hatt mich der grüne safft nicht abgematt, aber man hatt mirs auch nur einen tag geben; daß matt nicht sehr ab. Man kan sich, gott lob, nicht beßer befinden, alß ich nun thue. Monsieur Chirac, meines sohns docktor, ist ein wunderlicher man, sagt offt, waß er nicht gedenckt; es ist nicht zu erdencken, waß einfäll er hatt. Die pest nimbt nun, gott lob, sehr ab undt man hofft, daß [sie] endtlich einmahl gantz ein endt nehmen wirdt. Daß schadt nicht, liebe Louise, daß Ihr Eüch im schiffer verschrieben; ich habe es Eüch nur zu wißen gethan, damitt Ihr Eüch wider recht einrichten könt. Freyllich ist es nicht christlich, einen großen haß zu hegen; aber daß hatt man hir, sie haßen einem nicht wegen daß übel, so sie entpfangen, sondern wegen daß böße, so sie einem gethan haben; den sie meinen, man seye so rachgirgich wie sie, undt deßwegen müßen sie haßen undt daß wirdt nicht geendert. Ich weiß woll jemandt, den ich nicht lieben kan, aber ich thue ihm kein leydts, daß ist der neüe cardinal; aber er hatt mir mein gantz leben vergifft[2]. Gott wolle es ihm vergeben! Aber er mögte woll in jener welt davor [204] leyden. Aber es schlegt 8 undt ich muß zu nacht eßen. Madame la princesse ist her kommen , die hatt mich eine gantz[e] stundt abgebrochen, will doch noch waß nach dem eßen sagen; den ich eße gar geschwindt undt leyder wenig, man macht mich alß auff meinen apetit abbrechen. Ich hette dießen abendt woll mehr geßen, wen ich es gehabt hette. Aber last unß wider auff Ewer liebes schreiben kommen! Es ist schwer, deücht mir, ein sach ohne haß zu diffendiren; daß muß die gnade gottes clar thun, den es ist nicht menschlich. Ist[3] verstehe kein wordt von allen den affairen von monsieur le Fevre, aber ich habe ihm gesagt, daß er mir sagen solle, waß ich vor seinen affairen thun konte; werde es thun. Ich habe ich[4] vergangen montag daß paquet von graff Degenfelt in eygenen händen gelieffert. Waß die rechten hir ahnbelangt, da weiß ich kein wordt von; daß seindt mir lautter spanische dörffer. Es war Monsieur s. oder, umb wahrer zu reden, seinen favoritten so bang, daß ich mich in affairen instruiren solte undt Monsieur die augen öffenen. Also hatte Monsieur s. in sein undt mein hauß verbotten, daß man mir nichts lernen[5] solte; weiß also nichts von der welt von affairen undt bin zu alt jetzt, zu lernen; alßo weiß ich nichts undt will nichts wißen. Wozu solt[e] es mir gutt sein? Mein sohn ist alt genung, umb ahn seine affaire zu dencken; er verstehet es auch gar woll; ich aber habe nichts anderst zu thun, alß christlich zu leben undt suchen, seelig zu sterben; daß ist all mein sach. Ich muß baldt abbrechen, den es ist schon 9 geschlagen; will Eüch doch noch ein halb stündtgen entreteniren. Den herrn graffen undt unßere niepce, seine gemahlin, dancke ich sehr vor dero ahndencken undt wünsche, daß sie einen sohn, der ein rechter Teütscher wirdt sein, zu Geissenheim bekommen mag undt sich woll dabey befinden undt von der gutten teütschen lufft fett mag werden. Es kan niemandts, wer es auch zum poßen thun wolte, keine heßlichere, noch abscheülichere moden vor mäner undt weiber erdencken, alß nun sein. Ich ersch[r]ick offt, wen ich es sehe, meine, die leütte kommen auß dem dollhauß oder auffs wenigst von dem bal en masque. Ewer … hatt groß recht, die jetzige frantzoschen moden abscheülich zu finden. Die graffinen von Zoettern seindt auffs neüe wider beyde [205] todt-krank worden, wahren also vergangen[e] woche noch zu Paris. Ob sie seyder weg sein, weiß ich nicht. Ihr seydt, liebe Louise, so ahn affairen gewohndt, daß ich forchte, d[i]e zeit wirdt Eüch lang wehren, nichts mehr zu thun zu haben. Außer wen ich, wie vor dießem, mitt einem hudt undt surtout[6] ahngethan bin, sonsten halte ich nichts von regenwetter. Da schlegt es halb 10, ich muß enden. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen. Bin fro, mich deß wegs von Utrecht nach Bachera[c]h noch recht erinert zu haben. Ich habe Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. August 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 202–205
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1253.html
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