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St Clou den 30 Augusti 1721 umb halb 9 abendts (N. 21).
Hertzallerliebe Louise, den gantzen morgen hab ich
ahngewendt mitt affairen, habe einen courier abfertigen müßen ahn den
hertzog von Lotteringen. Den wie mein sohn zu viel zu thun hatt,
umb ahn seine schwester undt schwager zu schreiben, also sagt er
mir die andtw[o]rt mündtlich, so ich ihnen schreibe. Daß hatt mich
den gantzen morgen occupirt. Hernach habe ich mich ahngezogen,
da ist der herr Benterritter zu mein[e]r toilette kommen undt
geblieben, biß ich ahn taffel, ist auch mitt mir in die kirch; hernach
bin ich ahn taffel. Nach dem eßen habe ich viel brieff bekommen,
unter andern einen von unßer printzes von Wallis, so mir bericht,
daß printzes Anne, gott lob, ein wenig beßer ist. Aber weillen
man woll wust[e], daß ich vor dieße printzes in sorgen war, hatt [man]
mir meinen bri[e]ff 4 tag[e] lenger auffgehalten, alß hette sein sollen,
undt ich hette es schon verwichenen montag haben sollen. Aber
hirauff ist nichts zu sagen, kan ohnmoglich geendert werden, waß
wir auch drauff sagen mögen, oder gedenken; will derowegen von
waß anderst reden, komme auff Ewer liebes schreiben von 16
Augusti, no 61. Es ist gewiß ein groß hertzenleydt undt angst, so
unßere printzes von Wallis diß jahr mitt ihren printzessinen
außgestanden, jammert mich woll von hertzen; den sie sagt, daß ihre
kinder sich in ihren threnen baden konnten, so sie vor ihnen
vergoßen dieß jahr in angst undt sorgen. Daß sterckt mich woll in
dem glauben, worin ich bin, daß die, so kein[e] kinder haben wie Ihr,
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liebe Louise, viel glücklicher sein, alß die, so kinder haben. In den
detail will ich nicht schreitten, den es ist zu spatt. Es ist zu
natürlich, daß, wen ich Eüch schreibe, liebe Louise, schreibe, ich mich auch
Ewer[e]r lieben kinder erinere. Ich kan mir leicht einbilden, welchen
abscheülichen schrecken Ihr gehabt, den graff Degenfelt so mitt dem
pferdt zu fallen sehen. Ihr sagt nicht, liebe Louise, ob seine
gemahlin dieß spectacle auch gehabt hatt; daß deücht nichts vor eine
schwangere fraw. Graff Degenfelt kompt wollfeil davon, nur wehe
ahn der schulter [zu] haben, hette arm undt bein brechen können.
Axellen undt schenckel seindt nicht gefahrlich, allein daß der kopff
es entpfindt, daß deügt nicht. Wundt- undt fall-tranck
[1] seindt gutt
in dem fall. Ihr, liebe Louise, hettet vor Ewern schrecken einen
gutten drunck wein thun sollen, daß hindert, daß der wein
[2] nichts
schadt. Daß ist gar nichts rares, daß schwangere weiber sich nach
dem eßen übel befinden; unter hundert werdet Ihr 98 finden, den[en]
es so geht. Da muß man sich nicht ahn kehren, es kan nicht
anderst sein. So tendre soltet Ihr nicht sein, daß thut Eüch nur
schaden, liebe Louise, undt hi[l]fft Ewer niepce zu nichts. Ich
wünsche ihr von hertzen ein dicken, gesundten buben, wie ihr
dochtergen ist, woran Ihr alle lust undt freüden haben mogt. Ich glaube
nicht, daß auß[er] die h. 3 konige
[3] viel raritetten zu Coln sein. Aber
den graff Degenfelt mögt ich recht filtzen, zu leyden, daß eine
schwangere fraw auff ein thurn klette[r]t. Daß ist nicht zu leyden
undt gott versuchen undt waß zu thun, so weibe[r]n schadtlich ist,
so schwanger, daß ist recht gott versucht. Es seindt offt affairen,
so mehr lange weill geben, alß der müßiggang. Knopffgen kan ich
auch gar woll machen. Aber da kompt monsieur Teray undt filtz[t],
daß ich no[c]h nicht nach bett gehe. Muß schließen undt vor dieß
mahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb habe
undt all mein leben behalten werde, liebe Louise!